Interviews
18.11.2016 Julia Nemesheimer  
Max Claessen

Das Theater geht um Gegenwart

​Am kommenden Dienstag feiert das Stück "Pura Vida" des jungen Autoren Luc Spada im Kapuzinertheater Premiere. hunderttausend.de hat im Vorfeld mit Regisseur Max Claessen gesprochen.

 
Image
hunderttausend.de: "Pura Vida" begann als Auftagsarbeit und war zunächst in Saarbrücken im Rahmen des TalentLab 16 zu sehen. Jetzt kommt das Stück in ausgearbeiteter Form nach Luxemburg. Wie kam es dazu, dass Sie die Regie übernommen haben?
 
Max Claessen: Vor zwei Jahren etwa habe ich auf der Studiobühne im Luxemburger Grand Théâtre „Das Scheißleben meines Vaters, das Scheißleben meiner Mutter und meine eigene Scheißjugend“ nach der Romanvorlage von Andreas Altmann in der Bearbeitung von Oliver Kluck aufgeführt habe. Das Stück war sehr erfolgreich und im Frühjahr dieses Jahres folgte im Kasemattentheater „Möglicherweise gab es einen Zwischenfall“. Danach rief mich Ben Bauler an und fragte, ob ich nicht „Pura Vida“ inszenieren wolle. Nach der Lektüre sagte ich direkt, dass wir das machen. Durch meine Arbeit, der ich ja auch in Saarbrücken nachgehe, kenne ich Christoph Diem sehr gut und so ist diese Zusammenarbeit entstanden.
 
Sie sind 1978 geboren und damit gerade mal sieben Jahre älter als der Autor Luc Spada. Ist es für Sie persönlich ein Vorteil gewesen, sich in einer ähnlichen Generation zu befinden, als Sie das Stück bearbeitet haben?

Ich glaube, dass ich schon eine andere Generation bin als Luc Spada, kann ihn aber verstehen, in seiner Wut und seinem Versuch, sich auszudrücken, dem Scheitern der Figuren. Aber ich sehe mich doch ein wenig älter und bin auch ganz froh, dass ich auf das Stück und die Themen einen gewissen Draufblick habe, aber mich immer noch damit identifizieren kann.
 
Worauf legen Sie bei der Inszenierung besonders viel Wert?
 
Auf den Inhalt natürlich. Aber das Inszenierungskonzept ist, dass mich die Sprache Luc Spadas sehr an postmoderne Texte erinnert hat. Dadurch tauchten bei mir Stichworte auf wie Theaterkünstler wie Rene Pollesch, Herbert Fritsch oder Frank Castorf, die zwar eine ganz andere Generation sind, aber noch immer aktuell sind. Und die Worte, die Sprache, die Art des Witzes führten zu Parallelen und insofern war mir die Ästhetik wichtig, das Spiel damit. Das Spiel geht ja um den Versuch, ein Theaterstück aufzuführen und so bemühen wir uns mit vielen Mitteln zu arbeiten, um deren Vergeblichkeit und die Sehnsucht der Figur Valentins nach großer Kunst zu verdeutlichen, die natürlich auch unsere eigene Sehnsucht ist.
 
Was erwartet die Zuschauer? Erste Bilder und die Zusammenfassung lassen ja eher auf ein zeitgenössisches Stück für die Generation Y schließen.
 
Ich weiß nicht, was die Generation Y ist, aber natürlich ist es ein zeitgenössisches Stück, schließlich lebt der Autor noch. Auch ein Stück von Peter Handke wäre ein zeitgenössisches Stück. Und so nutzen wir auch eine zeitgenössische Ästhetik und versuchen, wie ich das immer mache, egal ob ich Shakespeare inszeniere oder den Text eines jungen Autors, das Werk in die Gegenwart zu ziehen und dort verständlich zu machen. Denn das Theater geht um Gegenwart und der zentrale Moment ist das hier und jetzt, dort findet es statt. Und das umzusetzen ist jedes Mal der große Versuch.
 
Bei der Werkstattinszenierung führte noch Christoph Diem Regie. Hatte dies auf Ihre Arbeit Einflüsse?

Ja, in jedem Fall. Es wird ganz anders, wir haben ganz andere finanzielle und auch zeitliche Mittel. Wir haben fünf Wochen insgesamt an dem Stück geprobt. Ich fand es auch toll, das Stück in einer ganz anderen Handschrift zu sehen. Dadurch habe ich einen ganz anderen Zugang zu „Pura Vida“ bekommen. Es hat mir geholfen, zu verstehen und die Figuren zu verfolgen, die Inhalte und deren Willen. Das konnte man alles in der Aufführung von Christoph Diem sehr gut sehen. Und jetzt machen wir das. Nur komplett anders.
 
Im Stück ist der Ausgangspunkt ja, dass Vincent es am Theater nicht schafft mit seinem eigenen Werk. Inzwischen blicken Sie ja auf eine gut gefüllte Vita mit Inszenierungen an einigen Häusern zurück. Ist Ihnen solche Ablehnung auch schon entgegengekommen?
 
Auf jeden Fall. Das erste Mal, als ich mit 21 an einer kleinen Studiobühne der Universität Erlangen etwas aufgeführt hatte, hörte ich am Kaffeeautomaten nach dem Stück zufällig von einer Bekannten den Satz „Jede Aufführung ist so gut wie der schlechteste Schauspieler“ und das sitzt bei mir noch bis heute wie ein Messer. Ich lerne, dass man Kollegen direkt nach der Aufführung erstmal gratuliert und steckt dort so viel Herzblut hinein, dass man mit der Kritik erst einmal ein wenig warten muss. Man ist danach ja fast schon offen und wund, da sollte man nicht direkt hineinstochern, sondern damit noch ein wenig warten, damit kann man Menschen sehr verletzen. Oft ist das auch bei Kritiken und Zeitungen so, deren unfaire, teils beleidigende Texte wirklich weh tun können. Insofern kenne ich diese Ablehnung genauso wie den Wunsch nach Erfolg und den, sich auszudrücken, womit man sich sehr öffnet.
 
Für wie wichtig halten Sie dieses Format, TalentLab? Gerade in Luxemburg wird Kunst ja enorm gefördert, kennen Sie dies auch aus anderen Häusern?
 
Ja, an diversen deutschen Theatern kennt man ähnliche Formate, beispielsweise die AutorenTheaterTage. Das ist ein reiner Autorenabend, mit Jury und an einem Abend werden dann drei Werkstattaufführungen gemacht und Inszenierungen aus anderen Häusern gezeigt. Das ist natürlich ein ganz großes Festival, aber ich halte es insgesamt für sehr wichtig. Mit dem TalentLab ist es ja offener gestaltet. Es geht hier nicht nur um Texte, sondern auch um Regiekonzepte oder andere künstlerische Komponenten, das kennt man in Deutschland weniger.
 
In letzter Zeit arbeiten Sie viel hier in der Region, in Luxemburg und dem Saarland. Was zog und hält Sie hier?
 
Der gute Wein (lacht). Das sind einfach Zufälle, die über viele verschiedene Menschen hierher geführt haben. Und so kommt eins zum anderen und ich bin hier in dieser schönen Weinregion gelandet, obwohl ich abends auch mal gerne ein Diekirch mit den Kollegen trinke. 

Zum Stück: 

Valentin will schreiben doch kommt nicht vom Fleck: Sein Stück wurde abgelehnt und nun veröffentlicht er sich selbst mit einem brisanten Blog im Netz. Was anfangs nach Erfolg aussieht entwickelt sich jedoch schnell zum Alptraum für ihn, seine Mutter und langjährigen Mentor Martin. Vor dem Hintergrund eines Informationsüberflusses in einer global vernetzten Welt lässt Spada seinem Neuronenstrudel, seinem Sprachrausch – oder klassischer ausgedrückt, in Anlehnung an Leo Tolstoi, James Joyce oder Virginia Woolf, seinem Bewusstseinsstrom – freien Lauf. Die Gedanken kreisen dabei um das Wesentliche im Leben: Anerkennung, Familie, Freundschaft. 

Termine: 
22.; 24. und 25. November sowie 1. Dezember 2016 jeweils um 20 Uhr.
Eine halbe Stunde vor Aufführungsbeginn gibt es eine Einführung auf deutsch. 

Foto: Bohumil Kostohryz 

Bildgalerie



Karte anzeigen