Interviews
08.03.2019 Jana Ernst  
Erster Teil der Saarland-Saga

Mettlach

​​Magali Tosato und Lydia Dimitrow sind die Autorinnen des Schauspiels Mettlach, das vom 12. bis zum 14. März im Théâtre des Capucins aufgeführt wird​​​hunderttausend.de hat sich vorab mit den Künstlerinnen über die Entstehung des Stücks und seine Bedeutung unterhalten.

 
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​hunderttausend.de: Sie stammen aus Lausanne und Berlin, da liegt das Saarland nicht gerade um die Ecke. Wie kam es zu dem Stück Mettlach​?

Magali Tosato und Lydia Dimitrow: Das saarländische Staatstheater ist auf uns zugekommen, weil wir mit unserer Kompanie mikro-kit oft mehrsprachig arbeiten (deutsch-französisch) und unsere Stoffe aus dokumentarischem und (auto-)biographischem Material entwickeln. Die Idee war, ein fiktionales Stück über Mettlach zu schreiben, in dem – gewissermaßen analog zur Großregion – mehrere Sprachen aufeinandertreffen. Und wir fanden es gerade spannend, über einen Ort zu schreiben, den wir noch gar nicht kennen. So konnten wir ganz unvoreingenommen den Menschen begegnen, die in Mettlach zu Hause sind oder es einmal waren, und ihre Geschichten und Konflikte mit unseren eigenen Erfahrungen konfrontieren. 

Können Sie beschreiben, worum es aus Ihrer Sicht in diesem Schauspiel geht?

Für uns geht es in unserem Stück vor allem um die Frage, wie sehr unsere Vergangenheit unsere Zukunft bestimmt. Wann entwickelt unsere Vergangenheit ein Potential, das uns Kraft gibt, wann hält sie uns zurück? Wie frei können wir unsere Zukunft gestalten? Das sind Fragen, mit denen sich unsere Figuren konfrontiert sehen, die sich aus unserer Sicht aber auch für den Ort stellen. Die Geschichte Mettlachs ist seit über 200 Jahren untrennbar mit der von Villeroy & Boch verbunden. Aber jetzt, mit dem Rückgang bzw. der Verlagerung der Industrie, müssen sich Unternehmen und Gemeinde gleichermaßen fragen, wie sie – gemeinsam oder nicht – in die Zukunft gehen wollen. 

Das Stück basiert auf Ihrer eigenen Recherchearbeit in Mettlach und der Region. Mit wem haben Sie gesprochen und wie haben Sie sich sonst noch informiert?

Zuerst haben wir vor allem gelesen, wir haben Bibliotheken, Archive und das Internet durchforstet, haben Geschichtsbücher, Zeitungsartikel, Bilder gewälzt. Dann haben wir vor Ort recherchiert. Wir haben uns so viele Orte wie möglich angesehen: die Sankt-Josef-Kapelle in Mettlach, Keravision in der Alten Abtei, das V&B-Firmenarchiv in Merzig, das Heimatmuseum in Wallerfangen usw. Wichtigste Inspiration waren für uns aber die Menschen, die wir getroffen haben. Wir haben mit sechzehn Personen Gespräche geführt, u.a. mit dem Mettlacher Bürgermeister, mit dem Amtsleiter der Gemeinde, Mitarbeiter*innen von Villeroy & Boch, zwei Heimatforschern, einem Literaturprofessor, aber auch mit Menschen, denen wir zufällig auf der Straße begegnet sind. Wir sind natürlich auch nach Luxembourg gefahren und haben dort u.a. das V&B-Outlet besucht und mit einer ehemaligen Fabrikmitarbeiterin im Rollingergrund gesprochen. Uns war es wichtig, Menschen mit ganz unterschiedlichen Bezügen zu Mettlach zu treffen, und diese verschiedene Perspektiven im Stück aufzugreifen.

Welchen Eindruck haben Sie durch die Recherche von der – im Rest von Deutschland oft belächelten – Region gewonnen?

Wir sind hier oft der Frage nach Identität begegnet. Wann hat man das Gefühl, „dazuzugehören“? Wie entsteht eine nationale Identität, wie eine europäische? Und was ist identitätsstiftend: ein Dialekt, eine gemeinsame Geschichte, territoriale Grenzen, eine bestimmte kulturelle Praxis? Was macht das Saarland aus, was macht Mettlach aus, aber auch: Was macht ein Unternehmen aus – das sind essentielle Fragen für die Menschen, die hier wieder oder weiter leben und arbeiten wollen. Denn heute müssen sowohl Mettlach als auch die Firma Villeroy & Boch zeigen, dass sie besonders sind, wenn sie attraktiv bleiben und so ihre Zukunft absichern wollen. Und das gilt wohl für die ganze Region. Unser Eindruck ist, dass die Menschen hier sehr stark darum kämpfen, ihre Region in ihrer Vielseitigkeit zu verteidigen, sich aber gleichzeitig auch viel in Frage stellen, sehr offen und zugewandt sind. 

Ich habe gelesen, es ginge in dem Stück „um Heimat, aber auch um die Sehnsucht nach der Ferne und den Blick von außen.“ In unserem aktuellen gesellschaftlichen Klima gilt „Heimat“ als ein hart umkämpfter Begriff. Ist das eine bewusste Wort- und Themenwahl oder sehen Sie das Stück als losgelöst von dieser Debatte?

„Heimat“ ist ein Konzept, das uns eigentlich fremd ist – allein schon, weil der Begriff auf Französisch auch gar keine richtige Entsprechung findet –, das Wort fällt im Stück ein einziges Mal. Für uns ist „Heimat“ keine stehende Größe, sondern höchstens ein sehr intimes Gefühl, ein Ort, den man in sich trägt, etwas, das zeitlebens in Bewegung bleibt. Natürlich, wenn man über einen Ort schreibt, kommt man gar nicht umhin, sich mit Themen wie Ankommen, Weggehen, Bleiben auseinanderzusetzen. Insofern geht es in unserem Stück aber eher um die Frage: Wo kann ich, wo will ich zu Hause sein? Und darauf finden die Figuren in unserem Stück auf sehr unterschiedlichen Wegen eine Antwort. 

Mettlach ist der erste Teil der Saarland-Saga. Darf man sich schon bald auf eine Fortsetzung freuen? Geht die Geschichte um die Charaktere aus Mettlach weiter oder verlagert sich der Schauplatz an einen anderen Ort in der Großregion?
 
Die Idee des Staatstheaters ist es, mit der Saarland-Saga Geschichte(n) aus der Großregion auf die Bühne zu bringen. Damit sind sowohl die kleinen Geschichten gemeint als auch l'Histoire mit großem H. Insofern wird jedes Mal ein neuer Ort aus der Region in den Fokus rücken, Mettlach hat da mit seiner deutsch-französisch-luxemburgischen Geschichte den Auftakt gemacht. Aber auch die Erzählweise bzw. die Stoffentwicklung wird immer anders sein – im zweiten Teil der Saga ist eine Romanadaption geplant. Deshalb ja, es gibt in der nächsten Spielzeit eine Fortsetzung der Saarland-Saga, aber nicht mit mikro-kit und nicht mit unseren „Mettlachern“.


Mettlach wird am 12., 13. und 14. März jeweils um 20:00 Uhr aufgeführt.

Tickets: ab 8,00 Euro


Foto: Martin Kaufhold

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