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28.05.2020 Jana Ernst  
Hazel Brugger im Autokino-Spezial

„Trier ist das krasseste Sandwich der Welt.“

​​Im Rahmen ihres Tropical-Roadtrips machte Hazel Brugger gestern Abend auch im Trierer Messepark Station. Gynäkologie-Anekdoten, Opfergaben an die Götter der Autobahn und kollektiv knallende Autotüren machen dabei Lust auf mehr Hazel und auf mehr Live-Events im Autokino.

 
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​"Klatscht sie mit eurem Scheibenwischer ans Mikrofon!", ist nur ein Beispiel aus einer langen Liste an Sätzen, die ausschließlich in 2020 Sinn ergeben. Hazel Brugger dagegen, die Scheibenwischer-beklatschte Künstlerin des vergangenen Abends, ergibt auch sonst (fast) immer Sinn. Außer vielleicht, als ihr entging, dass nicht alle Luxemburger:innen Französisch sprechen und, dass Luxemburgisch für Unwissende nicht unbedingt besser klingt als Schweizerisch. Von dieser kleinen Fehleinschätzung mal abgesehen, bietet ihr Roadtrip-Spezial Tropical Stories aus dem Leben, mit denen sich die meisten Trierer:innen durchaus identifizieren können.

Hazel Bruggers geografische Bezüge variierten dabei zwischen Saarland-Dissen (sehr gerne gesehen) und weniger schmeichelhaften Überlegungen (nicht ganz so gern gesehen, aber mit viel Humor aufgenommen). Hast du dich zum Beispiel schon immer gewundert, warum so viele Menschen in Trier bleiben, wenn sie einmal hergefunden haben? Es liegt nicht etwa am guten Wein, dem Charme der Stadt und dem ihrer Bewohner – nein, es dauert einfach zu lange bis man von hier wieder wegkommt! So eingequetscht wie Trier aber nun liegt, zwischen Luxemburg und dem Saarland, wird die Stadt allerdings auch zum krassesten Sandwich der Welt. Mit ziemlich teurem Brot, wenn man einen Blick nach Luxemburg wirft. Auf die via Social Media gestellte Frage nach dem aggressivsten Saarland-Diss hatte Hazel dann selbstverständlich ebenfalls eine knappe, aber nicht minder schneidende Antwort parat: Es ist, ganz simpel, der Vibe von Annegret Kramp-Karrenbauer. Selbst die Saarländer im Publikum, überwiegend jung und höchstwahrscheinlich politisch eher links orientiert, können dem nicht mehr viel entgegensetzen.

Aber Hazel Brugger hat sich natürlich nicht den ganzen Abend nur an lokalpatriotistischen Tendenzen abgearbeitet: Tropical kann sehr viel mehr als das. So erzählt sie unter anderem von der ​liebevollen Beziehung zu ihren Brüdern, die sie auch trotz, oder vielleicht gerade wegen, unzähliger Prügeleien im Kindesalter zwar nicht respektiert, aber zumindest toleriert. Denn welchen Mehrwehrt hat schon eine geschwisterliche Unterhaltung, wenn nicht nach zwei Minuten mindestens einer der Beteiligten einen Flip-Flop im Gesicht hat? Und wer hat auf Mittelalter-Märkten eigentlich wirklich Spaß? Was kann ein Kauz? Für welche Jobs lohnt es sich eine Stripperin zu engagieren und wann ist eine Schauspielerin die bessere Wahl? Opfert Deutschland den Göttern der Autobahn tatsächlich jeden Morgen zwei Autofahrer? Müssen es Audi- und Mercedes-Fahrer sein? Wollen Frauen eine weibliche James Bond oder kratzt das zu sehr am Selbstwertgefühl? In welche absurden Situationen geraten Frauen in Gynäkologie-Praxen? Und wie lang ist der Faden einer Kupferspirale? Ähnlich rasant und übergangslos wie diese Aufzählung führte Hazel Brugger durch die unterschiedlichsten Themen. Und trotz ihrer Behauptung, Tropical enthielte keinerlei Systemkritik, konnte der aufmerksame Zuhörer doch den ein oder anderen kritischen Gedankengang heraushören.

An dieser Stelle müssen natürlich auch die besonderen Umstände des Auftritts Beachtung finden. Dass Comedy im Autokino einmal ein plausibles Format werden würde, hätte sich vor ein paar Monaten wohl niemand ausmalen können. Bis wir uns alle daran gewöhnt haben, wird es wohl noch ein Weilchen dauern, doch schon jetzt zeigten viele Besucher:innen – und die Künstlerin – so kreative wie innovative Ideen. Das Repertoire reichte gestern Abend von bunt geschmückten Autos über Applaus- und Emoji-Schilder bis zum kollektiven Türen-Knallen, mit dem das Hup-Verbot umgangen werden sollte. Was Anwohner und Veranstalter davon hielten, als ein Geräusch wie ein Donnerschlag den Messepark erfüllte, darüber soll an dieser Stelle nicht spekuliert werden. Und auch wenn in Trier die deutschlandweit angeblich restriktivsten Weisungen für das Autokino gelten, dann lieben wir dich doch trotzdem – "Trier, du Perle am Hoden des Saarlandes."


Der Auftritt wurde veranstaltet von Carpitol - Kino & Kultur in den Moselauen. 

​Am Freitag, 29. Mai 2020, findet dort das nächste Live-Event mit den 257ers​ statt. Tickets gibt es im Vorverkauf unter carpitol-trier.de​ für ​​67,00 Euro (1 PKW mit 2 Personen). Rückbank-Tickets für eine weitere Person (16,50 Euro)​ und ​die Beckers Carpitol Survival Box (35,00 Euro) können separat ​dazu erworben werden. 


Foto: Noëlle Guidon​

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