Stadtgespräch
12.04.2015 Vincenzo Sarnelli Vincenzo Sarnelli
FSV Trier-Tarforst Rugby

"The Pain will teach you"

​​Wenn Richard und Daniel über ihren Sport sprechen, dann merkt man ihr Feuer, ihre Leidenschaft. Nach dem Training sind ihre Knie und Arme komplett verdreckt. Ihrem Körper wurde während des Trainings einiges abverlangt. Denn die beiden spielen Rugby. hunderttausend.de hat sie beim Training beobachtet.

 
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Das Spiel mit dem Ei, bei dem es um Versuche geht und um Schmerzen. Die gehören nämlich einfach dazu. Rugby, vor allem in England und Australien beliebt, ist hierzulande eher unpopulär. Dennoch finden sich beim Training der Rugby-Abteilung des FSV Trier-Tarforst rund 30 Personen ein. Auffallend: Zu Beginn des Trainings stehen auch Leute am Rand, die heute eigentlich gar nicht trainieren. Ein erster Hinweis darauf, dass die Rugby-Gemeinschaft eine eingeschworene ist. 

Der Sport ist komplex. Zu komplex, um in kurzer Zeit erklärt zu werden: Grundsätzlich darf nur nach hinten gepasst werden. Die Spieler versuchen, den Ball durch Tragen, Kicken und Passen in die gegnerische Endzone zu tragen und damit einen Versuch zu erzielen. Klingt einfach, ist aber eine taktische und logistische Leistung, die es erstmal zu erbringen gilt. Jede und jeder, der zum ersten Mal ein Rugby-Spiel oder Training besucht, ist erschlagen von dem vielen Gewusel und Gerenne auf dem Feld. Es fällt schwer, dem Ball zu folgen, auch weil auf dem Feld viel zu viel passiert. Oft wird der Ball schnell weiter gepasst, die Spieler kreuzen ihre Wege, hier ein Tackle, da ein Brawl, nur durch Pfiffe der Schiedsrichter unterbrochen. 

Die Geschichte des Trierer Rugbys geht zurück in die siebziger Jahre und hängt wohl eng mit der Neu-Gründung der Universität zusammen. Und der Sport ist bis heute hier verhaftet. Daniel, Präsident und Organisationstalent des Rugby Trier, ist leidenschaftlich im Einsatz für seinen Sport: "Wenn du zum ersten Mal die Hürde überwunden hast und in diesen Sport eingetaucht bist, dann bleibst du dabei", schwärmt er, "Aber man muss auch bereit dafür sein und sich darauf einlassen". Während des Trainings wird schnell klar, was er meint. 

Bei aller Taktik und Technik, die das Spiel erfordert: Härte ist das, was es ausmacht. Hier knallen reihenweise die Körper aufeinander, es wird gedrückt, gezogen, geklammert und getacklet. Man muss definitiv einstecken können. "Und wenn du es nicht kannst, ist hier der Ort, um es zu lernen", ergänzt Richard. Für die beiden stellt das auch den gewissen Kick dar: "In diesem Spiel gehst du zu Boden und stehst wieder auf und weiter gehts. Bei den ersten Malen ist das noch hart, aber irgendwann lernst du es. The pain will teach you, eben."Auf die Frage nach Verletzungen zucken beide mit den Schultern, außer mal blaue Flecken und Prellungen sei ihnen noch nichts Schlimmes passiert. Grundsätzlich zeigt auch die Statistik, dass Rugby nicht mehr Verletzungen hervorruft als Fußball oder Handball. Die Technik ist die Grundlage zum Selbstschutz. Deshalb wird Neulingen erstmal alles von der Pike aus beigebracht. Auch der Teamzusammenhalt ist besonders wichtig, um Verletzungen zu vermeiden. "Du musst dich hier auf den anderen verlassen können, das ist schon wichtig, weil wir ja nur nach hinten passen können und da keine Augen im Kopf haben. Jeder muss da stehen, wo er stehen soll." 

Dafür wichtig ist Kommunikation, auf dem Feld und auch daneben. Es wird gerufen, motiviert und angefeuert. In einem absolut übermäßigen Maße. Auf dem Feld ist es richtig, richtig laut. Kein Vogel traut sich auch nur ansatzweise in die Nähe des Feldes, während das Training stattfindet. Nichts von Waldidylle, im ehrwürdigen Rund des Waldstadions Trier. Angesprochen auf ihr Frauenteam grinsen Richard und Daniel: "Niemand braucht glauben, dass es bei denen in Sachen Härte oder Kommunikation irgendwie anders zugeht. Zuschauer sollten ihre Klischees alle zuhause lassen." 

Beim Rugby treffen viele Dinge aufeinander: Der harte Individualismus, wenn du im Dreck liegst, hart getroffen von einem Gegner, einzig darauf bedacht, den Ball mit deinen Füßen deinen Leuten zukommen zu lassen und das Team, dass sich schützend über dich wirft und dir nach dem Spielzug wieder aufhilft, sich für dich gegen die Gegner wirft und als Einheit schiebt und drückt, was das Zeug hält. Oder aber die leichtfüßige Technik, wenn sich ein Spieler mit Schnelligkeit und Drehungen, Finten, Täuschungen durch die Reihe der Gegner tanzt, dann aber kurz vor dem Ziel von einem richtig harten Tackling zu Boden geworfen wird. Und nicht zuletzt kollidiert miteinander, dass das Treiben auf dem Feld keinen wirklichen Regeln zu folgen scheint und eher anarchisch strukturiert wirkt, aber der Respekt für Mannschaft, Gegner und Schiedsrichter in kaum einem anderen Sport höher ist. Meckereien sind auf dem Platz verpönt. Nur der Kapitän darf überhaupt mit dem Schiedsrichter sprechen. Insgesamt ist die Position des Refs besonders mächtig. Das liegt daran, dass bestimmte Situationen in Auslegungssache entschieden werden. Es gibt im Rugby zwar auch Regeln, diese sind aber eher wie Gesetze zu sehen, die je nach Lage mal etwas weiter oder strenger ausgelegt werden können. So ist selten ein Spiel wie das andere. 

Auch nach dem Spiel bleibt die Schizophrenie des Sports sichtbar. Die Mannschaften verschwinden verdreckt und abgekämpft in die Kabinen, kommen aber absolut gestriegelt in Hemd und Krawatte wieder raus. Auf dem Platz wild, nach dem Spiel Gentleman. Ungeschriebenes Gesetz beim Rugby Trier. 

Sicher ist: Das Mantra der Härte des Sports macht den Sport besonders: "Aut Viam Inveniam Aut Faciam​ - Entweder ich finde einen Weg, oder ich bahne mir einen." Diesen Spruch tragen die Trierer in ihrem Logo. Und auf ihrer Haut, nach jedem Spiel.

Nächstes Heimspiel: ​​​Samstag, 18. April, gegen ​​BSC Offenbach (ab 14:00 Uhr im Waldstadion Trier).

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