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11.11.2022 hunderttausend.de  
rainy days 2022

"Out of this World"

​​​​Das Festival rainy days zieht es 2022 hinaus aus unserer Welt in ferne, utopische und imaginäre Sphären – ganz nach dem Motto «out of this world».

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​Vom 15. bis zum 27. November lädt das Festival das Publikum in 22 Konzerten, Performances und Installationen dazu ein, nicht nur klangliche Welten jenseits der unseren zu erleben.

Wie kaum eine andere Kunst vermag Musik, uns in andere Universen zu versetzen oder diese sogar neu zu erschaffen. Die zeitgenössische Musik hat es schon immer zum Ziel gehabt, neue Klangwelten zu erfinden oder zu entdecken. Die Mittel, derer sich Komponistinnen und Komponisten dazu bedient haben, reichen von avancierter
Technologie über ungewohnte Spieltechniken bis zu schlicht wilder Imagination.
Das Festival bietet dem Publikum spirituelle Orgel- und Orchesterkosmen, digitale Datenreiche, traumgleiche Reisen durch virtuelle Realitäten, immersive Körperwelten, eigenwillige Vokalgefilde, poetische Puppenräume oder Klänge von Vogelstimmen, Wäldern, schmelzenden Gletschern und aus dem Weltall…

Das Festivalprogramm
Um spirituelle und mystische Klangwelten bereichern Sofia Gubaidulina und Arvo Pärt die Musikwelt seit Jahrzehnten. Für das Pre-Opening der rainy days verbinden der Perkussionist Christoph Sietzen und der Organist Christian Schmitt Werke der beiden unter anderem mit Kompositionen der Schwedin Andrea Tarrodi und «dem Anfang und Ende aller Musik», Johann Sebastian Bach. Im Théâtre des Capucins eröffnet das Musiktheater Subnormal Europe das Festival. In dieser Performance über Meilensteine der Geschichte der auditiven und visuellen Medien wird die Sängerin Noa Frenkel zunehmend in ein Live-3D-Videospiel versetzt, das die Macht der Daten-Reizüberflutung unserer Gegenwart ästhetisch virtuos auf die Bühne bringt. Der Komponist Georges Aperghis erschafft wiederum in Zeugen mit Handpuppen von Paul Klee und Texten von Robert Walser ein poetisch-intimes Musiktheater, in dem die Zeugen in fein-ironischer Art von sich, ihren Geschichten und Ideen erzählen.

Dem Komponisten Helmut Lachenmann verdankt die zeitgenössische Musik eine ihrer originellsten und wirkungsreichsten Klangwelten. Fast 60 Jahre liegen zwischen seinem ersten und seinem jüngst uraufgeführten, zweiten Streichtrio, die im Konzert des Ensemble Recherche nacheinander erklingen, kontrastiert von einem neuen Werk des in Luxemburg aufgewachsenen Chris Swithinbank und einem Stück der Finnin Kristine Tjøgersen, das von Unterwasseraufnahmen singender Fische inspiriert ist. Das All-Star-Trio von Pierre-Laurent Aimard, Jean-Guihen Queyras und Mark Simpson erweist Lachenmann seine Hommage mit einem Portraitkonzert des Komponisten.

Das Festival wendet sich auch an Cineasten: Im Jahre 1930 schuf der ukrainische Regisseur Alexander Dowschenko den Stummfilm Semlja (Erde). Als Meilenstein des Sowjetkinos und zeitlos bewegendes Dokument zugleich zeigt der Film den Konflikt zwischen der kommunistischen Jugend in einem kleinen ukrainischen Dorf und der Tradition der Großgrundbesitzer. Der russische Komponist Alexander Popov schrieb 1997 eine neue Musik zu dem Klassiker, die im Rahmen des Festivals am 20.11. in Luxemburg ihre europäische Erstaufführung erlebt.

Klänge als Geschöpfe mit einem Eigenleben – dieser Idee folgt Francisco López in seiner immersiven Performance, in der er Samples aus seinem großen, persönlich aufgenommenen Archiv live auswählt, mixt und die Klanggeschöpfe direkt mit dem Raum interagieren lässt. Der Künstler Thomas Ankersmit wird zweimal zu erleben sein: In seinem Tribut an die Künstlerin Maryanne Amacher, die eine Pionierin darin war, durch ihre Musik ungeahnte, körperliche immersive Erfahrungen auszulösen, verwandelt er nicht nur die Architektur des Philharmonie-Foyers, sondern auch das Publikum in klingende Körper. In seiner zweiten Performance schickt er durch die Räume des Casinos Klänge, mit denen er radikale Vereinfachung anstrebt: statt auf Samples und digitale Effekte setzt Ankersmit ganz auf die Möglichkeiten eines analogen Synthesizers.

Am letzten Festivalwochenende entführt die Sopranistin Juliet Fraser das Publikum mit drei für sie und Elektronik komponierten Werken in eigenwillige Klanggefilde und präsentiert Vokalkunst höchster Virtuosität ganz am Puls unserer Zeit. Von Vogelstimmen über das Schmelzen der arktischen Eisressourcen bis zur schwedischen Volksmusik reichen die Inspirationen, aus denen die Komponistinnen des Violin-Recitals von Karin Hellqvist schöpfen und ein ganzes Panorama zeitgenössischer Violinmusik schaffen. Der französische Komponist Gérard Grisey war zeitlebens fasziniert von den Gesetzen des Weltalls und den Möglichkeiten, es hörbar werden zu lassen. 1989 nahm er Pulsare – das sind rotierende Neutronensterne, deren magnetische Wellen in Schallwellen umgewandelt werden können – als Ausgangspunkt von Le Noir de l’Étoile, einer einstündigen Komposition für sechs im Raum verteilte Perkussionist*innen, die inzwischen zu einem Klassiker der neuen Musik geworden ist. Grisey schuf sie für Les Percussions de Strasbourg, die das monumentale Werk im Abschlusskonzert von rainy days nun erstmals in Luxemburg aufführen. Traditionell klingt das Festival mit dem Bal contemporain aus.

Luxemburgische Künstler
Nach der legendären Produktion Black Mirror mit United Instruments of Lucilin in der Gantebeensmillen 2016 kehrt Alexander Schubert zurück mit der immersiven Installation Sleep Laboratory, einer traumgleichen Reise durch virtuelle Realitäten.
In seiner Klanginstallation und dazu gehörigen, halbstündigen Performance Just when I thought I’d know you spielt der luxemburgische Künstler Patrick Muller mit den Eigenheiten des architektonisch wie akustisch so reizvollen Foyers der Philharmonie und lädt dazu ein, diesen besonderen Raum neu zu erkunden und zu erleben.
Die Noise Watchers warten mit Uraufführungen von neuen Werken zweier ihrer Gründerväter auf und teilen sich den Klangraum der Salle de Musique de Chambre mit den Schlagwerkern von Percussion Under Construction.

OPL, Contemporary Music Academy und Programm für das junge Publikum
In seinem Konzert kontrastiert das Orchestre Philharmonique du Luxembourg aktuellste Orchesterwelten, nämlich ein neues Werk von Mark Andre, eine Klangexplosion von Milica Djordjević und musikalische Gedanken über Dekolonisierung von George Lewis, mit Younghi Pagh-Paans wiederzuentdeckender Hommage an die Schöpfungskraft von Frauen in der koreanischen Volkskultur.

In Zusammenarbeit mit neimënster und United Instruments of Lucilin findet erstmals eine in Luxemburg einzigartige Akademie statt, die sich an professionelle Instrumentalist*innen richtet. Gemeinsam mit den Musiker*innen von Lucilin werden diese ein Programm zeitgenössischer Kammermusikwerke einstudieren. Die Akademiewoche ist geprägt von Proben im Gruppenkontext sowie von spieltechnischen Einzel-Coachings durch Mitglieder des Ensembles.
Im Workshop «Wie klingen die Sterne?» können Kinder und Jugendliche in die Rolle des Komponierenden schlüpfen und eigene musikalische Ideen entwickeln. In Begleitung von Profimusiker*innen begeben sie sich auf eine interstellare Entdeckungsreise und lassen im Abschlusskonzert ihre neuen Kompositionen erklingen.

An Kinder im Alter zwischen sieben und 12 Jahren richtet sich die interaktive Performance «Dans la forêt / Am Bësch», die von der Philharmonie in Kooperation mit der Elbphilharmonie Hamburg, Festival Musica Strasbourg, Ultima Festival Oslo, The Momentary und Wien Modern in Auftrag gegeben wurde. Die Produktion mit Musik und eigens dafür gezeichneten Comics, die von dem New Yorker Ensemble Yarn/Wire und Elsa Rauchs präsentiert wird, entführt in einen Wald voller besonderer Klänge, in dem auch die Kinder Klänge erfinden, entdecken und sammeln können.

«out of this world» präsentiert
Ensemble Musikfabrik, Ensemble Recherche, Noise Watchers, Orchestre Philharmonique du Luxembourg, Percussion Under Construction, Les Percussions de Strasbourg, United Instruments of Lucilin, Yarn/Wire, Pierre-Laurent Aimard, Thomas Ankersmit, Juliet Fraser, Noa Frenkel, Karin Hellqvist, Salome Kammer, Francisco López, Brad Lubman, Jean-Guihen Queyras, Elsa Rauchs, Christian Schmitt, Christoph Sietzen, Marcus Weiss…

Mit Uraufführungen und neuen Werken von
Mark Andre, Newton Armstrong, Carola Bauckholt & Karin Hellqvist, Nwando Ebizie, Óscar Escudero & Belenish Moreno-Gil, Helmut Lachenmann, Liza Lim, Patrick Muller, Alexander Schubert, Arthur Stammet, Chris Swithinbank, Andrea Tarrodi, Øyvind Torvund, Laurent Willkomm…

rainy days 2000–2022
Das Festival rainy days wurde im Jahre 2000 von einer Gruppe von Musiker*innen und Komponist*innen um Claude Lenners und Guy Frisch ins Leben gerufen mit dem doppelten Ziel, die luxemburgische neue Musikszene nach außen hin sichtbar zu machen und das internationale Geschehen in diesem Bereich in Luxemburg zu präsentieren. In den 22 Festivaljahrgängen bis zur aktuellen Ausgabe legten die rainy days eine beachtliche Entwicklung zurück, dank derer das Festival heute europaweit hoch angesehen ist. Dabei ist es seinem Gründungsgedanken treu geblieben: Jahr für Jahr sind bei den rainy days international anerkannte Künstlerinnen und Künstler zu Gast, um spannende und visionäre Projekte zu präsentieren. Zugleich zeigt es das aktuelle Musikschaffen aus der Region. Von 2005 bis 2016 wurde das Festival von Bernhard Günther kuratiert. Mit der diesjährigen Ausgabe verabschiedet sich Lydia Rilling, die das Festival seit 2016 geleitet hat und es nun an Catherine Kontz übergibt.

Tickets gibt es hier.​



Text und Bild: Philharmonie Luxemburg







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