Stadtgespräch
02.06.2017 Julia Nemesheimer  
Blinden-Kit neu im Stadtmuseum

Inklusion durch Selbstständigkeit

​Gemeinsam mit der Hochschule Trier realisiert das Stadtmuseum Simeonstift derzeit viele unterschiedliche Projekte. Eines davon wurde kürzlich fertiggestellt und dient der Inklusion von sehbehinderten und blinden Menschen. Gestern wurden die neu entwickelten Blinden-Kits vorgestellt, welche ab sofort genutzt werden können.

 
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Menschen mit Beeinträchtigung haben im Alltag kleine und größere Hürden, die in der Vergangenheit oftmals nur unzureichend aus dem Weg geschafft werden konnten. Im Stadtmuseum gibt es seit einigen Jahren verschiedene Angebote, darunter den Audioguide und Ausstellungsbroschüren in Leichter Sprache und diverse Führungen für Menschen mit Beeinträchtigung. Doch bisher hatten beispielsweise Sehbehinderte noch keine Möglichkeit, die Ausstellungen auch selbstständig zu erkunden. Schließlich kann man die Exponate nicht einfach so anfassen, um sich tastend ein Bild von der Stadtgeschichte zu machen. Die Fachbereiche Gestaltung und Intermedia Design haben sich diesem Problem angenommen und in enger Zusammenarbeit mit Betroffenen eine Lösung im Blinden-Kit gefunden. Für drei Räume im Stadtmuseum gibt es nun jeweils einen fahrbaren Trolley, in dem verschiedene Ausstellungsstücke crossmedial erfahrbar sind. Für die jungen Studierenden unter der Leitung von Prof. Dipl. Des. Christopher Ledwig war dies eine ganz neue Erfahrung, die auch in Selbstversuchen intensiviert wurde. Insbesondere das Wegfallen des so wichtigen visuellen Faktors erwies sich als schwierig, basiert doch heute vieles auf Bildern, Videos und ähnlichen Kommunikationswegen.

Exemplarisch wurde das Blinden-Kit für den Trebetasaal vorgestellt. Die Trolleys sind in weiß gehalten, darauf finden sich nicht nur Beschriftungen in Braille- sondern auch in Profilschrift. Nur etwa 20% der Sehbehinderten sind in der Lage, die Punktschrift überhaupt zu lesen, sodass es nötig war, mit beiden Schriftarten zu arbeiten. Die einfache Farbgebung sorgt für die nötigen Kontraste, womit auch Menschen mit sehr geringem Sehvermögen die etwas größer gehaltene Schrift noch lesen, in jedem Fall aber ertasten können. Direkt oben auf liegt ein vereinfachtes Tastmodell, um sich im Raum zu orientieren. Das Marktkreuz etwa kann man aus der ersten Schublade in verkleinerter Form entnehmen und fühlend erfahren. Gerade Gemälde stellen oftmals ein Problem dar, denn aus einer reinen Audiodeskription wird jeder sich ein anderes Bild vorstellen. Daher wurde der Grundaufbau des Gemäldes von Kurfürst Clemens Wenzelaus von Sachsen ertastbar gemacht und einzelne, relevante Details extra dargestellt. Im Blinden-Kit enthalten ist auch ein Smartphone, das via NFC (Near Field Communication) die jeweiligen Audio-Dateien zu den einzelnen Exponaten abspielt. Insgesamt findet sich das Hilfsmittel in drei Räumen des Stadtmuseums.

Die Kits sind absichtlich nicht überladen, auch dies wurde in Absprache mit Betroffenen evaluiert. Die Erfahrung eines Raumes ohne visuelle Eindrücke ist anstrengend und zu viel Input wäre eher kontraproduktiv. Im Vordergrund steht ohnehin die Möglichkeit, dass Sehbehinderte selbstständig und ohne Hilfe das Museum erleben können. Daher ist der Wagen immer in dem Raum zu finden, es ist nicht notwendig, im Vorfeld darum zu bitten. Und auch für Besucher*innen ohne Beeinträchtigung stellen die Hilfsmittel und Informationen einen Mehrgewinn dar, denn wo sonst darf man ein 3-D-Modell der Porta Nigra berühren und so auch haptisch erfahren? 

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