Interviews
03.04.2019 Janine Köppel  
Ingolf Lück

Ein Mann und ein Smartphone

​Die Mediensatire Seite Eins des in Trier geborenen Autors Johannes Kram kommt in Starbesetzung mit Ingolf Lück am 13. April in die Europahalle und damit erstmalig nach Trier. Was das Stück so hochaktuell macht, hat der Schauspieler im Interview mit hunderttausend.de verraten.

 
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hunderttausend.de: Worum geht es in dem Stück?

Ingolf Lück: Seite Eins ist eine glasklare Mediensatire. Es ist ein spannendes und vor allem auch unterhaltsames, hoch aktuelles Stück, in dem es über das Wirken von Medien und Öffentlichkeit geht und wie wir alle ein Teil davon sind. Es werden all die Dinge verhandelt, über die gerade in unserem Land gestritten wird: was darf man heute noch sagen? Bilden die Medien wirklich die Wirklichkeit ab? Müssen wir zu viel Rücksicht auf Minderheiten nehmen? Wann wird das Populäre zu Populismus, wann Meinung zur Meinungsmache? Klingt alles sehr abstrakt, aber im Stück wird es sehr konkret: es ist ein einzigartiger Blick hinter die Kulissen des Mediengeschäfts. Ich spiele den Boulevardreporter Marco, der versucht eine Geschichte um eine junge Sängerin zu machen, die das nicht will.

Welche Facetten hat Marco – ist er der Bösewicht?

Ja, Marco wird ziemlich fies. Aber ob er der Bösewicht ist, das soll der Zuschauer selbst entscheiden. Und das ist ja das schöne an dem Stück, dass es immer zu Diskussionen führt. Ich bin gespannt, wie das in Trier sein wird. Und natürlich hat er viele Facetten: er hat Charme, er ist schnell. Es gibt einen Grund, warum die Menschen ihm zuhören.

Das Bühnenbild ist minimalistisch und es gibt nur eine Person, auf die sich die volle Aufmerksamkeit richtet. Was ist hierbei die Herausforderung für Sie?

Das ist ja genau die Herausforderung für einen Schauspieler. Zudem kenne ich das ja von meinen Comedy-Programmen oder von Caveman, den ich jahrelang gespielt habe, dass ich alleine auf der Bühne stehe. Aber das hier ist eben ein Theaterstück mit einer Handlung, die sich entwickelt und wo es vor allem darum geht, die zweite Hauptperson, die Sängerin Lea, zum Leben zu erwecken - auch wenn der Zuschauer sie nicht sieht.

Wenn die Interaktion mit anderen Schauspielern fehlt, gibt es dann mehr Spielraum für Variation?

Ich bin bei diesem Monolog allein auf der Bühne, jedoch spreche ich am Handy mit zwanzig Dialogpartnern, die die Handlung vorantreiben. Da ist eine Menge Variation möglich.

2014 wurde das Stück in Gütersloh uraufgeführt und man wusste noch nicht, wie es auf der Bühne funktionieren würde. Wurden seither Anpassungen vorgenommen? Pointen anders gesetzt oder Ähnliches?

Als wir Uraufführung hatten, gab es Pegida noch nicht. Aber im Stück waren schon all die Themen drin, die dann eine Rolle spielten: Lügenpresse, Political Correctness, der angebliche Gutmenschenterror, das Beschwören der Angst vor Minderheiten. Wir mussten also da nichts aktualisieren, obwohl aktuelle Ereignisse immer wieder zeigten, wie nah das Stück am Geschehen ist: die Diskussion um die Kölner Silvesternacht etwa und der Fall Relotius beim Spiegel. Zwei kleine Dinge haben wir angepasst: erstens war das Wort „Lügenpresse“ damals noch nicht im allgemeinen Sprachgebrauch, das haben wir übernommen. Und dann mache ich einen Gag über die Ice Bucket Challenge - falls sich noch jemand erinnert. 

Welche Resonanz gab es bisher in den anschließenden Publikumsgesprächen?

Johannes und ich machen das ja nicht so oft, aber in Trier ist es eben etwas Besonderes, da Johannes da herkommt. Wenn wir Publikumsgespräche gemacht haben, hat uns immer besonders gefreut, dass junge Leute mit dem Stück so viel anfangen können. Ein bekannter Kritiker hat mal geschrieben, eigentlich müssten sich alle, die was mit Medien machen wollen, dieses Stück anschauen. Das Stück hat ja viele Diskussionen ausgelöst und es predigt keine Wahrheiten. Deswegen hat jeder seine eigene Sicht auf die Dinge. Theater kann Menschen ins Gespräch bringen und ich finde, das ist in diesen Zeiten besonders wichtig. Seite Eins macht genau dies und das erleben wir auch bei den Publikumsgesprächen.

„Lügenpresse“ ist schon länger ein Thema und das Stück ist mittlerweile seit fünf Jahren auf der Bühne. Welche Veränderungen konnten Sie im Laufe der Aufführungen - zum Beispiel anhand der Gespräche mit dem Publikum - feststellen?

Das Schöne ist, dass sich die aktuellen Ereignisse in diesem Stück spiegeln, so als sei es aufgrund dieser Ereignisse entstanden. Die Zuschauer wundern sich dann oft, dass das Stück schon ein paar Jahre alt ist. Das ist aber auch ein wichtiger Aha-Effekt: nichts, über das wir heute diskutieren, ist einfach so vom Himmel gefallen. Wir müssen wachsam sein, wie sich Sprache verändert. Und wir sind es, die Sprache verändern.

Welche Daseinsberechtigung hat Boulevardjournalismus? Was ist das Gute daran?

„Boulevard“ heißt Straße. Es geht also um Journalismus, der nicht elitär ist und das ist zunächst einmal gut. Es ist wichtig, dass sich nicht nur wenige Menschen mit dem politischen Geschehen beschäftigen. Insofern hat der Boulevardjournalismus natürlich seine Berechtigung, aber eben auch eine ganz besondere Verantwortung.


Foto: Volker Zimmermann

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