Interviews
19.10.2018 Jana Ernst  
Radio Havanna

Faust Hoch!

​​​​​Die Polit-Punk Band Radio Havanna ist im November mit der neuen Platte Utopia​ auf Tour unterwegs. Dabei machen die Jungs aus Thüringen auch in Saarbrücken Halt. hunderttausend.de hat sich vorab mit Gitarrist Arni über die Bandgeschichte, politisches Engagement und seine Utopie unterhalten.​

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​hunderttausend.de: Im November geht ihr mit eurem neuen Album Utopia wieder auf Tour. Wie sieht denn eure Tourvorbereitung aus?

Arni: Ja, also wir versuchen manchmal zu proben. (lacht) Wir ändern im Laufe der Tour natürlich immer mal wieder was an der Setlist. Auf den Konzerten, die wir schon gespielt haben, versuchen wir auch auszuchecken „Was kam gut an? Was kam nicht so gut an?“. So wird unsere Setlist hoffentlich jedes Mal besser.​

Euer neues Album heißt Utopia, genau wie auch der Titeltrack. In dem Song singt ihr von dem Tag, an dem endlich die Utopie beginnt. Wie sähe es denn in eurem persönlichen Utopia aus?

Ich glaub das ist bei jedem von uns eine relativ individuelle Sache, aber für mich persönlich wäre es eher mit grundsätzlichen Dingen verbunden: es gibt keine Rassisten mehr und Menschen, die in diesem Utopia leben, können so sein wie sie wollen und müssen sich keine Sorgen mehr darum machen, permanent Geld zu erwirtschaften. Und dass sich viele tausend kleine Dinge einfach erübrigen. Damit alle Menschen entspannt und gut miteinander leben können.

Dazu passt ja auch euer Song Schwarzfahrer: „Denn öffentlicher Nahverkehr ist nur kostenlos für alle fair.“ Der ganze Text hört sich ganz so an als würdet ihr aus Erfahrung sprechen.

Also ich glaube man kann sagen, dass jeder von uns nicht nur einmal erwischt wurde. (lacht)

Notbremse aber noch nicht gezogen?

Nein, das noch nicht! Ich glaube sowas ist auch echt teuer!

Jetzt mal zu einem anderen Thema: Ihr habt schon 16 Jahre Bandgeschichte und sechs Alben hinter euch und für Utopia sogar ein eigenes Plattenlabel gegründet. Hättet ihr mal geglaubt so erfolgreich zu werden?

Unsere Band ist, glaube ich, ein bisschen anders als andere Bands. Wir haben uns als Freunde kennengelernt und dann einfach entschieden, wer welches Instrument spielt. Das war weit weg davon, dass wir professionelle Platten veröffentlichen und auf großen Festivals spielen dürfen. Bis dahin war es auch echt ein weiter Weg. Viele Jahre lang hingen wir einfach im Proberaum rum und fanden es cool zusammen zu sein, Bier zu trinken und 'ne gute Zeit zu haben. Dass das überhaupt Fahrt aufgenommen hat, ist ja noch gar nicht so lange her. Ich würde sagen, das ist erst 2012 mit Alerta passiert. Das ist sowieso eine eher untypische Bandkarriere. Heute bringt eine neue Band schnell mal eine EP raus, dann wird getestet, ob die schon hip ist oder nicht. Wenn es hip ist, wird schnell ein Album hinterhergehauen und dann wird es ganz schnell groß oder es findet nie statt. Wir haben diesen Businessansatz aber nie gehabt. Wir sind immer noch in der gleichen Besetzung wie schon von Anfang an und für uns geht es nur darum, als Kumpels Musik zu machen. Ich glaube, das ist einfach eine andere Mentalität.

Also ist die Freude an der Musik für euch bis heute geblieben?

Ja, schon. Immer wenn wir merken, dass es an einem Punkt nervig und anstrengend wird, versuchen wir bewusst die Dinge zu machen, auf die wir einfach Bock haben. Die machen vielleicht nicht immer so viel Sinn, aber dafür extrem viel Spaß. So versuchen wir das Ganze immer am Leben zu erhalten.

Gerade habt ihr auch die Kampagne „Faust hoch – Gegen die AFD“ gegründet. Ist das auch ein Projekt, das euch im Laufe der Zeit einfach zufiel?

Naja, dass wir überhaupt so politisch sind, das entspringt ja eher dem, dass wir aus einer Kleinstadt in Thüringen kommen. Dort hatten wir immer wieder Kontakt mit vielen Nazis, auch mit der heutigen NSU-Zelle, die damals dort marschiert ist. Da war immer viel los und wir haben schon immer versucht aktiv gegen Rechts zu sein. Bei der letzten Platte, Utopia, wars tatsächlich so, dass wir den Song Faust hoch aufgenommen haben und dann meinte unser Schlagzeuger: „Eigentlich müssten wir doch eine Kampagne gründen, die ‚Faust hoch' heißt und sich ganz aktiv gegen die AFD wendet.“ Wir dachten alle: „Ja Mann, das müssten wir eigentlich schon seit tausend Jahren machen!“ (lacht) In dem Sinne fiel es wirklich auf uns zu. Gegründet haben wir die Kampagne im Sommer 2017.

Und was genau macht ihr bei „Faust hoch“?

Wir versuchen aufzuklären. „Faust Hoch“ ist erstmal ein Bündnis von Musikern, es haben sich auch renommierte Acts wie Maxime, Irie Révoltés, ZSK oder Anti-Flag dafür stark gemacht. Insgesamt sind wir mittlerweile über 100 Künstler und Musiker. Wir kooperieren mit einer Stiftung und versuchen aufzudecken: Die AFD hat es ja irgendwie geschafft bürgerlich zu wirken, obwohl sie eigentlich extrem radikal und extrem gefährlich ist. Die einzelnen Punkte – warum sie so gefährlich ist, warum sie so radikal ist und warum sie keine demokratische Partei ist – versuchen wir immer wieder rauszuarbeiten. Diese Sachen posten und teilen wir, sind mit Ständen und Flyern auf Festivals vertreten und machen Aktionen mit anderen Bands. Morgen (am 13.10.2018, Anm. d. Red.) ist in Berlin eine große Demo. Die heißt „Unteilbar“, dort spielt zum Beispiel Herbert Grönemeyer. Wir sind mit der Kampagne auch dort unterwegs und haben Banner und Infomaterial dabei.

Wir wünschen euch viel Erfolg mit eurer Arbeit bei „Faust hoch“! Um aber nochmal auf die Band zurück zu kommen: In den letzten Jahren hat sich euer Sound deutlich verändert und mit Utopia seid ihr zum ersten Mal sogar in den Charts. Wie sind denn da die Reaktionen ausgefallen?

Als herauskam, dass die Platte gechartet ist, haben wir das als Band zwar gleich erfahren, aber es bedeutet uns tatsächlich sehr wenig. Wir haben gar nicht daran gedacht, das in irgendeiner Weise zu teilen. Nachdem uns dann aber ungelogen vier, fünf Stunden lang Leute angerufen und beglückwünscht haben, war klar, dass es die Leute schon bewegt. Wir haben uns dann sehr schwer getan einen Wortlaut zu finden, der unsere Einstellung ein bisschen beschreibt: dass das nichts ist, was uns sehr viel bedeutet. Uns bedeutet es viel mehr ein gutes Konzert mit coolen Leuten zu spielen. Ich verstehe schon, dass das für viele ein Messbarkeits-Ding ist. Trotzdem ist es für uns eher eine abstrakte Zahl und wir können nur teilweise etwas damit anfangen. Dadurch, dass sich so viele Leute gefreut haben, haben wir uns natürlich auch gefreut. So viele Leute, die das mitverfolgt haben, die man manchmal gar nicht auf dem Schirm hatte, und die einen dann beglückwünschen und sagen: „Ach geil, dass ihr es dorthin geschafft habt!“. Das fand ich schon cool.

Also waren die Reaktionen auf Utopia durchweg positiv? Oder gab es auch alteingesessene Fans, die damit nichts mehr anfangen können?

Ich habe tatsächlich gar nichts mitbekommen, was mich extrem gewundert hat. Ich hätte es total verstehen können, wenn jemand schreibt: „Das finde ich jetzt nervig. Darauf habe ich keinen Bock.“ Aber ich habe in der Richtung gar nichts gelesen, nicht auf Facebook, Twitter oder Instagram und ich habe auch keine E-Mail in der Richtung bekommen. Das fand ich auch krass.

​Danke für das Gespräch, ​viel Spaß bei der kommenden Tour und natürlich vor allem am ​​17. November in Saarbrücken!​ 

​​Tickets für die Tour und ​​Merch von Radio Havanna gibt es hier​.​ 

Foto: Viktor Schanz​​​​​

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