Stadtgespräch
24.07.2018 Sina Steiner Julia Nemesheimer
Chibi-ya - Eva Leibowitz

"Wir sind erwachsen geworden"

​​Wer frische und authentische japanische Küche mag, sollte im Chibi-ya in der Glockenstraße vorbeischauen. Inhaberin Eva Leibovitz und ihr Team bieten seit mittlerweile über fünf Jahren klassische japanische Gerichte an. Deswegen haben wir von hunderttausend.de uns mit der Japanologin getroffen und durften mehr über die Entwicklung des Geschäfts sowie ihren Weg in die Selbstständigkeit erfahren.

 
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hunderttausend.de: Du hast fünfjähriges Jubiläum habe ich gelesen, erstmal Glückwunsch dazu! Magst du vielleicht einmal Bilanz ziehen? Wie war es von der Uni direkt in die Selbständigkeit zu gehen?

Eva Leibovitz: Es war eigentlich ein ziemlich langer Weg, mit viel Auf und Ab. Ist es auch immer noch, jeden Tag aufs Neue. Wir haben nebenan relativ klein angefangen. Das war einfach der Traum aus meinem Japanaufenthalt, es genauso wie dort zu machen: ganz kleine Karte, kleine Theke und so weiter. Das hat auch ganz gut geklappt und mit der Zeit hat man dann gemerkt,  dass man sich ein bisschen auf die Leute hier einstellen muss. Man kann es nicht eins zu eins übernehmen. Eine kleine Karte reicht nicht, es müssen noch ein, zwei Dinge dazu.
Nach etwas über vier Jahren ist nebenan freigeworden. Da es schon fast für unsere Zwecke eingerichtet war, haben wir es gewagt und ein zweites Geschafft eröffnet, um dann neben den Reisgerichten auch noch Ramen anzubieten. Dafür haben wir Crowdfunding gemacht, sodass sich Interessierte schon mal Gutscheine kaufen konnten und wir eine Finanzierung für die Renovierungen hatten. Hinterher konnten sie ihren Gutschein dann in Ramen einlösen. Also eine Leihgabe auf kurze Zeit, die in Essen eingelöst wurde.
Beide Läden erwiesen sich jedoch organisatorisch schwieriger als gedacht. Zunächst gab es in einem Laden nur Ramen, in dem anderen Reis, das hat nicht funktioniert, da die Leute zusammensitzen wollten. Auch ein Hin und Her war nicht optimal, sodass wir uns dann auch aus finanziellen Gründen dazu entschlossen haben, ganz in den neuen und größeren Laden zu gehen. Aber dann auch mit beiden Gerichten. Hier können mehr Leute sitzen und es ist besser für größere Gruppen.

War es dann für dich eine schwere Entscheidung oder bist du da pragmatisch?

Ich bin da nicht so nostalgisch. Man macht immer das, was am meisten Sinn ergibt und wenn man merkt, dass es so nicht läuft, muss man etwas ändern. Sonst bleibt man auf der Strecke, gerade wirtschaftlich gesehen. Deshalb sind wir jetzt hier und haben uns auch ein bisschen geupgraded, also auch vom Stil nicht mehr ganz klein. Das ist alles Gemeinschaftsarbeit gewesen, von Freunden, dem Team und mir selbst. Wir hatten nur acht Tage uns einzurichten, das war ein strammes Programm. Die Zielgruppe ist natürlich die gleiche geblieben, man soll sich wohlfühlen und authentische Gerichte essen können. Aber wir sind erwachsen geworden, sag ich mal.

Würdest du sagen, du bist jetzt angekommen in der Selbstständigkeit? Bist du tougher oder erwachsener geworden?

Letzteres auf jeden Fall. Aber in der Selbstständigkeit ist nie ein Punkt wo man sagt: Ich bin jetzt safe. Gerade Kleingastronomie, das ist ein Pflaster, da kann man jeden Tag vom Löwen
gefressen werden. Es ist schon eine schwere Sache, die Steuern sind schwierig, die Kosten sind enorm hoch für das, was man leisten muss. Also ich würde es keinem empfehlen ehrlich gesagt. (lacht) Das ist natürlich ein hartes Urteil, mir macht die Arbeit auch Spaß, sonst wäre es total sinnlos. Aber es ist nicht so, dass ich damit jetzt ausgesorgt habe, wenn ich das mein Leben lang weitermache. Es ist immer ein Prozess. Den Punkt, an dem man sagt, so läuft es und so mache ich für immer weiter, gibt es nicht. Man muss stetig ein bisschen auf Trends eingehen und überlegen, wie man es ausgleichen oder anders machen kann, wenn es irgendwo hakt. Flexibilität ist ganz wichtig!

Hast du denn schon bestimmte Zukunftspläne, wenn du von Trends sprichst?

Nee, nicht mehr wirklich. Dadurch, dass sich sowieso immer alles so verändert, wie man es nicht erwartet, ist das Ziel eigentlich nur auf diese Veränderungen so einzugehen, dass wir damit zufrieden sind und jetzt erstmal auf einen stabilen Fuß kommen. Der Umzug ist noch nicht ganz abgeschlossen, da haben wir noch ein paar Sachen abzuarbeiten, damit wir eine solide Grundlage schaffen. Wichtig ist, dass es mit dem Team gut klappt, gerade mit den neuen Abläufen, das braucht mitunter etwas Zeit.

Wie sieht so ein Ablauf aus, wenn du beispielsweise ein neues Gericht aufnimmst, wie in dem Fall Ramen, besprichst du das vorher im Team oder entscheidest du das allein? Ich habe gelesen, dass du die Rezepte raussuchst und dann das Team anlernst?

Genau, also prinzipiell schon. Immer wenn ich eine Idee habe, mache ich für mich ein Probekochen. Alle die da sind, müssen dann mitessen und entscheiden, taugt das was, glaubt man, dass es ankommt und schmeckt es so, wie man es aus Japan kennt? Viele aus dem Team waren schon mal dort und wir haben auch einen Japaner im Team, der kennt sich natürlich aus. Dann wird abgewogen, ob es ins Konzept und in den Ablauf passt, da wir eine relativ kleine Küche haben. Am sinnvollsten ist es danach das Gericht als Special für eine Woche auf die Karte zu bringen und direkt das Feedback von den Leuten zu bekommen. Das klappt dann ganz gut!

Du hast Japanologie und Philosophie studiert und hattest schon auf der Webseite der Uni Trier in deinem Fachbereich in der Kategorie Alumni & Karriere ein bisschen deinen Weg erzählt. Was ich dabei aber vermisst habe, war die Frage, ob das japanische Kochen oder auch Kochen allgemein schon einmal in irgendeinem Punkt von Interesse war?

Eigentlich gar nicht, komischer Weise (lacht). Ich esse sehr gern, da kommt das mit dem Kochen von allein und im Vergleich mit Japan habe ich mich immer gefragt, wieso gibt es das bei uns eigentlich nicht. Das kann doch nicht so schwer sein. Und so war es dann auch. Also bei den Japanern, die ich kenne, ist es typisch, dass die Frau zuhause lernt wie man kocht. Das ist dort in der Tradition verankert. Dort konnte ich auch als Austauschstudentin fragen, wie geht das, was muss man da machen? Das wussten alle, es ist dort das kleine 1x1 im Alltag. So war es relativ einfach es mir durch Freunde und Geschmackstest selbst anzueignen. Schließlich habe ich das alles selbst schon mal gegessen und wenn ich es dann probiere, weiß ich wie es richtig schmeckt. Es gibt zudem auch japanische Kochseiten, wie bei uns Chefkoch. Daraus kann man Rezepte vergleichen.

Bist du dann in deinem Studium schon mehr damit in Berührung gekommen und konntest dich mit der japanischen Küche auseinandersetzten?

Im Studium nicht direkt, aber ich war auch in der Fachschaft und dort hatten wir etwas organisiert das nannte sich Kochtandem. Wir haben Gruppen gebildet, die einmal die Woche zusammen gekocht haben. Es gab im wöchentlichen Wechsel  deutsche und japanische Gerichte, die dann gemeinsam gekocht wurden. Das war über das Semester verteilt, bis einmal jeder in der Gruppe dran war. Eine ziemlich coole Idee. Vor allem mit den japanischen Austauschstudenten, ist es so, wenn etwas zelebriert wird, dann wird gekocht, etwa zu Geburtstagen, Feiern oder bei Abschieden. Das hat irgendwie immer dazu gehört.

Gab es für dich auch mal die Überlegung nach Japan zu gehen?

Eigentlich nicht. In Japan ist der Alltag ziemlich hart, die Arbeitszeiten, keine Freizeit, kein Leben. Das ist so der Eindruck, den ich dort gewonnen habe, weil die Leute von morgens bis abends arbeiten. Freunde von mir fliegen von Japan nach Deutschland für gerade einmal vier Tage, weil sie nicht mehr Urlaub bekommen. Das geht für mich nicht. Ich habe Freunde, die nach dem Studium dorthin ausgewandert sind, aber für mich wäre das nicht das Richtige. Ein bisschen Leben muss man auch neben der Arbeit.

Hattest du dann ein bestimmtes Berufsziel als du Japanologie für dich ausgesucht hast?

Gar nicht, nein. Ich musste nach dem Abi entscheiden was ich mache und ich hatte ein bisschen Japanisch an der Abendschule gelernt und dachte ich guck einfach mal. Philosophie war dann auch einfach Interesse.

Schaffst du es noch regelmäßig nach Japan?

Die letzten Jahre leider nicht, aber Ende dieses Jahr steht eine Reise an. Mein Freund macht zur Zeit ein Austauschjahr dort und dann muss ich ihn besuchen! Er war auch mit dabei, als ich mich entschieden hatte Chibi-ya zu eröffnen und hat von Anfang an geholfen. Er mag das Essen und die Kultur genauso wie ich. Mittlerweile studiert er sogar Ostasienwissenschaften und BWL, also International Business, was natürlich jetzt hilfreich ist. Doch ganz am Anfang standen wir quasi ohne Plan da, dass andere hat sich erst daraus so ergeben.

Das macht die Entwicklung ja so spannend, dass du dich getraut hast direkt aus dem Studium in die Selbstständigkeit zu gehen. Das verlangt schon Selbstbewusstsein, oder?

Also es ist immer noch so ein unsteter Punkt, dass ich nicht weiß: wo lande ich wann mal, wie lang mache ich das noch. Einfach ein bisschen in den Tag hineinleben und gucken was passiert. (lacht) Der Laden ist ja da und wenn man heute merkt, es hat eine Trendwende gegeben, dann ändert man was. Oder ich wache morgen auf und habe keine Lust mehr - was im Moment nicht geht, ich muss erst bei der Bank abbezahlen – aber man kann sich immer noch umentscheiden. Das ist auch meine Antwort, wenn mich Leute fragen, ob ich Angst hätte, da es so risikoreich sei. Man kann immer aufhören. Auf eine Art und Weise geht es immer, die eine Entscheidung ist nicht fest für das Leben. Sonst hätte ich auch Angst davor gehabt.


Öffnungszeiten:

  • montags bis samstags: 11:30 Uhr bis 21:00 Uhr
  • sonntags: geschlossen


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