Stadtgespräch
21.11.2019 Jana Ernst  
Vorstellung des Dokumentarfilms Lord of the Toys in Anwesenheit der Filmemacher

„We are Nazis and we are proud.”

​​​​​​Preisgekrönt und zutiefst ambivalent: Lord of the Toys portraitiert unkommentiert die Lebenswelt des mehr als umstrittenen YouTubers Max Herzberg. Das CineAStA Trier zeigt den Dokumentarfilm am kommenden Dienstag und lädt zur anschließenden Podiumsdiskussion mit den Filmemachern.

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​„Max „Adlersson“ Herzberg aus Dresden, 20 Jahre alt, hat entschieden sein Leben nicht mit Arbeit zu verbringen. Seitdem referiert er über Messer und alle möglichen andere Produkte, öffnet Gangsta-Rap-Fanboxen, erzählt von sich selbst, besäuft sich in aller Öffentlichkeit, pöbelt und grölt herum, erniedrigt Schwächere, reißt derbe Witze und testet jede Grenze aus, die er sieht – Max ist YouTuber und lebt davon“ (Offizielle Website von Lord of the Toys). Max ist außerdem ​der Protagonist eines umstrittenen Dokumentarfilms von Pablo Ben-Yakov (Regie) und André Krummel (Drehbuch), die unkommentiert ihre Kamera auf den jungen Dresdener richten und den Zuschauern des Films unbarmherzig zutiefst verstörende Einblicke in sein Leben gewähren. Lord of the Toys portraitiert Max und seine Clique „und untersucht die Welt, in der ihre Lebensmodelle gedeihen: den Westen im Allgemeinen und den deutschen Osten im Speziellen.“ So die Einordnung auf der Film-Website. In der Realität bedeutet das, dass auch schmerzhafte Aussagen wie „We are Nazis and we are proud, fuck yourself you fucking cunt!“ gänzlich unkommentiert bleiben.

Mit ihrem Werk haben die beiden Regisseure höchst ambivalente Reaktionen hervorgerufen. Einerseits erhielt Lord of the Toys von der Filmbewertungsstelle Wiesbaden das Prädikat besonders wertvoll. Der Film sei „genauso bedrückend wie entlarvend" und beziehe „deutlich Stellung - und zwar mit einer solchen Kraft, wie sie nur wenige Filme besitzen.“ In den Vordergrund stellt die Jury dabei die gesellschaftliche Relevanz: „Dramaturgisch gut aufgebaut, führen die Autoren ihren Zuschauern gesellschaftliche und vielleicht auch gesellschaftsrelevante, zeitgenössische Auflösungserscheinungen vor. Sie zeigen, wie gefährlich die Vernachlässigung sozialer Randgruppen ist, aber auch über welches Potential die social channels verfügen.“ Die Gefahr, der Film könne für rechte Werbezwecke missbraucht werden, schätzt die Jury gering ein. Kein „aufgeklärt-mündiges Publikum“ könne dem abgebildeten Verhalten von Max Herzberg und seiner Clique etwas Positives zuschreiben. Die Jury des DOK-Film-Festival in Leipzig kam offenbar zu einer ähnlichen Einschätzung und zeichnete Lord of the Toys im vergangenen Herbst mit einer Goldenen Taube aus.

Andererseits ist dem Dokumentarfilm von Anfang an auch viel Protest und negative Kritik entgegengeschlagen. Hauptkritiker ist dabei die Initiative „Leipzig nimmt Platz“, die den Filmemachern die fehlende Einordnung vorwirft und Lord of the Toys sogar als „Filmdebakel“ bezeichnet: „Diskriminierende Äußerungen sind nicht zu entschuldigen, in dem man auf ein Milieu abstellt. Hier hätte es gezielter Einordnungen bedurft, gerade in einer Zeit, in der Antisemitismus und Rassismus auf dem Vormarsch sind und Übergriffe zunehmen.“ Im Interview mit Deutschlandfunk verteidigt Yakov die Entscheidung, gänzlich auf einordnende Kommentare zu verzichten. Die reine Beobachtung sei ihrer Ansicht nach besser geeignet, sich der Wahrheit anzunähern, als im Nachhinein Thesen „drauf[zu]stülpen.“ Zudem sei eine Einordnung „die Aufgabe von Journalismus. Unsere Aufgabe als Dokumentarfilmer ist es, erstmal den Bick darauf zu lenken, und ich glaube, das haben wir geschafft.“ Nichtsdestotrotz geben Yakov und Krummel an, ihre eigene Meinung sei stark in den Film eingeflossen. Sie sehen sich als Künstler. Und um ihr Kunstwerk zu verstehen, bedarf es aufmerksamer Zuschauer, die sich völlig offen darauf einlassen und ihre eigene Lesart finden.

Genau diese Möglichkeit möchte das Trierer CineAStA​ interessierten Film-Freunden bieten und zeigt Lord of the Toys am kommenden Dienstag, 26. November 2019, um 20:00 Uhr im Hörsaal 3. Im Anschluss gibt es eine Podiumsdiskussion mit Regisseur Pablo Ben-Yakov, Drehbuchautor André Kümmel, Filmkritiker Wolfgang M. Schmitt Jr. sowie Vertretern des AStA (CineAStA & PolBil). Der Eintritt beträgt 4,00 Euro.

Die Veranstaltung findet in Kooperation mit dem Referat für politische Bildung und dem Referat für Antirassismus und Antifaschismus des AStA statt.

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