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23.06.2017 Vincenzo Sarnelli Vincenzo Sarnelli
Prophets of Rage in der Rockhal

Know your enemy

​Als sich vor einem Jahr Prophets of Rage gründeten, war die Skepsis groß. Würde Rage Against The Machine ohne Sänger Zach de la Rocha funktionieren? Am 20. Juni 2017 konnte sich die Rockhal in Belval davon überzeugen, dass es funktioniert. Und wie. hunderttausend.de war dabei.

 
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​Über Dreiviertel seiner absoluten Lieblingsband zu schreiben, ist kein leichtes Unterfangen. Unter anderem natürlich, weil einem die Distanz fehlt, weil man zu viele Emotionen mit der Band und den Liedern verknüpft, um nüchtern sagen zu können, ob das Konzert von Prophets of Rage in der Rockhal ein gutes war. Aber auch, weil es eben nur Dreiviertel der Originalbesetzung von Rage Against The Machine sind, der Band, die in den 90er Jahren die Crossover-Szene aus ihrem eher emotionalen Grunge-Loch holte und politische Botschaften mit wilder, treibender Musik verknüpfte. Rage Against The Machine, das sind Tom Morello an der Gitarre, Tim Commerford am Bass, Brad Wilk am Schlagzeug und eben jener Zach de la Rocha, der mit seinen gerappten Texten Massen bewegte. Sowohl im Wortsinne, als auch eben im übertragenen. Es war dieses giftige, wilde, fast schon feuerspuckende in seiner Tonlage, die am Ende den RATM Sound perfektionierte.

Dass Prophets of Rage nun ohne den Sänger, dafür mit zwei Rappern unterwegs ist, sorgte für Skepsis, hinsichtlich der Frage, ob der Ersatz Chuck D und B-Real adäquat sei und ob das, was dann passiert, auch eben jene Wirkung hat. Was diese Diskussion freilich vergessen hatte, war die Kraft der Musik und die Mächtigkeit von Tom Morello, der mit Recht zu einem der prägendsten Gitarristen unserer Zeit gehört, zumindest in seinem großgefassten Genre. Beim Opener, Prophets of Rage, ein Song von Public Enemy, der gleichzeitig namenbildend für die neue „Supergroup“ ist, wirken die 4000 Fans in der Rockhal noch skeptisch. Doch spätestens als die ersten Klänge des klassischen Rage Against The Machine Eröffnungssong Testify vom mächtigen The Battle of Los Angeles-Album ertönen, kennt die Halle kein Halten mehr. Es gab nicht wenige, die hinterher gesagt haben, dass sie noch nie eine so feiernde und gelöste Luxemburger Menge gesehen hat. Die Rockhal wurde zum Tollhaus. Von der Decke tropfte der Schweiß. Viele sprangen durcheinander, es wirkte wie eine große Welle, die von einer Seite der Rockhal zur anderen Seite schwappte. RATM-Sound eben. Er funktionierte.

Nicht erst seit Donald Trump ist klar, dass es eine Band wie Rage Against The Machine oder eben jetzt Propehts of Rage braucht. Zwar hat Tom Morello auf der Rückseite seiner legendären „Arm the Homeless“-Gitarre eine kleine Botschaft an den amerikanischen Präsidenten angebracht, doch die Wirkung der Songs von RATM ist viel mehr als das. In Luxemburg konnte man eben diese Wirkung fast schon soziologisch beobachten. Viele der anwesenden Gäste kamen direkt von der Arbeit und waren demnach in Hemd, Schlips und Kragen dort. Nicht nur, dass das unglaublich heiß sein musste, war es vor allem die Vorstellung, dass dort der Bankangestellte in Luxemburg neben dem Punk die Mittelfinger in die Höhe reckt und „F*** you, I won't do what you tell me“ aus dem Klassiker Killing in the Name of brüllt, die eine irgendwie fast schon absurd anmutende Situation auslöste. Eine eskalierende Rockhal voller potenzieller Banker, die nun antikapitalistische Textzeilen mitsangen. Großartig und eben das, was Rage Against The Machine bewirkt. 

Was nicht vergessen werden darf, ist, dass mit Chuck D von Public Enemy und B-Real von Cypress Hill auch noch zwei prägende Hip-Hop-Crews anwesend waren, die nicht weniger legendär in ihrem Genre sind. Mit Songs wie Insane in the Brain oder Bring The Noise, oder aber auch (Rock) Superstar ließen die Rapper die Rockhal in wenigen Momenten groovend verschnaufen. Legendär auch der Song How could i just kill a man, ein Public Enemy-Song, den RATM schon vor einigen Jahren coverte, was beide Bands zusammen führte. Ein starker Moment, eben diese Verbindung nun auf der Bühne zu erleben, grade wenn man den Hintergrund des Songs betrachtet. Die Verbindung der beiden Rapper zusammen mit den Musikern von RATM passt. Sie ist jedoch in der Tat nicht so giftig, wie das was Zach de la Rocha auf die Bühne bringt. Dadurch verlieren die Songs zwar nicht an Kraft, aber etwas an Authentizität. Es ist ein bisschen wie eine politische Demo ohne jemand, der die Parolen vorgibt. Das kann funktionieren und muss nicht schlecht sein, ist aber am Ende vielleicht nicht so effektiv. Da hilft es auch nicht, dass B-Real immer mal wieder ein Megaphon in die Hand nimmt, oder alle Musiker auf die Bühne die Faust in die Luft recken. 

An einer Stelle des Abends wird dann die Gänsehaut, die vorher eher durch den mitreißenden und krassen Sound entstanden ist, durch eine trauernde ersetzt. Morello, Commerford und Wilks hatten neben RATM und nun Prophets of Rage vor einigen Jahren schonmal ein Projekt mit dem Namen Audioslave. Sänger damals: Chris Cornell. Vor einige Wochen wurde die Musikwelt von der Nachricht des Todes des Sängers, der auch große Erfolge mit Soundgarden und als Solo-Künstler feierte, geschockt. Ihm zu Ehren stimmten die Rage Against The Machine- Musiker den Song Like a Stone in einer instrumentalen Version an. Die Rockhal zeigte sich textsicher und einige im Publikum sangen die Worte mit. Was ein Moment. Eine Hommage an einen großen Sänger von einer großen Band und einem unglaublichen Publikum.

Am Ende des Konzerts stand ein Danke. Danke von Prophets of Rage an die Fans, die so zahlreich erschienen waren und die Rockhal in ein Tollhaus verwandelten, aber auch der Dank an diese Band und einen Sound, der funktioniert. Einfach so. 

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