Interviews
02.10.2015 Vincenzo Sarnelli Veranstalter
Felix Schönfuss von Adam Angst

"Die Bühne ist Ventil"

​Felix S​chönfuss (Bild: zweiter von Rechts) sagt man nach, dass er schlecht gelaunt ist. Deshalb beginnt unser Interview mit ihm auch etwas unkonventionell. Geführt haben wir es, weil er mit seiner Band Adam Angst am 06. Oktober zusammen mit der Kölner Band KMPFSPRT im Mergener Hof zum gemeinsamen wütend sein einlädt. Wir sprechen mit ihm aber auch über den Erfolg des Albums und seinen Drummer Joe, den einige noch kennen dürften. ​

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​hunderttausend.de: Hey Felix, wenn man „Adam Angst Interview“ googelt, dann betonen die ersten beiden Treffer wie schlecht gelaunt du bist. Was ist denn los?

Felix Schönfuss: Das geht dich überhaupt nichts an.
 
Jetzt mal im Ernst. Du hast mal gesagt, dass die Musik eine der Sachen ist um deine Emotionen und deine Wut auszuleben. Bist du auf der Bühne ein anderer Mensch?
 
Ja, ganz bestimmt. Wobei ich auf der Bühne natürlich eher Spaß habe, statt meine Wut auszuleben. Das kommt dann beim Schreiben der Songs eher zum Tragen. Doch die Bühne ist einfach eine Art Parallelwelt, in der man das sein kann, was man möchte. Jeder Mensch braucht sowas in irgendeiner Form, sonst wird man depressiv. Andere spielen halt „World of Warcraft“.
 
Hast du deshalb dann auch die Figur „Adam Angst“ geschaffen?
 
Ja. Zumindest habe ich das getan, weil ich frei war und tun konnte, was ich wollte. So sehr man mir ja auch nachsagt, „Punkmusik“ zu machen, habe ich mich nie dem Faktor Unterhaltung verwehrt. Ich persönlich fand es schon immer spannender, Bands wie „Rammstein“ live zu sehen statt „The Gaslight Anthem“ oder so. Ich wollte den Leuten ein Gesicht dazu geben, das sie interessant oder eben scheiße finden können.
 
Wer ist denn dieser Adam Angst? Was macht ihn aus?
 
Adam Angst hat genau die selben Stärken und Schwächen wie wir alle, bei ihm nur eben sehr kontrastreich und extrem als die „gute und die böse Seite des Menschen“ dargestellt. Beim Schreiben hat mich am meisten der innere Zwiespalt beeinflusst – das, war man versucht, nach außen darzustellen und was dahinter liegt. Das findet man auch in jedem Text des Albums wieder.
 
Wie oft ertappst du dich in deinem Alltag dabei, auch mal lieber den „Adam Angst“ raus hängen zu lassen?
 
Wenn du die „böse Seite“ damit meinst: So gut wie nie. Das ist ja das Schöne daran: Die Bühne und das Songwriting sind das Ventil.
 
Eure Platte ist jetzt ein halbes Jahr draußen. Wie würdest du das letzte halbe Jahr für euch beschreiben?
 
Ereignisreich. Wir haben alle wahrscheinlich noch nie so viele Dinge in einer derart kurzen Zeit „zum ersten Mal“ erlebt. Man hatte ja erstmal keine Erwartungen. Aber so langsam ist man körperlich auch etwas im Arsch. Schließlich geht der Großteil der Freizeit für die Musik drauf.
 
Die Platte wurde mal als „wichtigstes Punk-Album“ bezeichnet „ohne Punk zu sein“. Ist die Zeit der Genres vorbei?
 
Ich weiß zwar nicht, wer das geschrieben hat, aber die Zeile gefällt mir. Ich wollte mich von dem lösen, was heutzutage als „Punk“ bezeichnet wird, zumindest musikalisch. Die Texte sollten weiterhin unmissverständlich und kritisch bleiben, doch die Musik sollte die Grenzen sprengen. Im Rap gibt es diese Ko​mbination schon lange, doch bei Gitarrenmusik habe ich das Gefühl, dass es immer nur die beiden Seiten gibt: Entweder „Scheiß Bullen, Scheiß Staat“ oder „Deine Wahrheit spiegelt sich in den Pfützen dieser Stadt“ oder so. Genres werden es bestimmt immer schwerer haben, da die musikalische Vielfalt nicht aufzuhalten ist. Doch ohne Schubladen und Referenzen wird es trotzdem nicht gehen. Entweder werden einfach neue Genres erfunden oder man sagt einfach sowas wie „Klingt wie Band XY“.
 
Der Song „Professoren“ behandelt das, was man heute den „guten, deutschen Bürger“ nennt. Heute stehen diese nicht mehr nur an der Imbissbude sondern vor Heimen für Geflüchtete. Was geht in dir vor, wenn du heute die Nachrichten liest? Fühlst du dich bestätigt?
 
Der Song geht auf ein spezielles, persönliches Erlebnis von mir zurück und war letztlich nur eine Abrechnung mit zwei bestimmten Personen. Trotzdem ist er natürlich so geschrieben, dass er auf jeden „Kartoffeldeutschen“ anzuwenden ist. Ich fühle mich damit nicht bestätigt, denn das alles ist leider in diesem Jahr mehr als übertroffen worden: Pegida, Hogesa, Angriffe auf Flüchtlingsheime und eine noch nie so derart entfesselte und schamlose Hetzkultur im Internet. Ich habe mich gefragt, ob die wirklich alle schon immer da waren und sich jetzt nur aus ihren Löchern trauen? Oder sind die meisten vielleicht nur ganz plötzlich verblödet? Ich glaube, beides. Da sind die Leute, die einfach unüberlegt Meinungen von anderen Idioten teilen, die irgend einen Schwachsinn ins Netz stellen. Da sind Leute, die wirklich Angst haben, weil sie es einfach nicht besser wissen. Da sind die organisierten Nazis. Da sind die rechtsoffenen Trottel, die in erster Linie an Gewalt interessiert sind. Da sind die desorientierten Konservativen aus der riesigen Grauzone, die sich selbst nur „Asylkritiker“ nennen wollen. Am Ende zwar alles eine Soße, aber diese ganzen Gruppierungen befeuern sich gerade gegenseitig. Was in mir vorgeht? Scham, ein bisschen Angst, doch vor allem Wut. Aber wir sind immer noch in der absoluten Überzahl. Und das müssen wir denen auf der Straße zeigen.
 
Splitter von Granaten ist auch ein sehr kritischer Song, der sich mit der Situation der Welt auseinander setzt. Ist es eigentlich Hoffnungslos? Glaubst du noch an die bessere Welt?
 
Zumindest glaube ich, dass unsere Gesellschaft ganz automatisch irgendwann K.O. gehen wird, so lange Geld, Fremdenhass und Egoismus vorherrschen. Doch die Frage wird sein, was danach passiert und ob wir dann überhaupt in der Lage wären, diese „Chance“ zu nutzen. Manchmal denke ich darüber nach, bis ich Kopfschwerzen kriege. Auf der einen Seite muss es ein System sein, das ohne Geld funktioniert, da dieses meiner Meinung maßgeblich für die meisten der genannten Probleme verantwortlich ist. Doch welches System auch immer man anstrebt, es bleibt eines, welches dann wieder durch eine gewisse Obrigkeit eingeführt und gesteuert werden muss. Und schon wären wir vielleicht wieder an einem Punkt, wo sich alles wiederholt, nur in einem anderen Gewand. Klar ist, dass Nächstenliebe, Respekt und Hilfsbereitschaft in den Köpfen der Menschen Einzug halten muss. Doch der Versuch, das zu erzwingen, ist natürlich der falsche Weg. Kann sich das also von selbst entwickeln? Können Menschen überhaupt aufwachsen, ohne Eigenschaften wie Missgunst oder Gier in sich zu tragen? Siehst du, so überlege ich die ganze Zeit hin und her. Jetzt habe ich wieder Kopfschmerzen, schönen Dank auch! Am Ende kann ich nur für mich selbst versuchen, den Menschen immer möglichst viel Höflichkeit und Respekt entgegen zu bringen. Ich beantworte die Frage also mit einem klaren „Jein“.
 
Wie geht es eigentlich weiter mit Adam Angst? Ihr zockt jetzt erstmal noch bis Mitte Oktober die Tour mit den Kollegen von KMPFSPRT. Und dann?
 
Dann spielen wir natürlich trotzdem noch weitere Auftritte, obwohl wir eigentlich längst gesagt haben, dass wir uns nach der Tour ein paar Monate zurückziehen wollen. Der Plan für das nächste Jahr ist aber, dass wir ins Studio gehen, um das zweite Album zu machen.
 
Apropos KMPFSPRT. Man könnte ja fast sagen, dass das auch so eine wütende Band ist. Passt es deshalb so gut zusammen?
 
Ich finde ja, das passt überhaupt nicht. Ich weiß auch gar nicht, warum wir zusammen auf Tour gehen. Das muss so eine Schnapsidee vom Management gewesen sein, so wie diese angebliche Beziehung von diesen Youtube-Affen. Und jetzt muss man sich auf facebook dauernd gegenseitig verlinken. Außerdem darf ich jede Woche nach Köln gurken, um mit denen in irgendwelchen Kneipen in die Handykamera zu grinsen: „Mit den Brudi’s von Adam Angst hart an der Tasse! Na das kann ja ne Tour werden!“ Höhöhö…
Das geht mir jetzt schon alles tierisch auf den Senkel.
 
Der Johannes Koster, euer Drummer, ist ja in der Region Trier groß geworden. Hat er schon eine kleine Stadtführung angekündigt?
 
Nein, hat er noch nicht. Jetzt können wir es aber wahrscheinlich auch nicht mehr verhindern, danke dir. Ich freue mich allerdings auch ein bisschen, wenn er nach vorne zum Fahrer geht und zum Bus-Mikro greift. Joe hat exzellente Entertainment-Qualitäten.
 
Vielen Dank für das Gespräch. Wir freuen uns auf das Konzert in Trier.
 
Danke dir, bis in Trier.​

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