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19.11.2022 hunderttausend.de  
Universität Trier

In Frankfurt lancierten deutsche Filmhändler vor 111 Jahren das Starsystem – Hollywood zog nach

​​Ein Projekt der Universitäten in Trier und Marburg hat zu der Schauspielerin Asta Nielsen und dem Beginn des Starsystems geforscht, das noch heute die Vermarktung von Filmen prägt.


 
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​Ende Mai 1911, Frankfurt am Main: Asta Nielsen unterschreibt einen epochalen Exklusiv-Vertrag über 30 Langspielfilme. Die Kinos sollen eine Stummfilmserie mit Asta Nielsen in der Hauptrolle im Voraus blind buchen, ohne dass sie etwas über den Inhalt der Filme wissen. So startete in Frankfurt am Main das Starsystem, das die Vermarktung von Langspielfilmen bis heute prägt: Ein Filmunternehmen bindet eine Schauspielerin oder einen Schauspieler langfristig vertraglich an sich und profitiert von dem Glanz des verpflichteten Stars. Die maßgeblichen Vertragspartner und Finanziers Asta Nielsens waren Christoph Mülleneisen und Paul Davidson, zwei Filmverleiher und Kinobetreiber aus Köln beziehungsweise Frankfurt.

Ein DFG-gefördertes Forschungsprojekt der Philipps-Universität Marburg und der Universität Trier kam zu dem Ergebnis, dass entgegen gängiger Annahmen weder der Filmstar als weltweites Zugpferd des Kinogeschäfts noch das Block- und Blindbuchen in Hollywood erfunden wurden.

„Die in Berlin produzierten Asta Nielsen-Monopolfilm-Serien hatten Pioniercharakter. Europäische Filmmärkte waren in den frühen 1910er-Jahren die Vorreiter des Starsystems im langen Spielfilm“, sagt Forschungsprojektleiter Prof. Dr. em. Martin Loiperdinger von der Universität Trier. Co-Projektleiterin Prof. Dr. Yvonne Zimmermann von der Philipps-Universität Marburg ergänzt: „Asta Nielsen war der erste weltweite Filmstar des Langspielfilms. Die Ergebnisse unserer Untersuchungen zeigen, dass es in Deutschland und Österreich-Ungarn in relevantem Ausmaß gelungen ist, den angestrebten Verkauf der Spielfilmserien mit Asta Nielsen in der Hauptrolle im Modus des Block- und Blindbuchens zu realisieren.“

Gemeinsam mit den wissenschaftlichen Mitarbeitenden Friederike Grimm und Victor Chavez sowie zahlreichen studentischen Hilfskräften wurden in den vergangenen vier Jahren im Rahmen des Projekts Presseanzeigen zu den Filmen von Asta Nielsen aus den Jahren 1911 bis 1914 zusammengetragen und ausgewertet. Als assoziierte Wissenschaftlerin beteiligte sich Julie K. Allen von der Brigham Young University in Provo, USA, an der Forschungsarbeit des Projekts.

Das Ziel des Forschungsteams war, den Vertrieb und die Aufführung der drei Asta Nielsen-Monopolfilm-Serien in den Kinosaisons 1911/12 bis 1913/14 auf den Heimatmärkten Deutschland und Österreich-Ungarn sowie auf den Auslandsmärkten Großbritannien, Australien und Neuseeland soweit möglich zu rekonstruieren. „Die Art, wie Asta Nielsen in den Anzeigen unter anderem mit Porträtfotos und Werbeattributen in Szene gesetzt wurde, zeigt, wie der Verleih auf lokale Werbebedürfnisse der Kinos einging“, sagt Yvonne Zimmermann. Für Großbritannien können die Forschenden mangels ausreichender Kinoanzeigen in der britischen Lokalpresse nicht abschließend sagen, wie viele Kinos die Serien mit Asta Nielsen im Voraus gebucht haben. Jedoch können sie nachweisen, dass die Asta Nielsen-Serien auch hier wesentlich zur Durchsetzung des Langspielfilms als dominierendes Format der Kinounterhaltung beigetragen haben. Filme mit Asta Nielsen waren auch in Australien und Neuseeland außerordentlich beliebt.​

Die wichtigsten Projektergebnisse sind publiziert als Sonderheft der Zeitschrift Early Popular Visual Culture, herausgegeben von Yvonne Zimmermann: „Asta Nielsen, the Film Star System and the Introduction of the Long Feature Film“.

Text: Universität Trier




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