Interviews
01.05.2016 Julia Nemesheimer Veranstalter
Carsten Neß Interview

Der Regio-Krimi lebt

​Im April 2016 erschien der dritte Kriminalroman von Carsten Neß. "Hunsrück Blues" heißt der neue Fall von Kommissar Buhle und der führt ihn nicht nur in die Tiefen des Hunsrücks, sondern auch in die Vergangenheit. hunderttausend.de hat sich mit dem Autor unterhalten. 

 
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​hunderttausend.de: Ihre Autoren-Laufbahn begann, nachdem Sie einen Literaturwettbewerb gewonnen haben. Wie sind Sie auf die Ausschreibung des Emons Verlages aufmerksam geworden - und warum haben Sie sich entschlossen, mitzumachen?

Carsten Neß: Der Artikel beim Kooperationspartner Trierischer Volksfreund hat mich auf den Krimiwettbewerb vor fünf Jahren aufmerksam gemacht. Für mich war dies der Anstoß, den lange gehegten Gedanken, das Schreiben zu probieren, in die Tat umzusetzen.

Gab es einen großen Druck, nach dem Debüt nachlegen zu müssen oder ist es Ihnen eher leicht gefallen, einen neuen Fall für Kommissar Buhle zu finden?

Nach dem Erfolg mit dem Debütroman war ich tatsächlich unsicher, ob es noch einmal gelingen könnte. Zudem wollte ich gerne zeitnah "nachlegen". Beides hat auch einen gewissen Druck erzeugt. Buhles zweiten Fall zu konzipieren, war aber kein Problem. Es gibt ja sooo viele Möglichkeiten in unserer Region kriminell zu sein (lacht). 

Wo kommen Ihnen die besten Ideen und gibt es die perfekte Atmosphäre fürs Schreiben? Das alles neben Ihrem eigentlichen Beruf als Landespfleger, Familienleben und sonstigen Verpflichtungen unter einen Hut zu bekommen, dürfte nicht so leicht sein.

Die Ideen kommen eigentlich zu jeder Zeit und an jedem Ort. Es ist häufig nur ein Problem, sie festzuhalten, wenn die Beschäftigung gerade eine andere ist.

Es ist wahrlich nicht einfach, einen Roman – und dazu zählt alles von der Idee über den Plot, das Schreiben selbst, das Lektorat, die Lesungen und die Öffentlichkeitsarbeit – zu realisieren, wenn die Zeitfenster dafür nur abends, an Wochenenden oder in wenigen Urlaubswochen aufgehen. Deshalb habe ich dieses Jahr auch eine Auszeit von meinem Beruf genommen (Sabbatjahr). Vielleicht finde ich dabei auch meine perfekte Atmosphäre fürs Schreiben.

Worauf legen Sie besonderen Wert, wenn Sie sich an ein neues Projekt setzen?

Ich versuche, eine Geschichte zu erzählen, die sowohl mir Spaß macht, als auch meinen Lesern gefallen könnte. Ist die Idee da, gilt es, Handlungsorte und Hintergrundwissen sorgfältig zu recherchieren. Besonders wichtig ist es mir dann, den Charakter der einzelnen Protagonisten zu entwickeln.

Der dritte Roman über Kommissar Buhle, der Sie seit 2011 (und natürlich seit der Schreibphase für Band 1) begleitet. Was mögen Sie an Ihrem Charakter bzw. den wiederkehrenden Figuren?

Ich wollte meinen Kommissar einen anderen Weg gehen lassen, als es häufig in Krimiserien der Fall ist. Er ist zu Beginn der zurückgezogene, unnahbare Mensch und darf sich während der Romane langsam wieder dem Leben öffnen und zuwenden. Dazu bedarf es seinen persönlichen (Frauen‑)Geschichten neben der eigentlichen Handlung.

Ich selbst mag es beim Lesen auch, wenn sich die Personen in den Serien weiterentwickeln, wenn sie ein Leben neben der Verbrecherjagd führen. Die Figuren werden einem dadurch vertraut und es ist die Spannung neben der Spannung, die mich auf den Fortgang ihrer Lebensgeschichte, und somit auch auf den nächsten Roman, neugierig werden lässt.

Gibt es auch Seiten, die Sie absolut nicht nachvollziehen können?

Nachvollziehen kann ich alles, was meine Figuren tun. Sie sollen genauso wie die Handlungen ja auch für den Leser stimmig sein. Das bedeutet natürlich nicht, dass ich selbst immer so wie meine Kommissare handeln würde. Die dürfen ruhig ein Eigenleben führen.

Überrascht es Sie im Schreibprozess manchmal, wie sich die Figuren entwickeln oder ist das von langer Hand geplant?

Die Figuren und auch die Handlung entwickeln sich beim Schreiben stetig weiter. Genau das macht auch unheimlich viel Spaß. Es kommen immer wieder neue Ideen, die ich auch spontan umsetze. Ich hätte am Ende des zweiten Falls sicher nicht daran gedacht, dass ein Michael Reuter, Buhles Partner im dritten Roman, plötzlich zur Gitarre greift und sich auf ein flippiges Mädchen einlässt.

Sie sprechen in Ihrem Roman auch aktuelle Änderungen in Trier an, speziell jetzt das Theater - war das Ihnen ein Anliegen, damit noch mehr Identifikationsfläche für den Leser zu schaffen oder gab es dafür einen anderen Grund?

Der Regio-Krimi lebt davon, dass die Einheimischen ihre Stadt, ihr Dorf oder ihre Landschaft wieder erkennen oder dass Außenstehende neue Regionen für sich entdecken können. Dazu gehört für mich auch, das gesellschaftliche oder politische Leben in der Region möglichst authentisch zu beschreiben, Klischees aber zu vermeiden. Das sind zum Beispiel die früheren Arbeitsbedingungen der Trierer Kripo, der Bitburger Flughafen oder die Wandlung des Nato-Munitionslagers in Morbach zur Energielandschaft. Die Probleme und Veränderungen im Theater haben mich sehr bewegt, weil ich dort selbst regelmäßig Aufführungen in allen Sparten besuche. Meine Figur Steff Brodersen gab es bereits, als die Existenzberechtigungen einzelner Bereiche im Theater heiß diskutiert wurden und sie muss logischerweise nun auch mit dem Wechsel des Intendanten zurechtkommen. So ist das Leben.

In Ihrem Interview bei der Landesschau meinten Sie, dass Sie bestimmt keinen Liebesroman schreiben würden - aber verflochten in die Geschichte sind definitiv schon Ansätze einer Love-Story. Warum haben Sie das Genre Kriminalroman für sich entdeckt und sind auch dort geblieben?

Liebe als alleiniger Handlungsstrang würde mir nicht liegen. Liebe als Bestandteil des Lebens meiner Protagonisten ist hingegen ganz wichtig und ein wenig die Würze in deren Leben. Kommissar Buhle entdeckt nach Jahrzehnten wieder Gefühle für andere Menschen, ist darüber sehr verwirrt und muss lernen, sie an sich heranzulassen. Das ist doch unheimlich spannend, wie er das schafft. Seinem Kollegen Paul Gerhardts ist hingegen seine lange Beziehung zu seiner Frau so wichtig, dass er dafür auf Karriere verzichtet hat. Seine Liebesbotschaft ist mir mindestens genauso wichtig, auch wenn sie nur nebensächlich erscheint.

Warum Krimi? Es war ein Krimiwettbewerb, der mich zum Schreiben gebracht hat. Es macht Schreiben spannend – und schwierig – Fälle zu entwickeln, die in sich stimmig sind. Das heißt aber nicht, dass ich immer nur über Mord und Totschlag schreiben möchte. Leben ist auch außerhalb von Verbrechen aufregend, schwierig, emotional und zum Nachdenken anregend. Wenn ich mich morgen an einen neuen Roman setzen würde, wäre es kein Krimi.​

Hunsrück Blues - Kriminalroman. 320 Seiten, broschiert​, Emons Verlag; 

Preis: 11,90 Euro; ISBN 978-3-95451-799-2​.

Die nächste Lesung des Autoren findet am 08. Mai 2016 um 11:00 Uhr im Café Pause in Hinzerath statt. ​

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