Interviews
16.03.2012 Johannes Friedrich Veranstalter
Thomas Gsella

"Die Jahre bei Titanic haben mich reich und schön gemacht"

​Im Rahmen der Reihe Humorprofis liest Thomas Gsella am 27. März 2012 in der Tuchfabrik unter anderem aus seinem Buch "Ihre Stadt". In aller Bescheidenheit versprach der Satiriker und ehemalige Chefredakteur des Frankfurter Satiremagazins Titanic "die beste Lesung, die Trier je gesehen hat." Wie er dieser Anforderung gerecht werden möchte, besprach er im Interview mit hunderttausend.de.
h-DsX9L6HK0
Image

hunderttausend.de: Herr Gsella, Ihr aktuelles Buch trägt den Titel "Ihre Stadt! Im Schmähgedicht". Weshalb ausgerechnet Städte?

Thomas Gsella: Warum ausgerechnet die nicht? Dank Hitler sind ja viele deutsche Städte wirklich sehr, sehr schön. Die Idee entstand auf einer Tour mit der Titanic Boy Group. Wir überlegten, dass ich zur Eröffnung immer ein Gedicht zur jeweiligen Stadt lese. So schrieb ich zunächst ein paar, durch Glück und teure Beziehungen wurde eine Spiegel- online-Kolumne draus, die im Lauf zweier Jahre dann ganz Deutschland bedichtete und möglichst komisch beschimpfte.

Bieten die deutschen Städte denn genug Potential für ein abendfüllendes Programm?

Eine ganze Stunde lang Stadtgedichte wäre wohl zu langweilig. Ich werde auch andere Gedichte und Prosa lesen, da hab ich ja je etwa tausend. Es wird ein spezielles Trier-Best-of aus meinen neuen, teils noch unveröffentlichten Büchern, dazu gibt es dann ja das Bühnengespräch mit meinem Gastgeber Dorian Steinhoff. Eine schöne Idee. Hab ich schon gesagt, dass das kleine unbedeutende Trier im Buch nur eine Strophe bekommen hat statt eines ganzen Gedichts?

Jetzt ja - Tut man den Städten eigentlich nicht unrecht, wenn man sie für die darin wohnenden Menschen verurteilt?

Oder umgekehrt! (lacht). Es ist ja ein beidseitiges Verhängnis aus Schuld und Leid. Die Menschen leiden an den Städten, die Städte verzweifeln an den Menschen. Das ist überall so, und man muss die Städte nicht mal gesehen haben, um das zu wissen. Alle Städte sind Schmelztiegel des Unglücks, des Verderbens und der Sittenlosigkeit, ich sage nur Haschisch und Sex. Schlimm. Aber ich schweife offenbar ab…

… und finden sich als Autor in Rezensionen wieder wie "Stilvoll beleidigen ist eben eine Kunst; der Gsella kann und darf es".

Das hat ein Freund geschrieben, 10.000 Euro hat es mich gekostet, so was kann ja nicht nur der Wulff. Trotzdem hat der Kritiker recht: Stilvoll zu beleidigen macht mir fast so viel Spaß wie stillos. Viele Beschimpfungen in diesem Buch haben ja weder Hand noch Fuß, sondern sind völlig haltlos und absurd. Das sind dann die lustigsten.

Kommen wir von den Städten weg hin zu den Menschen, die darin leben: Im Mai erscheint Ihr neues Buch "Komische Deutsche". Ist das die logische Folge: vom Gebäude zu den Insassen?

Eher vom Allgemeinen zum Konkreten. "Komische Deutsche" bündelt meine erschienenen und neuen Texte zu all diesen seltsamen Leuten, die gar nicht komisch sein wollen, uns aber trotzdem zum Lachen bringen, diese seltsamen Leute mit ihren komischen Sätzen und bizarren Plänen und grotesken Lebensläufen wie Merkel, Wulff, Guttenberg oder die Verrückte Koch-Mehrin, all die Überführten, die trotzdem endlos weiterbrummen wie Michael Schumacher oder dieser lustige ADAC, in dessen Vereinsheft unglaublich viele Rollstühle beworben werden, weil er zu Recht davon ausgeht, dass seine Mitglieder mit Freude in große Unfälle rasen. Einige dieser Texte standen mal in der Titanic…

Titanic - ist das eigentlich ein Aushängeschild, das einen​​ verfolgt?

Ja, und ich lasse mich gern verfolgen. Die Jahre dort haben mich reich und schön gemacht, es ist ein kluges und lehrreiches Heft, also werde ich noch in meinem heutigen weisen Alter gern als Frankfurter Schüler wahrgenommen.

Da wir bei Vergangenem sind: In einem Interview aus dem Jahre 2009 sagten Sie, die damalige Veranstaltung mit Matthias Keidtel würde "wahrscheinlich die beste Lesung, die Trier je erlebt hat." Kann man das denn noch toppen?

Wenn mich nicht alles täuscht, wird die kommende Veranstaltung mit Dorian Steinhoff die beste Lesung, die Trier je erlebt hat. Auch dank des Gesprächs.

Sie wissen also, was kommt? Heinz Strunk erfuhr es erst im Interview

Ja, und ich finde das Konzept gut und einleuchtend. Die Zuhörer können sich von den doch sehr anspruchsvollen und niveaulosen Texten erholen, und ich kann zeigen, dass ich auch ohne Buch sprechen kann, wenn auch sehr unverständlich und zäh… (lacht).

Um in der Reihe der Humorprofis zu bleiben: Harald Martenstein liest als Nächster am 24.04.2012. Wie würden Sie ihn ankündigen?

Zu Fachkollegen sage ich grundsätzlich nichts: Ich traf ihn neulich bei einer gemeinsamen Lesung in Bonn, hinterher schenkten wir uns unsere Bücher und stellten sie in die Regale. Sonst hätten wir ja keine Zeit zu schreiben. Was er vorlas, gefiel mir, es fing langweilig an, ging überraschend weiter und endete sehr komisch Bei mir ist es ja meist umgekehrt, haha! Außerdem ist Herr Martenstein ein guter Mensch, der auch da raucht, wo es nicht verboten ist. Vermutlich wird es die zweitbeste Lesung, die Trier je erlebt hat!

Foto: Tom Hintner​​

Bildgalerie



Karte anzeigen