Film der Woche
13.09.2018 Sina Steiner  
Mackie Messer - Brechts Dreigroschenfilm

Vom Scheitern

Ab heute ist das Film-Essay von Joachim A. Lang in den deutschen Kinos zu sehen. Für seinen zweiten Film wählte der Journalist​, Regisseur und Autor Bertolt Brecht als Thema. Mit dem Dramatiker beschäftigt sich Lang bereits seit über 20 Jahren. Näheres zu seinem neuen Werk erfährt man in unserem Film der Woche. 

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Am 31. August 1928 feiert die Dreigroschenoper mit dem Text von Bertolt Brecht (Lars Eidinger) und der Musik von Kurt Weil (Robert Stadlober​) Premiere im Theater am Schiffbauerdamm in Berlin. Nach der anfänglichen Zurückhaltung des Publikums entwickelt sie sich zum vollen Erfolg, einige der Lieder werden sogar zu Welthits. Brecht sieht darin seine Chance, das Werk in eine Filmadaption zu verwandeln. Mit tatkräftiger Unterstützung des Komponisten bemüht sich der Autor darum seine künstlerischen Visionen umzusetzen und die Geschichte um den Konkurrenz- und Existenzkampf des Gangsters Mackie Messer (Tobias Moretti) und des Bettlerkönig Peachum (Joachim Król) im London des 19. Jahrhunderts radikal umzusetzen. Doch bald stoßen die Interessen des Dramatikers und die der Filmproduzenten aneinander. Während für die Produktionsfirma lediglich der finanzielle Erfolg im Vordergrund steht, weigert sich Brecht ihren Vorgaben zu folgen. Die Situation spitzt sich zu bis Brecht schließlich sogar vor Gericht zieht. 

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Schon die Wahl für die Handlung des Films die Geschichte des Scheiterns zu erzählen, deutet auf eine tiefgründige Inszenierung des Regisseurs und Drehbuchautor Joachim A. Lang​. Tatsächlich basiert damit der Film auf wahren Ereignissen, denn wie eingangs beschrieben sollte die Dreigroschenoper verfilmt werden. Nach den Auseinandersetzungen Brechts mit der Produktionsfirma Nero-Film AG engagierten diese neue Drehbuchautoren und Brecht ging vor Gericht. Doch Lang versucht mit seinem Werk mehr als eine Rekonstruktion oder einen Historienfilm zu inszenieren. Durch seine Auseinandersetzung mit den Bedingungen der Kunst- beziehungsweise hier der Filmproduktion, wird die Inszenierung mehr zu einer filmischen Abhandlung und entfernt sich vom Unterhaltungsgenre. Der Zuschauer bekommt dabei über verschiedene Erzähl-Ebenen nicht nur einen Einblick in die Visionen Brechts, sondern erfährt auch von anderen Perspektiven, wie beispielsweise die der handelnden Personen oder auch der Schauspieler selbst. Das Verbindungsstück bilden Zitate Brechts, die von Schauspieler Lars Eidinger gesprochen werden.

Der Film verlangt damit viel Aufmerksamkeit vom Zuschauer und wird zu Langs Vorstellung eines brechtschen Films. Dass diese Vorstellungen durchaus anspruchsvoll sind liegt in der Natur des Themas und der Expertise von Lang in Bezug auf Brech​t. Schon seit ​1998 beschäftigt sich der Autor mit dem Leben und Wirken Bertolt Brechts. Damals ​schrieb er die fünfteilige Dokumentationsreihe Denken heißt verändern ​​für die ARD. Es folgten 2006 ein weiteres Künstlerporträt und seine mit Auszeichnung bewertete Dissertation Episches Theater als Film​. So scheint dieser Film ein Herzensprojekt Langs zu sein. Anke Westphal konkludiert in ihrer Filmkritik auf epd-film zur Inszenierung: »Mackie Messer – Brechts Dreigroschenfilm « ist eine fiebrige Tour de Force – ein Film, der die »Dreigroschenoper« bis in den Finanzkapitalismus unserer Gegenwart hinein verlängert und dessen Aktualität hinsichtlich des damals aufkommenden Faschismus schon fast beklemmend wirkt. Es ist eine Regiearbeit, die das Publikum ebenso irritieren wie verblüffen dürfte – und ungeheuer reich beschenkt.​​


 

​In Kooperation mit dem Broadway Filmtheater präsentieren wir regelmäßig den Film der Woche.

​​Foto: Wild Bunch​​​

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