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22.10.2013 16vor.de 16vor.de
Repair-Café

Wider das Wegwerfen

​Eine Stehlampe, deren Licht flackert, ein Spielzeugauto aus Holz mit abgebrochenem Rad oder ein Reißverschluss an der Lieblingsjeans, der sich schon seit Wochen weder vor- noch zurückzurren lässt - Dutzende Menschen kamen am vergangenen Samstag, den 19.10.2013, mit defekten, aber aus ihrer Sicht erhaltungswürdigen Haushaltsgeräten, Spielzeugen oder Kleidern ins Jugendzentrum Mergener Hof, um sich beim ersten Trierer Repair-Café helfen zu lassen.

 
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Am Anfang war das Surren. Erst nur manchmal, kaum hörbar. Kurze Zeit später wurde das beiläufige Geräusch zum störenden Rattern, jedes Mal, wenn die Nadel die Schallplatte berührte. Dann herrschte plötzlich Stille. Nicht einmal G.G. Anderson wollte der Plattenspieler noch wiedergeben. "Ich habe überlegt, das Gerät zum Fachmann zu bringen, war mir aber nicht sicher, wie viel das kosten würde." Vor einigen Monaten hat Besitzerin Olga Rapoport den Plattenspieler auf dem Sperrmüll gefunden, schnell hat sie das leise Kratzen und den besonderen Klang lieben gelernt. Doch fast genauso schnell hat das Gerät den Dienst verweigert, sie selbst wusste sich keinen Rat. Am vergangenen Samstag hat die junge Frau das stumme Schmuckstück deshalb ins Jugendzentrum Mergener Hof gebracht: In Triers erstem "Repair-Café" erhoffte sie sich kostengünstige Hilfe. 

"In einem ‘Repair-Café’ können die Leute ihre kaputten Gegenstände von freiwilligen Helfern gegen eine Spende reparieren lassen, Tipps erfragen oder bei Kaffee und Kuchen mit anderen ins Gespräch kommen", erklärt Julia Koch. Gemeinsam mit ihren Kollegen aus der Lokalen Agenda, dem Verein Transition Trier und dem Mergener Hof hat sie das Treffen geplant. 

Die Idee dazu stammt aus den Niederlanden: In Amsterdam eröffnete im Jahr 2009 das erste "Repair-Café". Hierbei geht es allerdings nicht nur darum, einen Raum zu bieten, in dem Laie und Fachmann zusammenkommen, um alten Geräten neues Leben einzuhauchen: "Ziel ist immer auch, dass das Bewusstsein der Menschen für den Wert der Dinge geschärft wird, weil sie eben nicht weggeworfen und durch neue ersetzt werden", sagt Koch. Außerdem könne so die Menge an Müll reduziert werden.

Mittlerweile gibt es "Repair-Cafés" auf der ganzen Welt, in Deutschland wurde 2012 in Köln zum ersten Mal gemeinschaftlich gefachsimpelt und geflickt. Nun also auch in Trier. Elf freiwillige Helfer – etwa Schreiner, Schlosser, Designstudentinnen – haben sich an diesem Samstag mit ihrem Wissen eingebracht, um nach kleinen und großen Problemen zu sehen: Nach der schlingernden Klinge des Lieblingsmessers, die zuviel Spiel im Holzgriff hat; nach dem Grund dafür, wieso die Kaffeetasse leer bleibt, obwohl die altgediente Maschine doch hörbar Bohnen mahlt und spürbar Wasser erhitzt; nach der marineblauen Jeans mit der gerissenen Naht direkt über der Gesäßtasche. 

Matthias Birkel steht im Hinterhof des Jugendclubs, die Arme in die Seiten gestützt. Seine Finger sind vom Öl verschmiert, das karierte Hemd hat Flecken. Er hat an diesem Nachmittag bereits einige verschlissene Fahrradbremsen nachgezogen, Dynamos zum Laufen gebracht und schlackernde Schutzbleche angeschraubt. Mit prüfendem Blick mustert der Rentner nun, wie der Schüler Florian Pitsch auf seine Anweisung hin die gerissene Fahrradkette abnimmt: "Herauszufinden, woran es hapert, und dann zu werkeln, bis etwas wieder funktioniert – das hat mir immer Spaß gemacht. Hier kann ich mein Wissen weitergeben." 

Etwa 70 Leute sind zu dem Treffen gekommen, die meisten mit einem kaputten Elektrogerät unter dem Arm, Studenten, die Geld sparen, aber auch Rentner, die noch etwas dazulernen wollen. Nicht allen konnte geholfen werden: Für die Reparatur der Fahrradkette fehlten die passenden Glieder, die Kaffeemaschine braucht ein neues Drainageventil. "Wir haben den Tag ausgewertet und werden beim nächsten Mal darauf achten, mehr Ersatzteile vor Ort zu haben", sagt Koch. Geht es nach ihr und den Organisatoren, wird das "Repair-Café" bald einmal im Monat ausgerichtet. 

Grundsätzlich zieht Koch ein positives Fazit des ersten Versuchs, ein Blick durch den Raum gibt ihr Recht: Nach vier Stunden ist die Naht der Jeans geflickt und das Messer wieder einsatzbereit, rastet der Toaster wieder ein, reagiert die Nähmaschine, wenn das Pedal gedrückt wird. Selbst aus dem gesäuberten Plattenspieler dudelt "Ich glaube an die Zärtlichkeit" – am Ende auch ohne Surren (jf). ​​​​

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