Während der Kolonialzeit haben sich Rassenvorstellungen gebildet, aus denen sich auch die Nationalsozialisten bedient haben. Doch wie kam es zu dem deutschen Rassendenken? Eine Gruppe Nachwuchsforschender der Universität Trier ist sich sicher, dass diese Frage nur im globalen Kontext und bei der Betrachtung mehrerer Jahrhunderte beantwortet werden kann. Ihre These: Die deutschen rassischen Kategorien haben unter anderem iberische Wurzeln. Fünf Jahre lang wird die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) mit mehr als 1,8 Millionen Euro geförderte Gruppe junger Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zur globalen Zirkulation von Vorstellungen „rassischer Vermischung“ vom 16. bis zum 20. Jahrhundert forschen.
Zu Beginn der Kolonialzeit wurde es akzeptiert, wenn beispielsweise ein Spanier ein Kind mit einer indigenen Frau bekam, erläutert Nachwuchsgruppenleiter Dr. Adrian Masters und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Forschungszentrum Europa der Universität Trier. Viele nannten diese Kinder „Mestizen“ („Mischlinge“). Doch später traten – wie beispielsweise in Namibia während der deutschen Kolonialzeit im 19. Jahrhundert – Vorstellungen zu Tage, die diese Vermischung als bedrohlich ansahen. Der Historiker der Universität Trier erläutert, dass diese Stereotype auch die Rassenlehre Hitlers geprägt haben.
Die Trierer Forschenden wollen jedoch nicht nur den Ursprüngen des deutschen Rassendenkens nachgehen, sondern auch darauf hinwirken, dass diese kolonialgeschichtlichen Zusammenhänge in rheinland-pfälzischen Lehrplänen Erwähnung finden. Das für die Lehrpläne mitverantwortliche Pädagogische Landesinstitut unterstützt das Vorhaben. In einem Teilprojekt werden zudem Unterrichtsmaterialien entwickelt, die Lehrkräften zur Verfügung gestellt werden sollen.
„Indem wir die Zusammenhänge erforschen und aufzeigen, wollen wir zur Prävention von Rassismus heute beitragen“, sagt Masters. Denn rassistische Vorstellungen können vielschichtig sein, wie der Leiter von GloVib („Globale Verflechtungen und rassische Kategorisierungen: Die iberischen Wurzeln des deutschen Rassendenkens (16.-20. Jh.)”) anhand des Beispiels Mexiko deutlich macht. Dort entwickelte sich ein Nationalbewusstsein, das stolz auf das gemischte spanisch-indigene Erbe war. Gleichzeitig waren und sind teilweise noch Vorurteile gegenüber Personen verbreitet, die nur einer Herkunft – beispielweise einer indigenen oder schwarzen – sind. „Das ist auch eine Form des Rassismus, über die viele in Deutschland bisher wenig oder nichts wissen“, ordnet Masters ein.
Durch gemeinsame Veranstaltungen mit zivilgesellschaftlichen Gruppen, die sich gegen Rassismus engagieren, wollen die Forschenden dies ändern. Auch eine große wissenschaftliche Tagung ist geplant.
Unterstützt werden die Nachwuchsforschenden bei ihrem Vorhaben von etablierten Wissenschaftlern verschiedener Disziplinen. Die Erforschung des Wandels von Gesellschaften über größere Zeiträume gehört zu den historisch-sozialwissenschaftlichen Forschungsschwerpunkten der Universität Trier.