Interviews
12.01.2018 Julia Nemesheimer  
Schiller

Kammerelektronik

​​​​​Am 19. Januar 2018 kommt Schiller nach Trier in die Europahalle. hunderttausend.de hat sich im Vorfeld mit Christopher von Deylen unterhalten und verlost zudem in Kooperation mit S-Promotion dreimal zwei Tickets! ​

 
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​hunderttausend.de: Du kommst am 19. Januar 2018 mit Schiller nach Trier. Mit der Klangwelten-Tour seid ihr schon im vergangenen Jahr viel unterwegs gewesen und habt 50 Konzerte gespielt. Jetzt folgen nochmal 30. Wird das nicht irgendwann eintönig, so lange am Stück jeden Abend das Gleiche abzuliefern?

Christopher von Deylen: Oh nein, überhaupt nicht, denn es ist ja nicht jeden Abend das Gleiche. Es ist zwar eine ​relativ ähnliche Setlist, die wir spielen. Aber innerhalb der einzelnen Stücke, gibt es genügend Freiraum, sodass es sich ganz neu entwickeln kann und es Spielraum für eine spontane Interpretation gibt. Deswegen gleicht eigentlich kein Konzert dem anderen. Das macht es dann sehr abwechslungsreich. 

Also könnte man theoretisch auch ein Konzert von Schiller in Trier und beispielsweise Koblenz mitnehmen und an beiden Abenden etwas anderes erleben?

Ja, ich denke schon. Das sind dann zwar schon feine Nuancen, die sich dabei ändern, aber es hängt ja auch viel von der Stimmung und Atmosphäre ab. Von Menschen, die schon mehrere Konzerte gesehen haben, hab ich auch schon öfter gehört, dass sie steif und fest behaupten, wir hätten jeweils komplett unterschiedliche Songs gespielt. Dabei war es tatsächlich die gleiche Setlist. Natürlich ist bei „Das Glockenspiel" klar, dass irgendwann die charakteristischen Glockenklänge ertönen. Aber beispielsweise bei Berlin-Moskau gibt es ein musikalisches Leitmotiv, das aber auch sehr spontan und intuitiv variiert. Das macht es sowohl für das Publikum als auch für uns spannend. Danach reden wir drei oft darüber, was wie gemacht wurde und über die jeweilige Reaktion. Wenn man einen drastischen Vergleich anbringen müsste, würde ich Musicals heranziehen. Dort wird ja auf exakte Reproduktion gesetzt – was auch eine Kunst an sich ist, diese Leistung immer wieder zu wiederholen. Aber es hat doch etwas von einem Film, den man sich auch unverändert mehrmals ansehen kann. Für unsere Zwecke und solch eine Tour wäre das aber der falsche Ansatz. 

Wie bereitet ihr euch dann auf die Tour vor, also wie sehen die Proben hierfür aus? 

Ich habe über die Jahre verschiedene Modelle ausprobiert. Zeitweise haben wir uns für die eigentlichen Proben tatsächlich getroffen. Da haben wir teilweise die Stücke neu erarbeitet und auf Grund der musikalischen Gegebenheiten eines Titels mussten wir schauen, wie wir manche Stücke live umsetzen. Für die Arena-Tour war es dann teilweise sogar so, dass wir mehr Zeit geprobt haben als dass wir getourt sind (lacht). Dieses Mal haben wir die Vorbereitungen aber zeitlich sehr auseinandergezogen. Ich habe die Surround-Welt quasi neu erfunden – die sehr intensiv und raumgreifend gelungen ist. Das habe ich, genauso wie die Neuarrangements schon vorab gemacht. Meinen Mitmusikern habe ich dann gesagt, was ich mir vorstelle und das Ergebnis haben wir dann kurz vor der Tour zusammengeführt. 

Eben meintest du, dass viel bei einem Konzert von der jeweiligen Stimmung und Atmosphäre abhängt. Ihr seid auch viel international unterwegs, gerade die instrumentalen Stücke sind ja universal einsetzbar. Sind dir dabei – sei es national oder in einem anderen Kulturkreis - große Unterschiede bei der Reaktion auf deine Musik aufgefallen?

Die ist tatsächlich teilweise schon sehr unterschiedlich. Aber hierfür muss man gar nicht unbedingt ins Ausland reisen. Da erlebt man oft schon bei einem Distanz von 100 Kilometern eine grundlegend andere Reaktion. Hinzu kommt zudem noch eine zeitliche Komponente. Ein Konzert an einem Montagabend erzeugt meist auch eine andere Atmosphäre als eine Show am Wochenende. Für mich ist das oft ein bisschen verschwommen, weil sich die einzelnen Wochentage auf Tour nicht so klar abgegrenzt anfühlen.

Deine Konzerte sind ja – gerade jetzt auf der Klangwelten-Tour – bestuhlt und in einem anderen Interview las ich, dass dadurch wenige Menschen tanzen oder sich bewegen und sollte es doch mal vorkommen, auch von Securitys wieder zum Hinsetzen aufgefordert werden. Ist das ein Teil vom Konzept, dass man eher der Musik lauscht oder ist das einfach so passiert?

Im Prinzip kann – von meiner Seite aus – jeder das machen, was er möchte. Der Arbeitstitel zur Tour war "Kammerelektronik". Dabei war die Idee, elektronische Musik in klassische Konzertsäle und -häuser zu bringen. Das ist natürlich nicht in allen Städten möglich, weil nicht überall die Infrastruktur gegeben ist. Dennoch wurde dadurch beschlossen, alle Konzerte zu bestuhlen. Ich freue mich aber jedes Mal darüber, wenn die Menschen ausgelassen sind und anfangen zu tanzen. Die teils etwas übereifrigen Securitys sind dann zwar je nach Location recht schnell da und unterbinden das leider, was meistens mit Brandschutz begründet wird. Von meiner Seite aus finde ich es natürlich großartig, wenn das Publikum seinen Emotionen freien Lauf läßt und es stört mich überhaupt nicht. 

Nachdem die Tour jetzt ja schon so lange geht, noch etwas über einen Monat andauert und das ja auch eine Art Reise ist – wie geht es für dich danach weiter? Gibt es schon Pläne?

Das ist eine gute Frage. Aber es gibt zwei Dinge, auf die ich mich freue. Einmal besteht die Möglichkeit, dass ich noch weitere Konzerte im Iran spielen darf. Dort war ich ja vergangenen Dezember erstmals und die Resonanz war so gut, dass wir das wohl fortsetzen können. Und weiterhin habe ich bereits angefangen, an einem neuen Album zu arbeiten. Was ja in sich auch schonmal eine Reise ist – und der werde ich sicherlich flankierend auch wieder ein generelles Unterwegssein anheften. Wohin und ob mit einem oder mehreren Zielen sei erstmal dahingestellt, das wird sich spontan entscheiden. Jetzt kann ich noch nichts planen, aber das sehe ich auch als eine gewisse Freiheit. Verbunden mit der Abwesenheit eines "Basislagers" ist das sehr stimulierend. 

Dazu direkt zwei Nachfragen: Erst einmal wie kam es überhaupt dazu, dass du in Teheran spielen durftest? Ich habe gelesen, dass du der erste westliche Popmusiker bist, der dort seit 39 Jahren auftreten durfte. 

Das gehört zu diesen wirklich magischen Momenten, die man sich gar nicht wünschen oder in den kühnsten Träumen vorstellen kann. Aber es gibt wohl seit einigen Jahren eine sehr aktive Fanbase im Iran. Ich hab das in Kommentaren bei Social Media Plattformen zwar mitbekommen, aber das reichte ja nicht aus, um daraus jetzt ein größeres Bild abzuleiten. Aber vor einigen Jahren gab es die Anfrage von einem Konzertveranstalter aus dem Iran. Jetzt bekommt man ja öfter Mails mit teils obskuren Konzertanfragen aus diversen Ländern. Die meisten verlaufen sich irgendwann im Sande. Aber diese Anfrage hielt sich recht hartnäckig, wenn auch mit längeren Pausen. Und letztes Jahr im August gab es dann konkrete Termine und auch die jeweiligen Genehmigungen lagen letztendlich vor. Ich war zwar immer noch sehr vorsichtig in meiner Vorfreude, auch weil ich ja niemanden nach Erfahrungswerten fragen konnte. Aber nachdem das erste von fünf Konzerten so reibungslos und auch wunderbar über die Bühne ging – da war es einfach nur noch Gänsehaut pur für die restlichen Tage. 

Dann an dieser Stelle schonmal alles Gute für die kommenden Konzerte. Das klingt wirklich spannend und beeindruckend. Aber zur zweiten Nachfrage: Du landest quasi seit deinem Durchbruch 2001 immer auf den vorderen Plätzen der Charts, die meisten Alben schaffen es auf Platz eins. Gibt das mehr Druck für kommende Platten oder nimmt das auch ein wenig davon weg?

Perfider Weise – sobald man anfängt, sich ambitioniert Mühe zu geben, heißt das nicht automatisch, dass das Ergebnis auch vielen Menschen gefällt. Man sollte aufpassen, dass man die Anstrengung, die man instinktiv unternimmt damit das Ergebnis zumindest passabel klingt, der Musik nicht angehört wird. Die Dinge gelingen stets dann am besten, wenn man eigentlich gar nicht drüber nachdenkt, sondern einfach macht. Das ist natürlich schwer zu simulieren und man kann sich auch nicht partiell hypnotisieren, damit man quasi vergisst, dass man gerade an einem neuen Album arbeitet (lacht). Man muss dafür eine ganz spezielle Stimmung finden, damit die Musik nicht ihre Unschuld verliert. Das muss man irgendwie erreichen und ich denke, das ist auch etwas, dass das Publikum dann auch spürt. 

Gemäß dem Fall, du könntest jetzt keine Musik mehr machen. Wie wolltest du dich alternativ ausdrücken?

Bilder! Da muss ich gar nicht länger drüber nachdenken. Seien es bewegte Bilder oder Fotografien. Da wäre ich nicht sonderlich wählerisch, weil mir beides viel Spaß macht. Ich nutze auch gerne jeden Vorwand, um mich visuell auszudrücken. Auch bei der Tour jetzt gibt es eine riesige Leinwand auf der alles, was an Filmen gezeigt wird von mir selbst gemacht wurde. Das hat zwar viel Zeit gekostet und ich musste viel lernen. Aber es hat mir eine weitere Möglichkeit geboten mich auszudrücken. Insofern hoffe ich, dass ich, sollte jemals mein Gehör nicht mehr mitmachen oder ich anderweitig keine Musik mehr machen könnte, ich wenigstens noch meine Sehkraft behalte und mich so ausdrücken kann. 

Dann sind wir schonmal gespannt, wie deine visuellen und akustischen Machenschaften in Trier wirken werden und wünschen dir viel Erfolg bei der anstehenden Tour! Vielen Dank für das Gespräch. 

Tickets für das Konzert gibt es ab 49,90 Euro im Vorverkauf. 

Foto: ​Thomas Rabsch

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