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16.01.2017 Vincenzo Sarnelli Vincenzo Sarnelli
Chris Tall in der Arena Trier

Darf er!

​Gestern, am 15.01.2017, gastierte Stand-Up Comedian Chris Tall mit seinem Programm „Selfie von Mutti“ in der Arena Trier. Der 25-Jährige ist mit einem Auftritt bei TV Total bekannt geworden, bei dem er mit der Frage „Darf er das?“ den Bruch von Tabus in der Comedy thematisiert. Gestern bewies er in erster Linie eines: Improvisation ist Gold.

 
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​„Darf er das?“. Diese Frage wurde für Chris Tall zu einem zentralen Inhalt seines Schaffens. Die Kernthese, stark verkürzt: Alle Menschen sind nur dann gleich, wenn man über sie lachen kann. Chris Tall nennt das in seinem Programm „sich auf Augenhöhe“ befinden, auch wenn das, wie er konstatiert, mit „Rollstuhlfahrern eher schwierig ist“. Das Publikum lacht. 

Es ist schon interessant. Das Credo an sich ist sicher kein Neues. Künstler wie Serdar Somuncu („Jede Minderheit hat das Recht auf Beleidigung“) oder Moritz Neumeier vertreten diese Sichtweise schon lange. Was ihnen Chris Tall jedoch voraus hat, ist ein Duktus, der im Mainstream ankommt. Die Zielgruppe ist klar: Junge Menschen. Auch wenn gestern mal hier mal da Mittvierziger sitzen, vermutlich Eltern, ist das Publikum ziemlich jung. Der Comedian spricht ihre Sprache: Macht Witze über Selfie knipsende Muttis, Instagram-Bitches und Übergewichtige. So wird er beispielsweise nicht müde, zu betonen, dass er selbst dick ist. Ein Zeichen an alle, dass er so, wie er sich über andere lustig macht, eben auch über sich selbst lachen kann. So klar, so berechenbar. 

Chris Tall hat seinen ersten Auftritt übrigens 2011 in Trier beim hiesigen Comedy Slam gehabt. 2012 konnte er selbigen sogar gewinnen. Damals wie heute ist seine größte Stärke jedoch nicht das Programm und damit die festgeschriebenen Pointen, sondern die Improvisation, also dann, wenn er mit dem Publikum agiert. Der Hamburger ist sympathisch und schlagfertig und man merkt ihm an, dass er sich richtig freut, wenn aus dem Publikum Pöbeleien und Frotzeleien zu seiner Person kommen. „Abende sind dann richtig gut, wenn das ganze nicht wie in einem Vortrag endet, sondern sich ein Dialog entwickelt“, sagt er deshalb am Ende. In Trier hat er da leichtes Spiel. Hier ein Witz über die „Assis aus dem A1“, und da eine Frotzelei mit den Rollstuhlfahrern in der ersten Reihe. Chris Tall beherrscht die Klaviatur, wie man das Publikum auf seine Seite zieht. Vor allem junge Leute. 

Doch manchmal kommt es eben auch anders. So erzählt er in Trier auf der Bühne von einer Begebenheit, bei der seine Witze bei einem betroffenen Rollstuhlfahrer gar nicht gut ankamen. „Ich will niemanden verletzen“, betont er und zeigt damit auf, wie schmal der Grat manchmal ist zwischen Comedy und Spötterei. Der 25-Jährige beschreitet ihn jeden Tag aufs Neue, wenn er die Bühne betritt. So ist er vielleicht nicht der Erfinder des „Darf er das?“, aber zumindest ein Verfechter davon, dass Lachen die Menschen vereint, vor allem dann, wenn jeder über sich selbst genauso lachen kann, wie über alle anderen. 

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