Interviews
27.04.2016 Vincenzo Sarnelli Veranstalter
Jupiter Jones im Interview

"Dahin gehen, wo es weh tut"

​​Heute Abend, am 27. April 2016, stehen Jupiter Jones in Saarbrücken im kleinen Klub der Garage in Saarbrücken auf der Bühne. Bassist Andreas Becker (links im Bild)​ hat sich trotzdem die Zeit genommen, um mit uns über das neue Album und die intensiven letzten zwei Jahre mit neuem Sänger zu sprechen. 

 
Image

hunderttausend.de: Eure aktuelle Tour heißt "Abgesehen von Discofox, herrscht hier Tanzverbot."Und? Hält sich jemand dran?

Andreas Becker: Also, wir halten uns auf jeden Fall nicht dran auf der Bühne. Und bis jetzt haben sich die Zuschauer auch nicht wirklich dran gehalten. Ich weiß nicht, was da los ist. Vielleicht müssen wir die Regel etwas strenger auslegen (lacht).

Wer kann denn bei Euch überhaupt Discofox tanzen?

Ich weiß jetzt nicht, ob das peinlich ist, aber ich mache gerade einen Standardtanzkurs mit meiner Freundin und da lernt man auch Discofox (lacht). 

Lass uns über Euer Album reden. Ich hab ein Zitat darüber gelesen: "Der Rock kommt eher durch die Hintertür." Stimmst Du dem zu oder sagst Du eher, der Rock ist präsent wie nie?

Also, wenn man sich die Produktion und den Sound anhört, ist das die rockigste Jupiter Jones-Platte seit "Raum um Raum". Es ist natürlich jetzt nicht so auf die Fresse und durch geschrabbelt, es ist eher andere Rockmusik, etwas britischer vielleicht. Ich würde dem also nicht zu hundert Prozent zustimmen, kann aber verstehen, was damit gemeint ist. Es gibt auch Menschen, die zum Beispiel sagen, dass sie erst nach dem dritten oder vierten Durchhören einen Zugang zum Album gefunden haben. Sowas spricht aber eigentlich für die Platte. 

Die Diskussion rund um die Debatte war relativ groß, vor allem in den sozialen Netzwerken, wo ihr Euch auch das ein oder andere Mal dazu geäußert habt. Es gab einige, die von einem Neuanfang der alten Jupiter Jones gesprochen und andere, die wiederum gesagt haben, das ist eine ganz neue Band, die da grade ein Album herausgebracht hat. Was ist es denn für Dich? 

Beides so ein bisschen, das gehört ja auch irgendwie zusammen. Ein Neuanfang ist es natürlich, weil es das erste Album ist mit neuem Sänger. Und dann hatten wir aber auch keine Lust mehr auf den eintönigen Mainstream-Pop, der im Radio rauf und runter läuft. Wir haben einfach mal komplett andere Wege ausprobiert, auch was die Album-Produktion angeht. Es ist also ein Neuanfang. Aber es sind ja trotzdem noch drei Viertel der Band dabei, die auch vor dem Sängerwechsel da waren. Es ist also immer noch Jupiter Jones, aber vielleicht eine neue Art von Jupiter Jones. 

Du hast es angesprochen. Es ist die erste Platte mit dem neuen Sänger Sven Lauer. Aber der ist ja mittlerweile schon zwei Jahre Teil der Band. Dennoch kochen die Debatten rund um Euren Sängerwechsel immer wieder hoch. Glaubt Ihr, dass das normal ist, oder nervt Euch das und wünscht Ihr Euch, dass dort endlich eine gewisse Akzeptanz eintritt?

Das würden wir uns natürlich wünschen, dass das bald passiert, aber ich glaube, man muss immer damit rechnen, dass manche Leute auch vielleicht in drei Jahren noch schreiben: "Ihr seid nicht mehr die Gleichen." Das sind wir ja auch nicht. Es ist ja tatsächlich so, dass wir mit Sven zwei Jahre unterwegs waren und viele Festivals gespielt haben. Das war auch sehr schön. Aber wir haben ja noch kein neues musikalisches Lebenszeichen mit Sven von uns gegeben und deswegen war das vermutlich nochmal der Grund, dass das Thema wieder aufkam, weil eigentlich war es lange Zeit relativ ruhig. Zum Beispiel nach den Festivals hat es gar keinen interessiert. Da wir jetzt aber dieses musikalische Lebenszeichen von uns gegeben haben, war das sicher auch zu erwarten, dass viele sich auch dazu äußern. 

Unser Eindruck ist ja, dass Euer Album kompromissloser, aber auch fordernder für den Hörer ist. War Euch das im Entstehungsprozess bewusst, dass es vielleicht anstrengender sein würde?

(lacht) Anstrengend war tatsächlich eines der ersten Wörter, was als Feedback von der Plattenfirma kam. Aber es war uns total bewusst. Das soll keine Wohlfühl-Einschlaf-Platte sein. Wir haben zum Beispiel relativ viele politische Themen auf der Platte. Das soll schon dahin gehen, wo es weh tut.

Du sagst es, die Texte sind sehr politisch und direkt. Die Texte von Nicholas Müller waren im Vergleich ja eher verklausuliert. Ist für Euch jetzt einfach die Zeit gekommen, die Argumente auf den Tisch zu legen, auch gesellschaftspolitisch?

Auf jeden Fall. Das war sicher auch ein Ziel oder eine Vorgabe von uns, dass die Texte ein bisschen klarer werden, ohne platt zu sein. Das ist bei deutschsprachiger Musik nicht leicht. Es sollte halt nicht zu metaphorisch, aber doch mit Aussage sein. Und dadurch, dass in den letzten zwei Jahren gesellschaftlich so viel Mist passiert ist und immer noch passiert, wurde uns klar, dass wir da viel direkter mit umgehen müssen. Ohne den moralischen Zeigefinger, aber es sollte schon ein klares Statement sein. Und ich glaube, das ist uns auch gelungen. 

Ihr habt mit Jörkk Mechenbier von Love A auf der Platte zusammen gearbeitet. Wie ist die Zusammenarbeit zustande gekommen und warum fiel die Wahl für ein Feature auf ihn?

Wir kennen uns so wirklich persönlich seit wir 2013 gemeinsam auf Tour waren. Die waren damals für drei, vier Konzerte dabei und man mochte sich und fand sich sympathisch. Wir sind große Fans davon, wie Jörkk textet und Sachen zum Ausdruck bringt. Oft mit ein bisschen Wortwitz. Deshalb haben wir ihn gefragt, ob er im Studio vorbei kommen will, wir würden ihm gerne ein paar Sachen vorspielen. Er kam also mit einer Flasche Rotwein vorbei und hat direkt am ersten Abend mindestens die Hälfte von "Ein Bisschen Paranoia" zusammen gehabt. Dann haben wir uns noch ein paar Mal getroffen und dann war schnell klar, dass wir den Song zusammen machen. 

Man kann sicher sagen, dass die Zeit seit dem Album-Release durchaus eine intensive Phase war. Was nehmt Ihr aus dieser Zeit mit?

(überlegt) Was wir mitnehmen, aber nicht erst seitdem, sondern schon den ganzen Weg der Entstehung des Albums, ist, dass man, auch, wenn es hart ist, mutig bleiben muss. Das war für uns bandintern eine klare Vorgabe. Wir wollten keinen Gang zurück schalten und Dinge vielleicht radiotauglicher machen oder direkt gucken, was eine Single sein könnte. Wir haben das nicht gemacht, sondern das Album so produziert, wie wir das wollten. Und dieses Gefühl hat nach wie vor Bestand, auch nach dem Release. Das Album ist nicht so gut gechartet wie die beiden davor, aber auch das wirft uns nicht zurück und bringt uns auch von dem mutigen Weg, den wir gegangen sind, nicht ab. 

Die letzte Frage muss ich einfach stellen. Ihr habt ein Video zum Song "70 Siegel" gemacht, wo ihr Euren Drummer, den Hont, in ein entzückendes Tiger-Kostüm gesteckt habt. Wie viel Schnaps musste er trinken, um das mit zu machen?

(lacht) Gar keinen. Er war da relativ schmerzfrei. Das Kostüm war eigentlich für Sven oder Sascha gedacht, aber irgendwie waren die sich nicht sicher. Und Hont hat dann direkt gesagt: "Och, gib mir das, mir ist das egal." Er hat also gar nichts getrunken. Und ich glaube auch, er schämt sich immer noch nicht (lacht). 

Zugegeben: Ich musste schon lachen während des Videos...

Wir mussten auch sehr lachen. 

Lieber Andreas, vielen Dank für das Gespräch und viel Spaß heute Abend in Saarbrücken!

Bildgalerie



Karte anzeigen