Interviews
22.04.2017 Vincenzo Sarnelli Veranstalter
Frank Schmidpeter und Stefan Kölbel im Interview

"Der Inhalt ist die Konstante"

​Stefan Kölbel ist heute Pressesprecher der Römerstrom Gladiators Trier. Bis 2015 war er Saxophonist der Band Eskalation (Bild). Zusammen mit Sänger Frank Schmidpeter (Bild: mitte), sprachen wir über die gemeinsame Zeit, das neue Album der Band und den Auftritt der Band am 23. April 2017 in Luxemburg im Vorprogramm von Anti Flag. 

 
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hunderttausend.de: Frank, euch gibts seit 2008, aber immer wieder in wechselnden Konstellationen. Grade eure Bläser-Sektion war einem ständigen Wechsel ausgesetzt…

Frank Schmidpeter: Wir können mit unseren Bandwechseln drei neue Bands aufmachen (lacht). 

Drei Leute, inklusive dir, sind schon von Anfang an dabei. Wie geht man denn als Band, wenn eine so hohe Fluktuation da ist?

Frank Schmidpeter: Es ist schon immer streßig, aber das waren auch immer Abschnitte, in denen es normal ist, dass Wege sich trennen. Es liegt auch daran, dass wir so viele Leute sind. Bei drei oder vier Leuten, ist es leichter, dass es sich zusammen hält. Wenn man auch zu acht oder zu zehnt ist, dann geht der eine studieren und der andere beruflich woanders hin. Es war auch nie groß, dass man im Streit auseinander ist. Sondern die Leute haben es halt zeitlich einfach nicht mehr gepackt. Damit muss man umgehen. Das einzig entspannte daran ist, dass es die Band nie wirklich gebremst hat, wenn es passiert ist.

Stefan, du kamst 2011 dazu. Kanntest du die Band vorher?

Stefan Kölbel: Gar nicht. Ich kannte die Band nicht, ich kannte auch das Genre „Ska“ überhaupt nicht. Ich bin eher so Beatles geprägt. Der Kontakt kam zustande, dass Franks Freundin mit mir zusammen im Orchester gespielt hat und als der Saxophonist von Eskalation aufgehört hat, wurde ich gefragt. Und dann war schon nach der ersten Probe klar, dass das passt. Und vom Niveau her wars auch meins, oder Frank (lacht)?

Frank Schmidpeter: Nämlich keins (lacht). 

Wie habt ihr ihn damals kennen gelernt? Was hat der Stefan für einen Eindruck gemacht, Frank? 

Frank Schmidpeter: Der ist ja mit 16, 17 in die Band gekommen. Da war er schon ein ganz anderer Typ als er jetzt ist. Jetzt ist er schon immer die „coole Sau“. Früher war er eher der „kleine Süße“ so (alle lachen). Aber mittlerweile ist er halt erwachsen geworden.

Vier Jahre hast du da gespielt, Stefan? Wie hast du diese Zeit erlebt?

Stefan Kölbel: Erstmal war alles mega neu. Ich war vorher ja in diesem Orchester. Und mit dem hatte man zwei Auftritte im Jahr und immer im großen Rahmen. Und am Anfang war das in der Band total komisch. Kleine Setzung, nicht nur einer von vielen in einem großen Satz. Es war sehr familiär. Irgendwann war dann aber am Wochenende auch ein bisschen Routine, deine Sachen zu packen, dein Bandoutfit anzuziehen und auf Tour zu sein. Es waren vier schöne Jahre, wie mit einer Familie. Und man hat sich immer drauf gefreut auf jeden Fall. Am Ende bin ich wahnsinnig dankbar für die geile Zeit, die ich da erleben durfte. 

Heute ist er Pressesprecher bei den Römerstrom Gladiators Trier. War der Stefan denn damals auch ein organisatorischer Typ, der nach vorne ging oder eher zurückhaltend?

Frank Schmidpeter: Was bei ihm einfach extrem war, war die Entwicklung auf der Bühne, die er durch gemacht hat. Vom „kleinen Süßen“ und zurückhaltend zur größten Rampensau ever. Der ist auf die Bühne gegangen und hat absolut gebrannt für die Musik. Er hat unglaublich Party und Stimmung gemacht. Und das ist grade für die Bläser ziemlich wichtig. Weil die in den Songs viel Zeit haben, in denen die auch mal nichts spielen. Und wenn die dann nur rumstehen, das würde nicht passen. Der Stefan war immer „on fire“. Es gibt zum Beispiel Aufnahmen von einem Auftritt am Chiemsee und man hört Stefan Kölbel eine Stunde lang nur schreien, wie ein kleines „Whoo-Girl“ (großes Gelächter in der Runde). 

Stefan Kölbel: Das stimmt! 

Wir haben Stefan Kölbel hier schon als Frohnatur kennen gelernt. Wie war er denn in der Band? 

Frank Schmidpeter: Er war schon ein ziemlicher Zwischenpol. Der immer auch dahinter war, dass das Bandklima gut war. Er hat sogar zwischendurch auch mal geschlichtet. 

Stefan Kölbel: Der Ausgeglichene… (lacht). 

Frank, lass uns über euer Album sprechen, das vor kurzem erschienen ist. Es heißt 360 Grad. Wenn man auf die Texte hört, könnte man aber meinen, dass vieles heute nicht besonders rund läuft…

Frank Schmidpeter: Bei 360 Grad geht es weniger um die Textinhalte, als eher um den musikalischen Stil und dem, was wir als Band sind. Wir haben uns mit diesem Album sehr weit davon entfernt, wie wir noch vor zwei Jahren waren. Wir haben uns musikalisch schon deutlich weiter entwickelt. Deshalb war da dieser Gedanke für den Album Titel, dass wir uns gewandelt haben. Auf dem Album sind Einflüsse, wenn mir da einer vor zwei Jahren gesagt hätte, dass ich so einen Song schreibe, dann hätte ich dazu auf jeden Fall „sicher nicht“ gesagt. 

Textlich geht es schon recht pessimistisch zu, finde ich. Im Kontrast zu der Feierstimmung, die beim Ska oft entsteht… 

Frank Schmidpeter: Es ist zwar fröhliche Musik, aber uns ist trotzdem wichtig, dass er Text etwas aussagt. Inhaltlose Sachen sind einfach echt nicht unser Ding. Uns geht es darum, dass man nicht den Zeigefinger erhebt, sondern, dass wir zeigen, was wir sehen und versuchen überspitzt auf das Problem hinzuweisen. Grade wenn etwas hart daneben ist. 

Stefan Kölbel: Aber grade das ist ja auch total interessant. Ihr habt euch zwar mit dem neuen Album ziemlich entfernt, wie ich es kenne, aber grade dieser Fakt, die gehaltvollen Texte, sind die Konstante dabei. Wir waren keine „Trallala-Band“. Sondern es sollte Inhalt haben. Und das ist trotz aller musikalischer Änderung immer noch so. 

Frank Schmidpeter: Man kann nen guten Song schreiben, der ins Ohr geht, ohne inhaltsleer zu sein. Ska klingt automatisch immer ein bisschen nach vorne und glücklich. Ist es aber oft gar nicht. Ich würde mich trauen zu sagen, dass die Hälfte der Songs auf der Platte nicht in diesem „fröhlichen“ Ska geschrieben wurden. Ich schreib die meisten Sachen auch in Moll. Damit sich die Texte und die Songs auch vereinbaren lassen. 

Wenn ich zum Beispiel an Bands wie Ska-P denke oder so, da ist der Kontrast ja nochmal krasser, weil die textlich dahin gehen, wo es weh tut…

Frank Schmidpeter: Bei denen ist es ja auch so, dass die es kein bisschen beschönigen. Während wir uns hinter Sarkasmus und Ironie verstecken, stellen die ihre Message einfach direkt dar. Die knallen das raus. Und trotzdem tut es der Stimmung auf den Konzerten keinen Abbruch. 

Eine Band, die das auch gut vereinbaren kann, ist Anti Flag, mit denen ihr ja in Luxemburg zusammen spielt. Was bedeutet euch, dass ihr Support von Anti Flag seid? Was verbindet euch mit der Band?

Frank Schmidpeter: Mit Anti Flag zu spielen ist mega. Unser Schlagzeuger und ich, wir haben die schon gehört, als wir 15 oder 16 waren. Die Musik ist unfassbar gut. Das politische Engagement ist unglaublich hoch. Und die haben dafür immer in Kauf genommen Probleme zu haben deshalb. Die labern aber nicht nur und sagen „Fuck the System“, sondern die machen ihre Sachen mit ganz viel Hirn und Verstand. Die probieren seit jeher, etwas anzuschieben. Und das ist echt cool.

Stefan, trotz des Wandels. Wieviel Eskalation wie du es kennst, steckt denn noch in der Formation, die da am Sonntag auf der Bühne steht? 

Stefan Kölbel: Viel. Man muss da unterscheiden zwischen dem musikalischen und den Leuten und was die ausmacht. Auch wenn es eine wahnsinnige Weiterentwicklung ist, die da statt gefunden hat. Das sind Welten. Die Menschen aber werden vielleicht älter sind aber immer noch die selben wie sie früher waren. Man hatte immer ein Gefühl von Familie und das ist jetzt auch so. Als ich vor vier Wochen nochmal zuhause war und alle getroffen habe, war es wie früher. Leider ist ne wahnsinnige Rampensau verloren gegangen mit mir (alle lachen). Aber dieses Herz, was die Band ausmacht, ist immer noch da. 

Fiese Frage, aber es war klar, dass die kommen musste, Stefan: Lieber Rockstar oder Pressesprecher der Römerstrom Gladiators Trier?

Stefan Kölbel: Puh. Am Ende wahrscheinlich Pressesprecher. 

Frank, Stefan Kölbel lieber als Saxophonist oder als Wasserträger?

Frank Schmidpeter: Auf jeden Fall Saxophonist. 

War er nicht gut im Bier ranschaffen auf der Bühne?

Frank Schmidpeter: Ich glaube nicht. Er ist nur immer relativ gut darin gewesen von der Bühne runter zu fallen (alle lachen). 

Die Geschichte müsst ihr aber erzählen.

Stefan Kölbel: Ich bin damals bei einem Open Air-Festival, es hatte vorher geregnet, in meinem Elan und mit meiner Energie voll von der Bühne gefallen und hab mein Saxophon zerstört. Das war richtig teuer, das zu reparieren. Mir wurde jahrelang vorgehalten, ich wäre betrunken gewesen, aber ich hatte nix getrunken und bin einfach ausgerutscht. 

Frank Schmidpeter: In Erlangen bist du dann auch nochmal runter gefallen. Bauchlings. Wir sind immer zu zweit auf den Boxen rum geklettert, Eine der Boxen war wackelig, das hat er aber nicht gemerkt. Er steht also auf der Box, mit seinem grade reparierten Saxophon. Und ich seh nur noch wie es kippt. Und Stefan fliegt bauchlings vor der Bühne. Wir haben uns alle weggelacht. 

Stefan Kölbel: Bewegungskünstler war ich ja schon immer. 

Frank Schmidpeter: Er hat dann zwei Songs im Backstage sein Saxophon gestreichelt und kam dann wieder und hat weiter gespielt. Großartig (alle lachen). 

In der Tat. Wir freuen uns auf das Konzert am Sonntag in Luxemburg im Vorprogramm von Anti Flag. Frank, euch wünschen wir viel Spaß! Stefan, dir danken wir für deine Zeit. 


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