Stadtgespräch
30.04.2014 Moritz Riesinger Veranstalter
Unsere Kleine Stadt

Theaterfiguren mit Facebook-Accounts

​Als Auftakt einer neuen Reihe feiert am Samstag, 03. Mai 2014, Thornton Wilders "Unsere kleine Stadt" in der Tufa Premiere. Der mit dem Pulitzerpreis ausgezeichnete Klassiker des epischen Theaters wurde textnah inszeniert und könnte statt in einer amerikanischen Kleinstadt auch in der deutschen Provinz spielen.

 
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​Der Alltag erscheint oft eher grau und öde. Das normale Leben plätschert vor sich hin und man schenkt ihm wenig Aufmerksamkeit. Der amerikanische Autor Thornton Wilder meinte, dass dem Menschen zu oft der Sinn für den besonderen Wert der kleinen und alltäglichen Dinge verloren geht. Mit "Unsere kleine Stadt", im englischen Originaltitel "Our Town", will er die Zuschauer wachrütteln. Sie sollen aufmerksam gemacht werden auf das Besondere im täglichen Leben, das man meist erst dann erkennt, wenn es verloren ist.


Das 1938 uraufgeführte Stück spielt ursprünglich in der imaginären US-amerikanischen Provinz und zeichnet drei Episoden aus dem Leben einer Gruppe Kleinstädter. Während der Alltag zu Beginn ruhig verläuft, ist er mit der Zeit immer mehr von Höhen und vor allem Tiefen gekennzeichnet. Wilder verzichtet auf allzu große politische Botschaften und flicht nur hin und wieder Kritik an gesellschaftlichen Missständen und fast schon versteckte Plädoyers, etwa für das allgemeine Wahlrecht oder den Pazifismus, in seinen Stoff ein.


Regisseur Karsten Müller hat sich bei seiner Inszenierung sehr eng an die Vorlage des Autors gehalten. Deutliche tritt etwa der für das epische Theater typische und in Deutschland vor allem aus dem Werk von Berthold Brecht bekannte Verfremdungseffekt zutage. So wird etwa auf einen Vorhang und jegliche Requisiten verzichtet und das Bühnenbild besteht aus kaum mehr als den griechischen Buchstaben Alpha und Omega. Auch Monika Weber vom Tufa-Vorstand betont die Nähe zur Vorlage: "Da gibt es keine Tasse aus der getrunken und keine Zeitung die gelesen wird, die Zuschauer müssen sich alles vorstellen".


Ein weiteres Element der Verfremdung ist, dass auch der gesamte Saal von den Schauspielern bespielt wird. "Wir wollten das Stück runter holen von der Bühne und direkt zum Publikum bringen", erklärt Karsten Müller die Intention des Ensembles. Aber die Einbeziehung des großen Saal der Tufa war noch nicht genug, schließlich könnte die "kleine Stadt", in der das Stück spielt, auch Trier sein. "Unsere Idee war es, dass wir dieses Verlassen der Bühne mit den neuen Medien noch weiterführen können", verweist Karsten Müller nicht nur auf den im Vorfeld durchgeführten Fotowettbewerb und in der ganzen Trierer Innenstadt verteilte interaktive Terminals mit Kurzfilmen, sondern auch auf virtuelle Präsenzen der Theaterfiguren im sozialen Netzwerk Facebook. Dort kann man sich mit den Personen aus dem Stück anfreunden, ihnen Grüße hinterlassen und sogar direkt mit ihnen kommunizieren. Letztendlich sollen sie so zu ganz normalen Trierer Mitbürgern werden.


In Anlehnung an das erfolgreiche Musical-Programm im Haus möchte die Tufa mit "Unsere kleine Stadt" die "Tufa Classics" starten. Im Rahmen dieser neuen Reihe soll dann in Zukunft einmal jährlich ein Klassiker des modernen Theaters aufgeführt werden. Bereits in diesem Jahr ist es gelungen, für die Inszenierung die verschiedenen Theatergruppen der Tufa zu vereinen, so dass über 50 semiprofessionelle und professionelle Mitwirkende beteiligt sind.
Gefördert wurde das Theaterprojekt maßgeblich aus den Mitteln des Rheinland-Pfälzischen Kultursommers, der dieses Jahr unter dem Motto "Mit allen Sinnen" steht. "Was wir hier Vorhaben ist als Gesamtkunstwerk im Rahmen des Kultursommers zu verstehen", betont Monika Wender. Neben dem Bezug auf die Stadt und der direkten Einbindung der Zuschauer gibt es am Premierenabend einen von den Landart-Künstler Nadine May und Frank Bonert angebotenen Erlebnisparcours, der sich dem Thema Sinnlichkeit widmet.​

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