Interviews
30.08.2019 Jana Ernst  
Buchhändler und -Blogger Florian Valerius aka Literarischer Nerd - Teil 1

Literatur zwischen alten und neuen Medien

​​In seiner Filiale als Florian Valerius, in der Bloggerszene als Literarischer Nerd bekannt, gibt der junge Buchhändler einen Einblick in seine Arbeit zwischen Kundenberatung und Instagram Posts. In Trier führt er die Universitätsfiliale der Stephanus Buchhandlung​.

 
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hunderttausend.de: Bei Instagram führst du unter dem Namen @literarischernerd​ einen erfolgreich Buch-Blog und hast inzwischen mehr als 16.000 Abonnenten. Wie kam es dazu?

Florian Valerius: Vor ein paar Jahren habe ich schon mal Rezen​​sionen für eine Online-Zeitung geschrieben. Aber eine richtige Rezension ist immer relativ lang und kostet viel Arbeit. Dann kam eine Phase auf, in der in den Branchenmedien sehr viel über Blogger gesprochen wurde. Da kam auch das Thema Buch-Blogger auf, das ich als Buchhändler total spannend fand. Ich habe mich zu dem Zeitpunkt zwar nicht weiter damit auseinandergesetzt, wusste aber da schon, dass ich mich gerne auch über meine Arbeit als Buchhändler hinaus über Bücher unterhalten möchte. Vor drei Jahren war ich dann endlich in Tokyo, hatte danach über 300 Fotos auf meinem Handy und habe überlegt was ich damit anfangen soll. Da ist mir dann Instagram wieder eingefallen. Aber das einzige, das ich schließlich nicht gepostet habe, waren Fotos aus Tokyo. Zuerst habe ich stattdessen mein Bücherregal fotografiert, kam dadurch gleich auf den Namen Literarischer Nerd und dachte, ich mache einfach mal was mit Büchern. Ich kam zu dem Blog also quasi wie die Jungfrau zum Kinde.

Was spricht dich an Instagram als Medium besonders an?

Ich habe sehr schnell gemerkt, dass es mir Spaß macht diese Bilder zu machen und Bücher thematisch in Szene zu setzen. Was ich darüber hinaus an Instagram auch großartig finde, ist die Länge. Ich habe ja nur die vorgegebene Zahl von Zeichen für einen Post. Das ist wie ein Kundengespräch in der Buchhandlung. Ich kann schließlich nicht zwei Stunden lang auf einen Kunden einreden und versuchen ihn von einem Buch zu überzeugen, sondern muss versuchen es ihm kurz und knackig schmackhaft zu machen. In meinem Deutsch-Abi habe ich 14 Seiten über den Froschkönig referiert und das könnte ich wahrscheinlich zu jedem Buch. Aber das liest ja keiner. Das passt auch wieder zur heutigen Zeit und zu diesem Medium, das bezüglich seiner Länge gut konsumierbar ist. Man muss sich nicht großartig einlesen, sondern bekommt kurz und schnell eine Inhaltsangabe und eine kleine Wertung dazu.

Dein Buch-Blog auf Instagram ist für die Leser also leichter zugänglich als andere Medien?

Ja. Ich denke schon. Ich höre von den "klassischen" Bloggern immer wieder, dass sie permanent Leser verlieren und alles sich immer mehr zu Instagram verlagert. Aber auch Podcasts sind ein großes Thema momentan.

Mein Account spricht viele an - auch Nichtleser, die durch ihn wieder zu Lesern wurden. Leute, die ewig nicht in einer Buchhandlung waren. Sie fühlen sich durch die kurzen, oft emotionalen Rezensionen angesprochen. Viele schreiben mir, dass sie überhaupt erst wieder lesen seit sie den Blog kennen. Menschen, die jahrelang kein Buch gelesen haben und sich auf einmal regelmäßig Bücher kaufen. Das ist für mich das schönste Kompliment. Die, die sowieso lesen, die lesen auch ohne mich. Da ist meine Schwester ein gutes Beispiel. Sie hat bis zu ihrem 26. Lebensjahr kein Buch gelesen und schrieb mir irgendwann nachts, sie fände es so spannend was ich da mache, ich solle ihr mal ein Buch empfehlen. Seitdem liest sie jeden Monat ein Buch. Ich hatte jahrelang versucht sie zum Lesen zu bringen und jetzt auf einmal hat es geklappt!

Hast du den Eindruck, dass sich dein Erfolg bei Instagram auch real auf deine Buchhandlung auswirkt?

Mittlerweile ist es ganz oft so, dass Trierer in meine Buchhandlung kommen, die ich noch nie gesehen habe, die mir dann ihr Handy unters Gesicht halten und sagen: Dieses Buch hätte ich gerne, das Sie empfohlen haben. Aber es gibt auch Stammkunden, die mir erzählen, dass sie mir auch bei Instagram folgen und dann die Bücher kaufen, die ich ein paar Tage vorher vorgestellt habe. Ganz viele ältere Damen entschuldigen sich auch, dass sie kein Instagram haben. (lacht) Denen sage ich immer, dass sie in der Buchhandlung ja live bekommen was ich sonst online mache. Total krass ist für mich, dass hier manchmal samstags Frauen kommen, die sich fünf Stunden ins Auto gesetzt haben um mich live kennenzulernen, von mir beraten zu werden und einen ganzen Stapel Bücher mitnehmen. Mittlerweile bestellen auch Menschen aus ganz Deutschland online bei uns, die durch Instagram darauf aufmerksam geworden sind. Natürlich wird die Buchhandlung dadurch nicht reich, aber meine Bekanntheit bei Instagram wirkt sich auf jeden Fall aus.

Lassen sich viele Leute in deiner Buchhandlung beraten oder suchen sie sich eher selbst etwas aus?

90 Prozent meiner Kunden lassen sich beraten. Als ich meine Ausbildung angefangen habe, war ich darüber echt erstaunt. Ich war nämlich jemand, der sich immer selbst ein Buch ausgesucht hat. Sehr viele Kunden suchen aber tatsächlich gezielt die Beratung und das ist auch das Schöne an meinem Job. Heute, nach 16 Jahren in dieser Buchhandlung, habe ich so ein intimes Verhältnis zu manchen Kunden, dass Frau XY nur reinkommen muss und ich kann ihr sofort ein Buch empfehlen. 

Gedruckte Bücher haben seit einigen Jahren auch Konkurrenz durch ihre elektronischen Gegenstücke. Was hältst du von E-Books?

Ich finde es gut, dass es sie gibt. Gerade wenn man in den Urlaub fährt oder für Leute, die viel unterwegs sind. Aber ich habe leider immer noch 20 Bücher im Koffer, wenn ich in den Urlaub fahre. Ich möchte meine Bücher nicht am Bildschirm lesen. Ich bin da echt Oldschool. Ich muss ein Buch in der Hand halten und durch die Seiten blättern. Das fehlt beim E-Book ja komplett.

Glaubst du, dass das gedruckte Buch irgendwann abgelöst wird?

Eine Zeitlang sind viele Kunden abgewandert und haben nur noch E-Books gelesen, aber jetzt kommen viele – wie bei der Schallplatte – wieder zurück. Inzwischen hat sich das total eingespielt und der E-Book-Markt geht sogar wieder ein bisschen zurück. Und auch E-Books kann man über den lokalen Buchhandel runterladen. Man muss sich schließlich nicht mit dem Kindle an Amazon binden, es gibt auch andere Lesegeräte. Das wissen nur leider viele Käufer nicht. Was vielen auch nicht bewusst ist, ist dass das Leseverhalten der Kunden komplett analysiert wird. Ich fürchte, dass es in Zukunft Rezepte geben wird, wie man ein Buch zu schreiben hat, damit die Leser bestmöglich angesprochen werden. Schon heute wird teilweise nach bestimmten Schemata gearbeitet. Das finde ich befremdlich, denn die Kreativität bleibt dabei völlig auf der Strecke.

Wo siehst du die Zukunft des lokalen Buchhandels?

Letzte Woche hätte ich noch gesagt, dass ich mir keine Sorgen machen. Jetzt (nach der angekündigten Schließung der Stephanus-Filiale in der Innenstadt, Anm. d. Red.) weiß ich es ehrlich gesagt nicht mehr. Einerseits bin ich total begeistert, wie viele Menschen noch Bücher kaufen und lesen. Andererseits habe ich ein bisschen Angst, dass gerade die unabhängigen Buchhandlungen aussterben und es nur noch Ketten gibt. Alles was in meiner Filiale zu finden ist, habe ich selbst ausgesucht. Jedes Buch steht da, weil ich es da hingestellt habe. Einige Ketten lassen sich dagegen von den Verlagen die besten Plätze bezahlen.


​Im zweiten Teil des Interviews geht es um Florian Valerius neues und erstes Buch ​Leseglück. ​​

​​Die Premierenlesung ​​mit Mareike Fallwickl und Florian Valerius findet am ​17. September 2019 in der Kunstakademie Trier statt. Tickets gibt es im Vorverkauf unter www.ticket-regional.de für 15,00 Euro, an der Abendkasse für 17,00 Euro.

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