Interviews
02.07.2015 Vincenzo Sarnelli Veranstalter
The Satellite Year

"Gelee liegt auf dem Badezimmerboden"

​​Am kommenden Wochenende, vom 03. Juli bis 05. Juli 2015, findet das Fallig Open Air in Enkirch statt. Unter anderem stehen Rantanplan und Tim Vantol auf der Bühne. Ebenfalls mit von der Partie sind die Saarbrücker von der Band The Satellite Year. Wir sprachen mit Sänger Daniel Rimedio über "Saarbrooklyn", das neue Album "Brooklyn, I Am" und sinnlose Songtexte. 

 
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hunderttausend.de: Als Rheinland-Pfälzer müssen wir das Interview jetzt mal so anfangen: Ihr kommt aus "Saarbrooklyn". Schon mal negative Erfahrungen mit eurer Saarländischen Herkunft gemacht? Und wann habt ihr das letzte Mal geschwenkt? Habt ihr den Albumtitel "Brooklyn, I Am" wegen dem bekannten Spitznamen eurer Heimat Saarbrücken gewählt?

Daniel Rimedio: Uns ist das mit "Saarbrooklyn" und "Brooklyn, I AM" ehrlich gesagt erst aufgefallen als wir das erste mal darauf angesprochen wurden. Beabsichtigt war diese Assoziation eigentlich nicht von uns, aber wenn die Leute sich so unseren Albumtitel merken können, ist das ja super.
Schlechte Erfahrungen haben wir im Saarland noch keine gemacht.
Wir fühlen uns wirklich sehr wohl in unserem kleinsten Bundesland. Von Natur bis Partymarathon ist hier alles möglich. Jeder kennt jeden und mir persönlich gefällt sowas besser als die Anonymität einer Großstadt. Unsere letzte Schwenksession ist schon was länger her, aber hey, wir laden dich gern zur nächsten "Schwenkerei" ein, damit du das als "Rheinland-Pfälzer" von den Profis gezeigt bekommst (lacht). Den konnte ich mir nicht verkneifen. 
 
Ist das Album somit auch biographisch zu verstehen, wenn ihr selbst drüber sagt, dass das Album das Auf und Ab des Lebens abbilden soll?

Teilweise ist der Titel wirklich biographisch zu verstehen. Wir hatten gerade im letzten Jahr schwierige Zeiten zu überstehen. Sowohl in der Band als auch privat. Außerdem wollten wir mit der Wahl des Albumtitels andeuten, dass unsere Musik vielfältiger geworden ist; so vielfältig wie es z.B. Brooklyn als Stadtteil von New York ist. "Echte New Yorker" gibt es ja nicht. Die Menschen kommen von überall auf der Welt, sprechen verschiedene Sprachen und haben es geschafft ein gemeinsames Lebensgefühl entstehen zu lassen. Ich hoffe, die Leute spüren dieses Lebensgefühl wenn sie die Platte hören. Mit unserer ersten Single "Tarantino: Part II" haben wir auch erstmals einen Song geschrieben, der sich mit Vorurteilen, Dummheit und Ausländerfeindlichkeit beschäftigt. Wir merken ja leider gerade, was gefährliches Halbwissen anrichten kann. Den Satz "Ich hab ja nichts gegen Ausländer, ABER"  kann ich nicht mehr hören.

In einem anderen Interview sagt ihr, dass ihr euch mit dem im März erschienen Album von eurem Debüt "Mission: Polarlights" abheben wolltet. Warum? Seid ihr dem Vorgänger entwachsen?

Wir sind nach wie vor sehr stolz auf "Mission: Polarlights", wollten aber tatsächlich etwas weg vom "Pop-Rock-Sound". Deswegen haben wir "Brooklyn, I AM" auch komplett selbst aufgenommen, um von Anfang an soundmäßig selbst die Fäden in der Hand zu haben. Mixing und Mastering hat wieder unser Produzent des Vertrauens Andrea Fusini aus Turin übernommen und wir sind super zufrieden mit dem Ergebnis. Die Platte klingt rauher, kräftiger und nicht mehr so glatt wie unser Debütalbum. Natürlich hat es auch mit dem älter werden zutun. Wir wissen jetzt eher, was wir wollen und schauen viel weniger nach links oder rechts.
 
Ihr habt euch zwei Jahre Zeit gelassen mit der neuen Platte. Wolltet ihr euch bewusst diese Zeit nehmen, oder war es eine Entwicklung, die sich innerhalb des kreativen Prozesses abgezeichnet hat?

The Satellite Year war noch nie eine Fließbandmaschine, die jährlich ein neues Album raushaut. Unser musikalischer Anspruch war und ist es keine "Lückenfüllersongs" zu schreiben. Wir müssen mit jedem einzelnen Song 100 % zufrieden sein. An künstlerischem Output mangelt es uns dabei nicht. Ich glaube wir hatten für "Brooklyn, I AM" ca. 30 Songs bzw. Songansätze stehen. Wir schreiben lieber viel und picken uns dann unsere Favoriten raus. Wir könnten mit unseren ganzen Songideen auf unserer Festplatte wahrscheinlich auf Anhieb noch drei Alben veröffentlichen (lacht).
 
Euer Album ist jetzt auch in Japan erhältlich. Wird es eine Tour in Japan geben? Und habt ihr schon die Ansagen in japanischer Sprache geübt?

Wir hoffen, dass es diesmal mit einer Tour klappt. Unser Debütalbum ist 2011 wirklich großartig in Japan gestartet. Wir hatten extrem viel gutes Feedback. Einige Tage nach unserem Release ereilte Japan im März 2011 dann die schlimme Tragödie von Fukushima. Die Bilder des Tsunamis und dem damit verbundenen Atomunfall waren erschreckend und unser Release war uns ab dem Zeitpunkt natürlich scheißegal. Wir standen fast täglich in Kontakt mit unserem damaligen Label Radtone in Tokio um uns zu vergewissern, dass es den Familien gut geht.
"Brooklyn, I AM" ist nun seit dem 24. Juni 2015 in Japan erhältlich und wir hoffen, dass wir in diesem tollen Land irgendwann auf Tour sein werden.
 
Gibt es andere Bands, die euch inspirieren und euren Sound beeinflussen? Welche sind das?

Wir sind definitiv Kinder der 2000er Emopunkbands. Seien es The Ataris, Jimmy Eat World, Taking Back Sunday, Samiam, Hot Water Music oder The Get Up Kids. Ich denke, das ist so die große musikalische Schnittmenge bei The Satellite Year. Natürlich hat dann jeder einzelne von uns noch seine eigenen Inspirationen. Von Jay-Z über Slayer bis Queen ist da alles dabei.
 
Ihr habt euer Debüt von 2011 zum kostenlosen Download freigegeben und sogar 30 Downloads eures neuen Albums verschenkt. Wie steht ihr, angelehnt daran, zu solchen Streaming-Diensten wie Spotify oder Apple Music? Da gibt es ja grade eine etwas größere Debatte drum.

Wir sehen das Thema relativ locker. Ich weiß jetzt nicht genau was Spotify und Co. den Künstlern zahlen, das müsste ich jetzt Tim von unserem Label fragen, aber du kannst ja auch die illegalen Downloads nicht verhindern. Unsere Alben stehen in der Regel immer zwei bis drei Tage nach Release auf irgendwelchen russischen Servern zum Download bereit. Wir wären natürlich immer froh, wenn die Leute unsere Musik kaufen, denn irgendwie müssen die CD-Produktionen, Merch, Videos ja auch finanziert werden, aber wir sind Realisten und wissen, dass wir illegale Downloads nicht verhindern können. Im Prinzip sind wir ja auch um jeden froh, der sich unsere Musik anhört. Man kann es ja auch anders sehen: Selbst wenn sich jemand Musik auf diesem Weg besorgt, die Band cool findet und durch den illegalen Download dann aber ein Konzert besucht, Eintritt bezahlt und dann eventuell noch ein Shirt oder 'ne CD kauft. Das ist doch dann eigentlich gut für uns Bands!? Naja, zu dem Thema gibt es viele Ansichten.
 
Abschließend: "One last dance until the music ends" heißt es in eurem Song "Jelly, Jelly, How to Survive Such A Trip". Das Video dazu gleicht einem Action-Movie à la Mission Impossible. Worum gehts in dem Song?

Im Prinzip ist "Jelly, Jelly, How To Survive Such A Trip" ein Partysong. Mir ging es eigentlich darum, den Chart-Mainstream nachzuäffen und einen Gute-Laune-Song mit "Augenzwinkern" zu schreiben. Ich mein, im Refrain heißt es sinngemäß "nichts ist besser als der letzte Tanz, bis die Musik endet, Gelee liegt auf dem Badezimmerboden". Ich wollte den Jungs damals beweisen, dass ein Ohrwurm auch mit scheinbar sinnlosem Refraintext gut ankommen kann. Erstaunlicherweise hat uns bis heute noch niemand darauf angesprochen, was für ein sinnloser Refrain in Jelly gesungen wird. Somit hab ich definitiv den Beweis erbracht (lacht). 
 
 
Vielen Dank für das Gespräch!
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Gerne! Und die Einladung zum S​chwenken steht (lacht). 

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