Stadtgespräch
06.04.2020 hunderttausend.de  
Stellungnahme der Trierer Kulturschaffenden

"Die Corona-Soforthilfen helfen freien Kulturschaffenden nicht."

​​​Die professionellen freien Musiker*innen, Theater- und Kulturschaffenden aus Trier haben eine gemeinsame Stellungnahme zu den aktuellen Soforthilfe-Maßnahmen der Bundes- und Landesregierung abgegeben.

 
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​Bundes- und Landesregierung haben erst kürzlich ein Soforthilfeprogramm für S​​​​​​​​​​oloselbstständige, Freiberufler, Unternehmen und Landwirtschaft​ auf den Weg gebracht. ​Diese Soforthilfen ​werden dann gewährt, wenn die Existenz von  Angehörigen der genannten Berufsgruppen aufgrund von Liquiditätsengpässen bedroht ist. Den freien Trierer Kulturschaffenden geht diese Maßnahme nicht weit genug: Sie ginge an deren Bedürfnissen vorbei, da Einnahmeausfälle aufgrund ausgefallener oder abgesagter Veranstaltungen und Aufträge nicht als Fördergrund akzeptiert werden. 


Die gesamte Stellungnahme mit Liste der Unterzeichner:innen​:

"Sehr geehrte Frau Ministerpräsidentin Dreyer,
sehr geehrter Herr Kulturminister Wolf,
sehr geehrte Damen und Herren,​​

Kunst und Kultur sind unschätzbare Bestandteile unseres Zusammenlebens und unserer offenen, demokratischen Gesellschaft. In der Vergangenheit haben Sie dieses hohe Gut stets zu erhalten, zu schützen und zu fördern gewusst. Es besteht dem Grunde nach kein Zweifel daran, dass Sie sich auch angesichts der aktuellen Situation für Kunst und Kultur einzusetzen verstehen. Dies gilt natürlich nicht nur für den institutionellen, sondern auch für den derzeit existenziell gefährdeten freien Kulturbetrieb.

Deshalb wenden wir uns mit unserer Reaktion auf das kürzlich beschlossene Soforthilfsprogramm der Bundes- und Landesregierung umgehend an Sie, um unsere Not in aller Deutlichkeit zum Ausdruck zu bringen: Die in Rheinland-Pfalz geltenden Corona-Soforthilfen helfen freien Kulturschaffenden nicht,   weil   sie   an   ihren   Bedürfnissen   vorbeigehen.  Die   für   die   Beantragung   von   Soforthilfen relevanten Kriterien entsprechen nicht den Arbeitsrealitäten freiberuflicher Künstler*innen, denen vermeintlich geholfen werden soll. Es wird lediglich Hilfe gewährt bei durch die Corona-Maßnahmen ​verursachten Liquiditätsengpässen von Soloselbstständigen und Kleinunternehmen. Einnahmeausfälle aufgrund ausgefallener oder abgesagter Veranstaltungen und Aufträge werden dagegen nicht als Fördergrund akzeptiert.  Auch betrieblich relevante Lebenshaltungskosten – wenn etwa die eigene Wohnung auch als Arbeitsraum fungieren muss – werden aus der Förderung ausgeschlossen. So bleibt den Kulturschaffenden nur die Beantragung von ALG II.

Durch die Einstellung des Kulturbetriebs entsteht freien Kulturschaffenden ein immenser Schaden, der je nach Dauer der Aufrechterhaltung notwendiger sozialer Einschränkungen bis zu 75% des jährlichen   Einkommens   betragen   kann.  Wenn   solche   Verluste   ohne   eigenes   Verschulden   beim Soforthilfeprogramm nicht geltend gemacht werden können, ist es zur Unterstützung von freien Kulturschaffenden nicht geeignet.  In anderen Bundesländern wie Thüringen, Nordrhein-Westfalen, Bremen u.A. existieren bereits sinnvolle Regelungen zur Förderung in Not geratener Künstler*innen. So wird auch in NRW die Hilfe zur Sicherung der wirtschaftlichen Existenz gewährt, "wenn die Möglichkeiten, den Umsatz zu erzielen, durch eine behördliche Auflage im Zusammenhang mit der COVID-19 Pandemie massiv eingeschränkt wurden."  Für freischaffende Künstler*innen, die etwa durch die Absage von Engagements in finanzielle Engpässe geraten, gilt diese Voraussetzung für die Beantragung einer existenzsichernden Einmalzahlung in Höhe von bis zu 2.000 Euro. In Thüringen beträgt   der   einmalige   Zuschuss   bis   zu   5.000   Euro.   Eine   vergleichbare   Option   –   ohne Rückzahlungspflicht – benötigen wir auch in Rheinland-Pfalz.

Es sei an dieser Stelle mit Nachdruck daran erinnert, dass wir als Kulturschaffende, in dem wir unsere Arbeit einstellen – und das in den meisten Fällen freiwillig und aus Vernunft tun und nicht erst, wenn die Polizei vor der Tür steht – unseren Teil der gesellschaftlichen Verantwortung tragen, um unser Gesundheitssystem zu unterstützen. Wir wollen das auch nicht unmittelbar mit finanziellen Überlegungen verknüpfen, sind aber überzeugt, dass die Reaktion auf unsere Vernunft und unsere Solidarität sich nicht in einer Deckung von Betriebskosten, zurückzuzahlenden Darlehen und ALG II erschöpfen darf.

Wir   fordern   Sie   auf, die   Kriterien   zur   Beantragung   der   Soforthilfe   an   die   Bedürfnisse   der Kulturschaffenden anzupassen. Zudem muss dringend ein Förderprogramm zur Ausfallerstattung eingerichtet werden.  Ferner fordern wir Sie auf, unsere Interessen auch auf Bundesebene zu vertreten   und   darauf   zu   drängen, die   restriktive   Vorgabe   zu   den   Lebenshaltungskosten   zu überarbeiten.  Wir hoffen, dass unser Aufruf nicht nur auf Ihr Verständnis trifft, sondern auch konkrete   Maßnahmen   zur   Nachbesserung   von   Soforthilfen   für   freie   Künstler*innen   und Kulturschaffende nach sich zieht. Wir appellieren an Ihre Solidarität und Ihr Feingefühl, in dieser Situation angemessen handeln und die freie Kultur in Rheinland-Pfalz bewahren zu können. Lassen Sie uns nicht im Stich!

Mit freundlichen Grüßen, Ihre freien Kulturschaffenden Triers


Unterzeichner*innen des obigen Anliegens, auch stellvertretend für viele weitere freie Kulturschaffende der Stadt Trier:

Kultur Raum Trier e.V. (Kerstin Rubas, Peter Stablo)
Kulturwerkstatt e.V. (Dirk Mentrop)
Kulturkarawane gUG (Jochen Leuf)
bühne1 e.V. (Michael Gubenko)
Kulturverein villaWuller e.V.
Kulturlabor e.V. (Alexander Ourth)
Kombinat Qualle e.V. (Lisa Höpel)
Die Kreativen Trier
Kai Wiechmann (MJC Mergener Hof)
Armin Wondra (Festival "Oben Air")
Dieter-Lintz-Stiftung
Laas Koehler (Konzeptkünstler)
Alexander Etzel-Ragusa (Autor, Regisseur)
Tim Olrik Stöneberg (Schauspiel)
Till Thurner (Schauspiel)
Isaac Boateng (Schauspiel)
Sebastian Gasper (Schauspiel)
Karsten Müller (Regisseur)
Blackgate Media (Felix Keilen)
Benedikt Roth (DJ
)Marius Solf (DJ & Gästeführungen)
Hennich & Hanschel (Musik & Kabarett, Gästeführungen)
RINO (Musik)
Zoe & Tobi (Musik)
Porta Supporta (Musik)
DMO (Musik)
Thiago Oliveira (Musik)
Elke Reiter (Clownschauspielerin, Theaterpädagogin)
Melanie Telle (Theaterpädagogin & Regisseurin)
Saeed Hani (Choreographie & Tanz)
Hannah Ma (Choreographie & Tanz)
Felizia Roth (Choreographie & Tanz)
Bettina Ghasempoor (Bildende Kunst, Unterricht)
Simone Busch (Fotografie, Konzeptkunst)
Belichta (Fotografie)
Valentin Henning (Fotografie & Grafikdesign)
Thomas Vatheuer (Moderation)"


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