Interviews
25.03.2019 Jörg Halstein  
neues vandermeer-Album erscheint diese Woche

"Wir haben gegen unsere Unterwäsche gesungen"

​​Die in Trier beheimatete Indie-Band vandermeer veröffentlicht Ende März ihr neues Album "Panique Automatique", das Harmke, Florian, Jo und Bernd bei einem Live-Konzert in Lucky's Luke am Samstag, ​30. März 2019 offiziell releasen werden.

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​​​Wir haben die Band in ihrem Proberaum im Trierer Westen getroffen und mit dem quirligen Quartett gesprochen.

hunderttausend.de: Bands gehören bekanntermaßen eingeordnet. Auf Euch passen Kategorien wie Indie und Rock, Ihr verfeinert das selbst gerne mit “Shoegazing”. Was soll denn bitteschön so toll daran sein, sich selbst ständig auf die Füße zu starren?

Jo: Schau' Dir das mal an (zeigt auf die Heerscharen an blinkenden Effektgeräten, die den Boden des Proberaums bedecken). Wir müssen die ganze Zeit Gerätschaften mit den Füßen bedienen, das ist ja quasi das Kennzeichen unserer Musikrichtung, dieser effektreiche Sound. Deshalb müssen wir unsere Füße immer im Auge behalten.

hunderttausend.de: Am 29. März erscheint Eure neue Platte "Panique Automatique" (Barhill Records/Cargo), fast sechs Jahre nach Eurem ersten Album “Polygraph​”. Warum hat das so lange gedauert?

Florian: Das hatte mehrere Gründe. Wir hatten ja zwischendurch einen Wechsel in der Besetzung mit zwei neuen Mitgliedern (nämlich Jo und Bernd), da haben wir damals quasi einen Cut gemacht und wieder vorne angefangen. Wir haben neue Songs geschrieben und das alte Material über Bord geschmissen. Wir haben sogar sehr viele Songs neu geschrieben und da mussten wir dann auch erst einmal eine Auswahl für die neue Platte treffen. In der Zeit haben wir auch ziemlich viel live gespielt und weil wir das mit der Band ja nicht hauptberuflich machen, kann das alles eben ein Weile dauern.

Harmke: Wir haben uns das vielleicht auch alles etwas schneller vorgestellt. Aber wir haben 2015 ja auch noch eine EP herausgebracht.

Bernd: Und Ende 2016 haben wir schon mit den Aufnahmen für diese Platte begonnen, da haben wir das Schlagzeug eingespielt.

Florian: 2018 haben wir den Gesang bei uns im Schlafzimmer aufgenommen, bei geöffnetem Kleiderschrank. Wir haben quasi gegen unsere Unterwäsche gesungen, aber das bescherte uns den besten Sound. Und diese Do It Yourself-Haltung, die wir als Band immer wieder an den Tag legen, die gefällt mir richtig gut.

hunderttausend.de: Mit dem Musikjournalisten Kai Florian Becker habt Ihr ja quasi in der Nachbarschaft (im saarländischen Riegelsberg) ein Plattenlabel gefunden...

Florian: Wir haben uns mit unserem neuen Album bei ganz vielen Labels beworben und von einigen haben wir auch Antwort bekommen, darunter auch "Bar Hill Records". Anfangs wussten wir überhaupt nicht, dass Kai Florian Becker dahintersteckt. Mittlerweile stehen wir im fast schon täglichen Austausch mit ihm, er geht da unheimlich engagiert zur Sache, als einer, der vor zwei Jahren ein neues Label gründet, obwohl eigentlich keiner mehr Schallplatten oder CDs kauft. Da muss man schon ein riesiger Musikfan sein. Deshalb finden wir das ziemlich cool, mit ihm zusammenarbeiten zu können.

Warum "Panique Automatique"?

Jo: Ich habe schon immer Titel oder Texte einfach so aus der Hüfte geschossen und manchmal erst Jahre später herausgefunden, was ich damit eigentlich gemeint habe. Bei "Panique Automatique" kristallisiert sich heraus, dass damit eine kritische Betrachtung der Social Media verbunden ist, weil dort ja auch bei bedeutungslosen Anlässen urplötzlich Shitstorms ausbrechen und alle in Panik geraten.

Die Platte zeigt sich als sehr abwechslungsreich. Das könnte mancher - mit ein bisschem bösem Willen - als "beliebig" kritisieren. Was entgegnet Ihr?

Florian: Vor allem in der Musik ist das Schubladen-Denken verbreitet, es gibt da viele, die auf einer Platte alles aus ein und derselben Schublade erwarten. Andererseits frage ich mich, in welchen Haushalten überhaupt ordentlich aufgeräumte Schubladen existieren?

Im Spotify-Zeitalter heißt es, dass die Bedeutung eines Albums schwindet und Playlists immer mehr an Wichtigkeit hinzugewinnen. Insofern kann man unser neues Album auch durchaus als vandermeer-"Playlist" verstehen.

hunderttausend.de: WHOEVER'S LEFT WILL FALL IN LINE als Single-Auskopplung ist wahrscheinlich keine schlechte Wahl, wer hat's so entschieden?

Harmke: Das haben Jo und ich so entschieden, nachdem uns das Label gefragt hat, welchen Titel wir als Single releasen wollen. Der ist so "catchy", wie Jo immer sagt.

Florian: Ich hätte mich füt "Arise" entschieden, der ist der am wenigsten kommerzielle Titel. Aber am Ende ist die Entscheidung aber ok für mich, weil das ja auch zum Ausdruck bringt, wie abwechslungsreich unser neues Album geworden ist.

Live, Studio oder Proberaum?

Florian: Auf jeden Fall live spielen. Deswegen macht man ja den ganzen Scheiß, um auf der Bühne für andere Menschen zu spielen.

Harmke: Das stimmt schon, aber es ist auch ziemlich großartig, wenn Du im Probenraum neue Sounds und Songs entwickeln kannst, wenn Du Dich nicht gerade auf das nächste Konzert vorbereiten musst.

Florian: Witzigerweise haben wir schon jetzt so viele neue Songs beisammen, dass es fast für eine neue Platte reicht.

Jo: (lacht) Im Sommer will ich aufnehmen!

Florian: Die neue Platte wird auf jeden Fall weniger poppig, glaube ich...

Harmke: ...das werden wir sehen! Das werden wir sehen, was dabei herauskommt.

Was war das beeindruckendste Konzert, was war das Absurdeste?

Harmke: Das Konzert bei der Fêtes de la Mirabelle in Metz war für mich eines dieser Highlights, das war ein großartiges Ambiente.

Jo: Absurd war das Konzert, bei dem Adel Tawil Headliner war. Da passten wir stilistisch so überhaupt nicht dazu. Wir haben auf einer Monsterbühne gespielt, vor der sich ein paar wenige Teenies trollten, die mit unserer Musik aber so überhaupt nichts anfangen konnten.

Großer Reichtum ist für kleine Bands nicht wirklich zu erwarten. Warum zur Hölle tut Ihr Euch das also an?

Jo: Ganz einfach: Ich mache das, weil es das ist, was mein Herz erfüllt.

Florian: Als Musiker willst du alles dafür tun, so oft wie möglich live vor anderen Menschen zu spielen. Und wenn es den Zuhörern dann auch noch gefällt, dann bereitet uns das natürlich auch Spaß und Freude.

vandermeeR
  • Bernd Erasmy (Drums & Noise & rheinland-pfälzischer Integrationsbeauftragter für die drei weiteren saarländischen Bandmitglieder)
  • Jo Hansson (Bass, noise, synthesizer
  • Florian P. Stiefel | guitar, kaossilator, noise & keys
  • Harmke van der Meer | voice & synthesizer
Album-Release ist am Samstag, 30. März 2019, in Lucky's Luke (Luxemburgerstraße). Support: Finbogastan. Beginn 20:00. Eintritt 8 Euro (nur Abendkasse).

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