Interviews
03.09.2018 Julia Nemesheimer  
Marco Minnemann

Wichtig ist die Balance

​​​​​​Seit 2011 spielt der deutsche Schlagzeuger Marco Minnemann (Mitte) gemeinsam mit Guthrie Govan und Bryan Beller in der Band The Aristocrats. Am 15. September kommt die Band in die Rockhal. Wir haben uns vorab mit Marco über seine vielfältigen Projekte und eines mehr unterhalten. ​​

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​hunderttausend.de: Hi Marco, schön, dass ich dich erreiche! Du hast ja wirklich viel um die Ohren und wirst es sicher nicht zum ersten Mal gefragt, aber wie bekommst du das denn alles unter einen Hut? Da sind ja ständig Anfragen, um als Gastmusiker mit auf Tour zu gehen, im Studio Drums einzuspielen, deine eigenen Bands und Solo-Projekte – nach welchen Kriterien gehst du da vor?

Marco Minnemann: Ach, das sieht meist mehr aus, als es eigentlich ist. Man bekommt sowas ja mit über Social Media und dann klingt das so, als bestünde mein ganzes Leben nur aus Arbeit und Reisen. Teilweise stimmt das schon, aber oft verteilt sich das sehr angenehm. Beispielsweise mit der neuesten Band The Sea Within – da haben wir die Platte schon 2017 in London aufgenommen, in Los Angeles noch einige Overdubs gemacht, anschließend wurde gemixt und dann war das Ding auch schon fertig. Die Arbeit, die da reingesteckt worden ist, war also im Endeffekt der Aufwand von ein paar Wochen. Mit den Aristocrats hatten wir in letzter Zeit erstmal ein wenig Pause und meine Solo-Platten mache ich dazwischen. Mein Job, die Musik, das alles macht mir enorm viel Spaß und erfüllt mich. Ich habe hier ein komplettes Studio stehen und kann jederzeit selbst aufnehmen. Irgendwann sind dann genug Songs fertig, die auf ein Album passen.
Die Auswahl wiederum, was ich an weiterer Arbeit annehme, sei es jetzt live oder im Studio, folgt der Maxime: ‚Was mir gefällt, das spiel ich’. Da ist es dann zwar manchmal schwierig, alles halbwegs elegant unter einen Hut zu bringen, aber mit der richtigen Organisation geht das schon.

Inzwischen hast du ja mit wirklich sehr vielen verschiedenen Musikern und entsprechend auch unterschiedlichen Genres gearbeitet. Merkst du, dass diese Kooperationen sich in deinem eigenen Schaffen widerspiegeln?

Auf jeden Fall. Das ist das Schöne daran, mit vielen Menschen zusammen zu arbeiten. Da reicht es mir oft schon, die Ideen zu hören, was die gerade planen und machen. Außerdem bekommt man dadurch viel mehr Erfahrung, einen anderen Blickwinkel. Insgesamt ist es eine sehr positive Sache.

Ein sehr wichtiger Aspekt in deinem Schaffen ist seit einigen Jahren das Trio The Aristocrats, mit denen du im September auch nach Luxemburg kommst. Der Name basiert auf einem in den USA weit verbreiteten, eher nicht so jugendfreien Witz in der Stand-Up Comedy Szene. Wieso habt ihr gerade den gewählt?

(lacht) Das spiegelt einfach unseren Humor wider, gerade wenn wir auf Tour sind. Überhaupt ist ja die Auswahl von so einem Bandnamen kein leichtes Unterfangen. Auch bei The Sea Within haben wir ewig nach dem passenden gesucht. Je mehr Menschen dann in der Band sind, desto schwieriger wird es, schließlich muss jeder damit einverstanden sein. Aber mit den Aristocrats ging es erstaunlich schnell. Der Name an sich ist ja nicht so edgy, aber mit der Background-Story drum herum kann sich halt jeder selbst seinen Teil dazu denken.

Was dürfen wir denn bei dem Konzert erwarten? Gibt es vor allen Dingen Material der letzten drei Alben oder können sich eure Fans auch schon auf Neues freuen?

Ich denke, dass es dieses Mal ein wenig in Richtung „Best-Of Tour“ geht. Dadurch, dass wir alle viele unterschiedliche andere Projekte gerade am Laufen haben und ein Jahr lang nicht mehr miteinander gespielt haben, wird es ganz gut sein, nochmal zusammen zu kommen und so auch eventuell einen Grundstein für die Platte im kommenden Jahr zu schaffen.

Wie sieht denn euer Songwriting überhaupt aus? Sitzt ihr dann zusammen oder nutzt ihr moderne Medien zum Übertragen von einzelnen Files?

Tatsächlich sitzt jeder für sich allein an seinen Songs. Wir schreiben jeder drei Songs für die Platte, die dann auch komplett selbst komponiert werden. Wenn wir uns dann im Studio treffen, steht das Arrangement meist schon. Zu den Aufnahmen selbst treffen wir uns aber noch.

In einem anderen Interview las ich, dass über deine Art zu komponieren von deinen Bandkollegen gesagt wurde, dass man für deine Songs 50 Instrumente bräuchte, um sie zu spielen. Ist es tatsächlich so, dass du dann im Vergleich zu den anderen ein bisschen über die Stränge schlägst, was die Komplexität angeht?

Teilweise schon. Ich habe oft das Bedürfnis, alles sehr stark ausarbeiten zu wollen. Wenn man etwa meine Solo-Platten sich anhört, dann bemerkt man viele orchestrale Stellen – String-Arrangements, Horns, Klavier oder auch mehrere Gitarren. Bei den Aristocrats dagegen muss ich mich fast schon ein wenig zurücknehmen und mir selbst immer wieder vor Augen halten, dass ich jetzt eben nur für Trio schreibe. Das funktioniert schon einigermaßen, aber im Studio wird das dennoch oftmals mit Overdubs versehen. Live versuchen wir es aber als „Rockband“ umzusetzen und eben auch zu dritt zu spielen.

Würde denn ein versierter Fan der Aristocrats erkennen, wer von euch welchen Song geschrieben hat?

Da gibt es tatsächlich sehr unterschiedliche Ansichten. Die einen meinen, dass sie das erkennen könnten. Wir haben das allerdings auch schon ausprobiert und Leuten unsere Songs vorgespielt und sie konnten es nicht herausfinden, wer bei welchem Lied Komponist ist. Eigentlich ist das ja nicht das Schlechteste.

Bei deiner vielen Arbeit bist du auch eine Menge unterwegs. Bevorzugst du denn die Zeit auf Tour oder sitzt du lieber in Ruhe zu Hause in deinem Studio?

Beides ist gut. Man braucht eine gesunde Balance. Am Anfang steht erstmal die Zeit im Studio, das Schreiben der Songs und dann geht es mit ordentlicher Planung raus auf Tour. Vor ein paar Jahren hatte ich mal eine Phase, in der ich einfach zu viele Jobs angenommen hatte. Da war ich mit Joe Satriani unterwegs, den Aristocrats, Stephen Wilson, nebenbei noch mit anderen Künstlern und habe noch zusätzlich an meinen Solo-Platten gearbeitet. Da war ich unfassbar viel unterwegs. In einem Jahr war ich geschätzte drei Wochen zu Hause. Man merkt dann irgendwann, dass es so nicht mehr weitergehen kann, weswegen ich da die Reißleine gezogen hatte. Im Augenblick, also die vergangenen zwei Jahre, habe ich für mich eine sehr gute Balance gefunden.

Im Rahmen deiner Tour und ​jetzt mit den Aristocrats kommst du ja auch wieder in dein Heimatland. Wie fühlt es sich denn an, zurückzukehren nach Deutschland?

Inzwischen freu ich mich immer mal wieder zurück zu kommen. Damals, als ich hier aufgewachsen bin, war das aber oft auch komisch in der Szene. Es gibt ja dieses Sprichwort „Der Prophet im eigenen Land ist nichts wert“. Und so kam es mir mit Musikern in Deutschland vor. Wenn ich da was Jazziges spielte, kamen oft Kommentare, ich sollte doch rockiger klingen, habe ich das umgesetzt, war es nicht genug Jazz. Man konnte es den Leuten irgendwie nie recht machen. Ich habe dann erst mehr Anerkennung bekommen, als ich internationale Bekanntheit erlangte. Ich musste quasi erstmal ausreisen aus Deutschland nach Kalifornien, damit man hier sagt „Oh, schau mal, der ist einer von uns, der hat es geschafft.“ Das ist ein seltsames Gefühl, aber mittlerweile komme ich damit klar (lacht). Früher, als wir mit den Aristocrats gerade angefangen hatten, war ich der Idee, nach Deutschland zu kommen und dort zu spielen sehr negativ eingestellt. Wir haben es aber trotzdem gemacht und nach den ersten zwei Tourneen hat sich das gewendet und inzwischen komme ich wirklich gern wieder hierher.

Dann freuen wir uns sehr darauf, dich gemeinsam mit den Aristocrats am 15. September 2018 in der Rockhal sehen zu können! Vielen Dank für deine Zeit und das Gespräch. 

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