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06.07.2021 hunderttausend.de  
Mutterhaus Trier

Pilotprojekt geht in die Praxis

​​Das Trierer Klinikum Mutterhaus der Borromäerinnen arbeitet mit einem Konzept, bei dem Patienten, deren Angehörige und die Mitarbeiter der Intensivstation psychologisch begleitet werden. Damit ist das Trierer Krankenhaus eines von weniger als zehn Kliniken deutschlandweit.


 
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​Das Personal auf Intensivstationen muss seine Patientinnen und Patienten nicht nur medizinisch hochtechnologisiert behandeln. Auch der Umgang mit den Angehörigen, die ihre schwerstkranken Lieben in einer Grenzsituation erleben, ist eine wesentliche Aufgabe in der täglichen Arbeit. „Und dazu kommt noch, dass es für die Mitarbeiter selbst oft belastend ist, was sie erleben“, weiß Dr. med. Oliver Kunitz, Chefarzt der Anästhesie und Intensivmedizin im Trierer Klinikum Mutterhaus Mitte. „Nicht erst in der Corona-Pandemie ist dies deutlich geworden.“ Zusammen mit Anna Sequeira, leitende Dipl. Psychologin der Schmerz- und Palliativmedizin im Klinikum Mutterhaus, hat er das Pilotprojekt ins Leben gerufen. „Schon seit 2018 sind wir in den konkreten Planungen. Ab März 2020 hat ein psychologisches Kriseninterventions- und Ressourcenteam im Corona-Gemeinschaftskrankenhaus dafür gesorgt, dass neben der medizinischen Versorgung der Patienten auch die psychische Verfassung aller Beteiligten in den Blick genommen wurde.“

Seit dem 1. Dezember 2020 hält das Klinikum Mutterhaus die integrierte Versorgung auch in der intensivmedizinischen Station in Mitte vor. Diplom-Psychologin Esther Hilterscheid ist mit ihrer halben Stelle auf der Station B2 gut ausgelastet. „Da ich integriert im Team der Intensivstation mitarbeite, bin ich hier vor Ort und kann jederzeit angesprochen werden, aber auch selbst Kontakt aufnehmen. Diese unmittelbare Begleitung tut allen gut! Hier ist es ein kleines Gespräch auf dem Flur, das schon weiterhelfen kann oder auch das Dabeisein in kritischen Situationen, wenn eine hohe Anspannung da ist. Wir besprechen schwierige Situationen regelmäßig nach. Da es sich um eine sehr neue Entwicklung handelt, dass Psychologen auf der Intensivstation mitarbeiten, stehe ich außerdem im bundesweiten Austausch mit psychologischen Kolleginnen und Kollegen.“

Esther Hilterscheid ist Ansprechpartnerin für Patienten, Angehörige und Mitarbeiter. Bei der Visite begleitet sie das medizinische und pflegerische Team und kann hierbei schon erkennen, wo und bei wem der Bedarf an psychologischer Begleitung besteht. Sie geht persönlich zu den Patienten und bietet ein Gespräch an. „Manchmal ergeben sich auch längere Beziehungen, bei denen ich auch praktisch unterstützend an deren Seite bin. So stelle ich beispielsweise den Kontakt per Videotelefonat zu den Angehörigen her oder helfe ihnen, ganz einfache Dinge des Alltags wieder erleben zu können. Das kann das gemeinsame Auspacken eines Päckchens von der Familie sein, die Hilfe beim Telefonieren, das Wiedererlernen der Namen der Haustiere, das Abspielen von Audionachrichten oder Musik der Angehörigen. Gerade während der eingeschränkten Besuchsmöglichkeiten aufgrund der Pandemie habe ich mich oft bemüht, den Kontakt zwischen Patienten und Angehörigen zu fördern und zu unterstützen. Im Austausch mit den Angehörigen sind dabei richtig kreative Ideen entstanden! Den meisten Patienten tut es gut, über Ängste und Sorgen sprechen zu können. Andere brauchen eher konkrete Strategien, z.B. eine Atem- oder Entspannungstechnik, die wir gemeinsam durchführen. In vielen Fällen ist es aber auch wichtig, gezielt psychotherapeutisch zu arbeiten und mit frühen traumatherapeutischen Interventionen die Entwicklung von Traumafolgestörungen infolge der Behandlung vorzubeugen.“ Mithilfe dieser Unterstützung soll dem sogenannten Post-Intensive-Care-Syndrom (PICS) vorgebeugt werden, an dem bis zu 42 Prozent der Intensivpatienten im Anschluss an ihren Krankenhausaufenthalt leiden.

Esther Hilterscheid ist als Psychologin integriertes Mitglied der Station – auch optisch. Mit ihrer blauen Hose und dem blauen Kasack ist die Psychologin nicht vom ärztlichen oder pflegerischen Personal zu unterscheiden. „Auf unserer Station findet 90 Prozent der Apparatemedizin in einem Krankenhaus statt“, berichtet Stationsleiter Leo Wagner. „Bei uns liegen Patienten nach großen chirurgischen und onkologischen Operationen, Unfallopfer und Patienten mit Herzinfarkten oder hoher Ansteckungsgefahr. Wir Pflegenden haben das Ziel, die Patienten kurativ, also heilend, zu versorgen. Dabei führen wir selbstverständlich auch einfühlende Gespräche. Doch das, was unsere Psychologin hier leistet, können wir nicht – auch noch nach uns selbst schauen. Es gibt immer wieder Situationen, die uns auch selbst belasten. Da sind wir sehr froh, eine Psychologin im Team zu haben, deren Angebote wir gegenseitig gerne nutzen.“

Nach gut einem halben Jahr als Teammitglied der Intensivstation B2 im Klinikum Mutterhaus zieht Esther Hilterscheid eine äußerst positive Bilanz: „Ich konnte mich von Anfang an ins Team einbringen, und durch die Zusammenarbeit entstehen stetig neue Ideen und Ansätze für psychologische Aufgabenbereiche. Die Arbeit auf der Intensivstation fordert mich ganz anders als im psychotherapeutischen Rahmen. Unsere Patienten sind phasenweise nicht für ein Gespräch zugänglich oder erleben einen Realitätsverlust durch Angstzustände, Albträume oder Halluzinationen. In diesen Momenten kann ich ihnen Sicherheit geben und sie unterstützen, einen Umgang mit den Ängsten zu finden und ein Gefühl von Kontrolle über die Situation zu entwickeln. Das machen auch die Kollegen anderer Berufsgruppen, aber ich habe dafür mehr Zeit, da dies meine Hauptaufgabe ist und ich das fachlich anders adressieren kann. Gerade in Belastungsspitzen bin ich fasziniert, in welcher Ruhe hier gehandelt wird und wie das Patienten Sicherheit vermittelt. Ich bin sehr gern Teil dieser Arbeit und dieses Teams und ich nehme es so wahr, dass sich das, was ich mit  meiner Profession anbieten kann, sehr gut einfügt.“
 



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