Interviews
30.03.2017 Vincenzo Sarnelli Veranstalter
Elmar Paulke liest in Trier

"Man könnte auch als Fan da oben stehen"

​Er ist "die Stimme des Darts" - Elmar Paulke. Der Kommentator hat dem sehr beliebten Sport ein Buch gewidmet in dem er versucht die Faszination, die dieses verrückte Spiel ausmacht, einzufangen. Am 20. April 2017 liest er aus "Game On! - Die verrückte Welt des Darts" im Mergener Hof in Trier vor. Wir sprachen vorher mit ihm über das Buch, seinen neuen Job und die verrückten Fans im Ally Pally.

 
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​hunderttausend.de: Herr Paulke, Sie sind "die Stimme des Darts". Wie fühlt sich das an so eine Art Identifikationsfigur zu sein?
 
Elmar Paulke: Das ist zunächst mal überraschend (lacht). Das war nie der Plan. Das fühlt sich sehr gut an, weil ich es als Kompliment verstehe. Den Fans gefällt das, glaube ich, ganz gut, was wir oder was ich da mache. Das hängt aber auch damit zusammen, dass noch kein deutscher Superstar im Darts unterwegs ist. Deshalb bin ich derjenige, der nah an der Szene und an den Profis dran ist. Dadurch kommt vermutlich diese Position. Das ist aber wirklich sehr ungewöhnlich. Ich kommentiere ja auch seit vielen Jahren Tennis und da kannte ich das überhaupt nicht. Das ist also neu, fühlt sich aber sehr gut an (lacht).
 
Steht man als Kommentator mittlerweile mehr im Fokus als früher? Die Social-Media Auftritte von Kollege wie Frank Buschmann oder Wolff Fuß könnten so etwas durchaus suggerieren.
 
Das ist schon ein neuer Trend. Und Social-Media spielt aber auch eine ganz wichtige Rolle. Das ist für die Fans eine Möglichkeit mit jemandem in Kontakt zu stehen, sich auszutauschen und Meinungen zu äußern. Ich überlege aber auch ob der Kommentator sich heute etwas mehr inszeniert, als er das früher getan hat. Und durch die Sozialen Netzwerke ist das dann richtig ins Rollen gekommen.
 
Sie haben „Game On!" geschrieben. Eine Hommage und gleichzeitig so etwas wie eine Erklärung der Grundessenz des Darts. Angelehnt daran, dass Sie sich einst fragten, warum man dickbäuchige Männer beim Pfeile werfen beobachten sollen, frage ich: Warum sollte man ein Buch eines Menschen lesen, der eben genau das auch noch kommentiert?
 
(Lacht). Weil der Laie glaube ich die Faszination des Darts nicht richtig greifen. Er bleibt zwar hängen, aber er weiß gar nicht warum er hängen bleibt. Und das habe ich versucht zu beschreiben und zu erklären. Ich versuche den Leser in diese Welt eintauchen zu lassen. Denn sie ist skurril und hat Helden, die eigentlich gar keine Helden sind. Alles so kleine Faktoren, die den Zuschauer faszinieren. Ich versuche durch viele Anekdoten zu erklären, wie die so ticken. Was sind das für Typen? Und warum bleibe ich da hängen? Die Veranstaltung ist auch ein besonderer Mix. Unterhaltung und Sport, der einzigartig ist und genauso einzigartig seine Fans einbindet. Die sind ganz bewusst Teile der Show. Das ist was Wunderbares. Viele raffen das anfangs gar nicht. Das sagen mir selbst viele Journalisten-Kollegen, die einen Bericht schreiben und enden mit: "Ich hab keine Ahnung, warum ich da hängen bleibe, aber es passiert und ich schaue es mir vier Stunden lang an".
 
Sie kommentieren Darts laut Ihrer Homepage seit 2004. Der Sport hat in den letzten Jahren an Popularität gewonnen, nicht nur in der Ausübung, sondern vor allem in der öffentlichen Wahrnehmung. Die letzte WM vor zwei Monaten hat für Rekordquoten gesorgt. Woher kommt der Hype?

Es ist der einzigartige Mix. Der Zuschauer, der Darts gar nicht kennt, bleibt sicher erstmal hängen, weil er die Stimmung witzig findet. Dann ist das Spiel auch noch leicht nachzuvollziehen und schnell erklärt. Jeder hat das vermutlich schon gespielt und weiß wie schwer das ist, diese Darts genau dahin zu bekommen, wo man sie hinhaben will. Das ist auch ganz wichtig. Und dann ist Darts spannend. Es ist sehr kurzweilig. Es gibt alle paar Minuten eine Entscheidung. Ich habe ja auch im Buch das Zitat eines Engländers, der sagt: "Darts ist wie vier Stunden Elfmeterschießen." Das ist ein sehr gutes Zitat. Genau das ist es. Es gibt keine großartigen taktischen Manöver. Es gibt vielleicht kleinere schmutzige Tricks, aber es gibt keine große Taktik. Es ist ein Shootout zwischen zwei Kontrahenten. Und dann sieht es auch noch leicht aus. Elfmeterschießen sieht ja auch leicht aus, aber ist es nicht, wenn es darum geht das Ding reinzulachen und die WM zu gewinnen. Man begreift irgendwann, dass das eben nicht jeder kann. Das was die da machen ist ausgesprochen gut. Und das ist der zweite Grad der Faszination. Wenn ich mich vom Trubel habe anstecken lassen, merke ich irgendwann, dass das auch Klasse ist, was die auf der Bühne machen. Für mich als Kommentator ist die Partie natürlich toll, aber das ist nicht die Faszination selbst. Es geht da schon um den Mentalsport Darts, bei dem sich Matches drehen, wie sonst in keinem Sport. Unabhängig davon, dass er mental anspruchsvoll. 

Zum ersten Mal gab es auch im größeren Maße in den deutschen Medien kritische Stimmen zu dem Hype und dem Geschehen rund um die Darts-WM. Man nehme beispielsweise die Berichterstattung rund um die Schmähgesänge auf Fußballer Timo Werner, die sehr hoch gehängt wurden. Wie nehmen Sie das wahr, was da passiert und wie schmal ist der Grat zwischen dem, dass man das als Sport begreift, aber gleichzeitig ist dieser Party-Aspekt ja total vorhanden?

Der ist da. Und er ist auch ein Teil der Schwierigkeit der Spieler. Das ist ja etwas, dass es in keinem anderen Mental-Sport gibt, dass da so eine wilde Horde vor der Bühne steht. Für den Darts-Spieler gibt es einen perfekten, mentalen Zustand, den er zum Beispiel im Training erreicht. Deshalb spielen die am Trainingsboard noch besser als auf der Bühne. Die müssen also diesen ganzen Widerständen standhalten. Es gibt so viele Momente, die dich aus dieser perfekten Zone rausreißen können. Das kann eine Aufnahme des Gegners sein, aber auch die Fans. Bei der letzten WM hatten wir das bei einem Nordiren, der sich über Buhrufe der Fans beschwert hat. Ein Kardinalfehler! Er hatte sofort die Fans gegen sich und kann das Match kaum noch gewinnen. Die Fans sind auch eine Schwierigkeit für die Profis selbst. Ich fand das mit den Gesängen auch etwas zu hoch gehängt. Erstmal finde ich bemerkenswert, dass überhaupt so viele deutsche Fans in den Ally Pally kommen. 2004 oder 2005 waren das nur vereinzelte. Das findet erst seit der Übertragung der letzten Jahre statt. Ich finde die Gesänge über Timo Werner auch nicht gut, aber ich hab auch schon noch dusseligere Fangesänge gehört in anderen Sportveranstaltungen gehört. Ich halte das für nicht so dramatisch. Dass dieser Grat davon, wie sehr man den Sport inszenieren darf, und darum geht es im Endeffekt, schmal ist, ist ja nichts Neues. Ich bin so ein bisschen zwiegespalten. Man darf das natürlich nicht übertreiben. Das ist ja kein Wrestling. Aber auf der anderen Seite ist Darts so puristisch und ein solcher Kontrast zu alldem, was es sonst gibt, dass es gar nicht überinszeniert werden kann. Man nimmt drei Darts, stellt sich an die Linie und wirft auf das Board (lacht). Aber trotzdem: Es ist wichtig, dass es eine Sportveranstaltung ist. Aber auch der Veranstalter, der Verband PDC, hat begriffen, dass das andere dazu gehört. Man hat ja auch den Vergleich mit der WM der BDO, die British Darts Organisation, die immer direkt nach der PDC-WM kommt. Die sind eher in den 80ern stehen geblieben. Die haben immer das gleiche Bühnenbild und ohne Fangesänge, eine komplett andere Veranstaltung und für den Zuschauer bei Weitem nicht so attraktiv wie das was die PDC da macht. Die Party ist also einfach ein Teil davon. 

Hat das vielleicht auch damit zu tun, dass im Darts die Protagonisten auf der Bühne auch genauso gut vor der Bühne stehen könnten? Quasi Menschen wie Du und Ich...

Genau. Die Formulierung kommt aus dem Darts-Sport (lacht). Das ist mit Sicherheit ein ganz großer Faktor. Die Identifikation ist enorm groß. Aber nicht nur der Punkt, dass der Spieler vor der Bühne stehen könnte, sondern auch andersrum. Das man als Fan auch da oben stehen könnte, das ist ja sogar noch reizvoller. Der sieht nämlich genauso aus wie ich. Der hat auch keinen perfekten Körper. Das ist kein Christiano Ronaldo, mit dem man sich gar nicht auf eine Stufe stellen kann. Diese Identifikation spielt eine zentrale Rolle. Als ich damals mit Darts angefangen habe, das schreibe ich ja auch im Buch, bin ich zur Darts-Bundesliga gefahren. Da stehen zehn Boards nebeneinander und man sieht als Zuschauer kaum was. Aber ich bin trotzdem hängen geblieben, weil ich von dieser Darts-Begeisterung so beeindruckt war. Die lieben ihren Sport. Vielleicht liegt es auch daran, dass die lange Zeit für diese hohe Identifikation aufgelacht worden sind. Aber irgendwie ist da eine ganz enge Verbindung zwischen Spielern, Fans und ihrem Sport. 

Lassen Sie uns noch über Ihren neuen Job reden...

Gerne. 

Sie haben grade die Nachfolge von Frank Buschmann bei „Schlag den Star" angetreten, weil der Kollege zu RTL und Sky wechselt. Inwieweit sind das jetzt große Fußstapfen, wenn man natürlich mal davon absieht, dass jeder Kommentator natürlich seinen eigenen Stil hat, aber Buschi die Sendung mit seiner Art und Weise schon beeinflusst hat?

Der Buschi hat letztlich einen neuen Berufszweig mit erfunden, auch wenn er gar nicht der Erste war, der das so gemacht hat. Es gab ja bei „Schlag den Raab" schon andere vor ihm. Aber offensichtlich war das damals noch eine Begleitung. Ja, der Buschi ist halt, und vielleicht ist das auch die Parallele zwischen uns, einfach Echt und ein Typ. Der Fan nimmt das, glaube ich, bei uns so wahr. Wir sind wie wir sind und lassen uns da nicht verbiegen. Ich kommentiere beim Darts ja auch nicht so wie der klassische Sportkommentator das tun würde. Das ist auch keine Masche gewesen. Das ist so passiert, weil ich so bin, wie ich bin und das Event so wahrgenommen habe. Das sind aber große Fußstapfen, denn ich bin anders als der Buschi und werde das auch anders angehen als er, aber ich hoffe natürlich trotzdem, dass ich diese Spiele so begleiten kann, dass der Zuschauer mich wahrnehmen wird. 

Bereiten Sie sich auf die Aufgabe vor? Treffen Sie sich mit Buschi auf einen Kaffee?

Ich hab mit ihm noch nicht gesprochen. Vielleicht ruf ich ihn mal an. Aber eigentlich brauch ich das gar nicht. Ich mache es ja nicht so, wie er es macht. Neben den Spielen, der Unterhaltung und der Emotion ist es für mich eine coole Möglichkeit, dass ich die Stars vielleicht etwas anders und neu darstellen kann. Ich bereite mich gut auf die Stars vor und werden deren Lebensläufe sehr gut kennen. Und dann in entsprechenden Situationen interessante Aspekte aus dem Leben miteinfließen lassen, um vielleicht auch beschreiben zu können, wie es dem Kerl da unten grade geht. Das hab ich mir ein bisschen vorgenommen. Ich will, dass die Leute ausschalten und hinterher sagen: "Mensch, der Kretsche, das ist ein richtig cooler Typ, das habe ich gar nicht gewusst." Das soll auch passieren. Neben all der Unterhaltung. Es geht natürlich darum, dass wir da alle Spaß haben und es spannend wird. Das fasziniert mich ja sowieso, diese Eins-gegen-Eins-Situation. Übrigens: Vor vier, fünf Jahren haben wir in so einer Achter-Gruppe auch so Abende gemacht. Sechskampf, Bowling, Billiard, Dart und sowas. Ich hab da also richtig Bock drauf. Diese kleinen Spiele, in denen es plötzlich um richtig viel geht. Da spielt die Psyche eine immense Rolle. Wo man erkennt, was Druck mit Menschen macht. Für mich ist eine der Szenen bei „Schlag den Raab" damals, als dort ein Zweit- oder Drittliga-Fußballer zu Gast war. Der musste den Ball in einen riesigen Kreis schießen und man sitzt da und denkt, dass der den gar nicht verfehlen kann. Da ging es aber um eine Million und der haut das Ding vorbei. Da siehst du, was Druck mit dir macht. Das fasziniert mich ja auch im Darts oder beim Tennis. Das begeistert mich. Wenn ich also mit Buschi spreche, dann eher darüber, wie das da so abläuft oder so. Wie er kommentiert weiß ich und ich mache das einfach anders. (Lacht). 

Lassen Sie uns den Kreis schließen. Wenn man, wie wir zu Beginn des Interviews, festgestellt hat, eine Identifikationsfigur für einen Sport ist. Was hat man dann als Kommentator noch für Ziele? Gibt es noch Veranstaltungen für die sie "Van Gerwen gegen Anderson" stehen lassen würden?

(Überlegt). Die Frage ist gut. 

Vielleicht sind Sie auch einfach wunschlos glücklich?

(lacht) Im Sinne: Ich bin schon angekommen. Ne, so empfinde ich das ehrlich gesagt auch nicht. Früher wäre es das Wimbledon Finale gewesen, aber das durfte ich ja auch schon machen. Vielleicht die Olympischen Sommerspiele. Dieser olympische Geist, der Grundgedanke, auch wenn der heute nicht mehr so gelebt wird, ist was ganz Feines. 

Herr Paulke, vielen Dank für das unterhaltsame Gespräch und wir freuen uns auf ihre Lesung in Trier im Mergener Hof.

Foto: Jan Haas


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