Stadtgespräch
06.10.2017 Julia Nemesheimer  
"Ich bin mal eben wieder tot" - Nicholas Müller

Hallo Angst, du Arschloch!

​Nicholas Müller wurde als Sänger von Jupiter Jones deutschlandweit bekannt. Jetzt hat er eine neue Band. Mit von Brücken und seinem Freund Tobi Schmitz wagt er einen Neuanfang, der ihm gut tut und auch die Kritiker überzeugt. Gut ging es ihm nicht immer, denn in seinem Buch "Ich bin mal eben wieder tot" thematisiert der Sänger seine Angststörung und macht jede Menge Mut.

 
Image

​Jupiter Jones waren bekannt. In der Eifel und Trier sowieso, weil die Jungs hierher kommen und entsprechend gefeiert wurden. Richtig berühmt wurden sie mit Still. Der wunderbaren Ballade, die den Tod von Nicholas Mutter thematisiert, der Band einen Echo einbrachte und den großen Druchbruch auf den man so lange gewartet hat. Jetzt sind Jupiter Jones immer noch bekannt, aber eben ohne Nicholas Müller, der mit seiner charakteristischen Stimme und seinen Texten das Aushängeschild der Gruppe war. 2014 platzte die große Bombe als die Meldung veröffentlicht wurde, wonach Nicholas Jupiter Jones verlässt. Nicht aber wegen Zwistigkeiten in der Band. Nein, die Streitereien fanden in dem Sänger statt. Angststörung. Depression. Panikattacken. Hypochondrie. Seitdem ist er unterwegs gewesen. In Talkshows und in Interviews als Schirmherr der Deutschen Angstselbsthilfe (DASH). Er hat über seine Krankheit gesprochen und er hat gesagt: "Sucht euch Hilfe! Es ist keine Schande, niemand verurteilt euch deswegen!" Jetzt kam am 27. September 2017 sein erstes Buch auf den Markt: "Ich bin mal eben wieder tot.Wie ich lernte, mit Angst zu leben."

"Ich schreibe all diese Wörter, damit ich selber versteh, dass selbst die bissigsten Monster am Ende irgendwann gehen, damit ich endlich erkenne, dass das Blatt sich längst wendet. Ich schreibe all diese Wörter, damit das irgendwann endet."

Auf 270 Seiten schildert Nicholas Müller die Jahre in denen er mit der Angst lebte. Und jeden Tag dachte er würde sterben. Panikattacken sind fiese kleine Gefährten, die den Alltag zum Alptraum machen. Jeder, der damit leben muss - und davon gibt es nicht gerade wenige in Deutschland - hat seine eigenen kleinen Monster, mit denen er oder sie Tag für Tag kämpfen muss. "Jeder Sechste, die Dunkelziffer ausgeschlossen, leidet unter Angst. Das bringt die Zahl derer, die nicht darunter leiden, aber jemanden kennen, der das tut, auf spekulative, aber hochwahrscheinliche hundert Prozent." Und doch weiß man so wenig darüber, weil es einfach, genauso wie die meisten anderen psychischen Erkrankungen, ein Tabuthema ist. Man spricht nicht darüber, man verschweigt es. Nicholas Müller tut das nicht. Er kehrt stattdessen sein Innerstes nach Außen, mit vielen Worten, manchmal etwas verworren und es ist sicherlich nicht das schlechteste, wenn man sich vor der Lektüre schonmal mit dem Werdegang von ihm und seiner Musik auseinandergesetzt hat. Nichtsdestotrotz berichtet das Buch von seiner Kindheit und Jugend, der heilen Welt, die irgendwann erschüttert wurde. Nicht nur vom Tod, der die wichtigsten Menschen mitnahm, sondern auch von der Angst, die plötzlich da war. Mit ihrer fiesen Fratze aus Herzrasen, Schwindel, kaltem Schweiß, Atemnot. Und jedes Mal fühlt es sich an, als wäre der Tod gerade da und würde mal eben "Hallo" sagen. Hallo am Arsch will man da nur gerne sagen. Anstrengend ist das, kräftezehrend, bis man nichts mehr kann. Gefühlt. Denn eigentlich geht es einem gut, eigentlich ist das nur der Kopf, de​r verrückt spielt. Psychosomatisch ist ein Wort, das man in solchen Situationen am häufigsten hört. Jeder, der noch nie so ein Gefühl hatte, sollte dieses Buch lesen. Zum Helfen. Zum Verstehen. Und jeder, der das nur allzu gut kennt, sollte es ebenfalls lesen. Zum Mut machen. Zum Weiterleben. 

Und genau dafür hat sich auch Nicholas Müller entschieden, denn das Buch handelt auch vom Weg der Gesundung. Von der Zeit in der Klinik, den Menschen, die ihm geholfen haben, seinem Leben nach der Band und der Geburt seiner Tochter. Davon, neugierig zu bleiben. "Ich kann die Welt nicht reparieren. Ich kann einen Tropfen Kleber, ein winziges Quäntchen Mörtel in die Risse schmieren und mich fragen, ob das reicht, um am Ende auf keine Antwort zu kommen." Gerade gegen Ende wiederholt Müller immer wieder sein Mantra: Lasst euch helfen. "Ihr müsst gesund werden, um die Welt um euch herum gesunden zu lassen." Denn "solange euch die Angst im Griff hat, so lange könnt ihr euch nicht konzentrieren, und wer sich nicht konzentriert, der löst auch keine hochkomplexen Gleichungen, wie das Leben eine ist." Komplett weg wird die Angst und Panik wohl niemals sein, aber man kann lernen, damit zu leben. Dafür muss man jede Hilfe annehmen, die einem geboten wird. Das fängt im Kleinen an, bei Freunden und Partnern, die für einen da sind. Aber es sollte weiter gehen. Mit Therapeuten, Medikamenten und Experten. Dann kann das alles irgendwann enden. 


Nicholas Müller liest aus seinem Buch "Ich bin mal eben wieder tot. Wie ich lernte, mit Angst zu leben." am 08. Oktober in der Camera Zwo in Saarbrücken und am 25. Oktober im Kasino am Kornmarkt in Trier. Zur Gitarre greift er dabei sicherlich auch ab und an. Tickets gibt es ab 20,40 Euro.

Das Buch ist im Droemer Knaur-Verlag erschienen und kostet 12,99 Euro.

Foto: Philipp Haas

Bildgalerie



Karte anzeigen