Stadtgespräch
27.04.2015 Julia Nemesheimer Veranstalter
Theatersport Trier wird zehn Jahre alt

Theater auf dem Holodeck

​​​​​Seit nunmehr zehn Jahren begeistert die Impro-Reihe "Theatersport" das Trierer Publikum. Am Donnerstag, den 30. April 2015, findet auf der Großen Bühne im Theater die Jubiläumsshow statt, die bereits nach kurzer Zeit ausverkauft war. hunderttausend.de hat sich mit Klaus-Michael Nix und Tim Olrik Stöneberg zum Gespräch getroffen. 

 
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Ursprünglich kommt das Konzept von Keith Johnstone: Zwei Mannschaften von Schauspielern spielen gegeneinander um die Gunst des Publikums beziehungsweise des Schiedsrichters. In verschiedenen Spielrunden werden dabei Punkte verteilt. Vieles hängt dabei von der Mitarbeit des Publikums ab, das die Impulse für die jeweilige Geschichte beisteuert. 
Seit April 2005 hat die Gruppe in Trier geschätzt hundert Aufführungen vor knapp 20.000 Zuschauern gegeben. Mit dem damals neuen Intendanten Gerd Weber kam die Reihe an die Mosel, nachdem dieser es in Hannover bereits erfolgreich etabliert hatte. 

Die Teams heißen hier Shakespeare Moselsharks (blaues Shirt) und Dramatikers Trier (rotes Shirt). Der Anfang läuft immer gleich ab: Zunächst wird die internationale Theatersporthymne gesungen und anschließend erfolgt der Austausch der Wimpel. Die Spieler improvisieren in ihren Teams, die übrigens erst am Abend zusammengestellt werden, zu den Vorschlägen des Publikums und Spielleiters. Nach jedem Spiel wird mit farbigen Karten über den Etappensieger abgestimmt. 

Gerade die bei jeder Aufführung neu zusammengewürfelten Teams hätten den Vorteil, dass man sich mit keinem absprechen könne, so Tim Olrik Stöneberg, der seit den Anfängen 2005 mitspielt. Und auch die unterschiedlichen Spiele, auf die man zurückgreifen kann, lassen vorherige Planung kaum zu. "Mein Lieblingsspiel ist der "Kurze dramatische Tod". Dabei hat der Schauspieler eine Minute Zeit, an einem Gegenstand zu sterben, der eigentlich nicht dafür vorgesehen ist. Beispielsweise an einer Sonnenbrille oder einer Briefmarke. Auch schön ist "Dolmetscher", da muss man beispielweise erst auf Gebärdensprache was sagen, die man natürlich nicht wirklich kann und das dann auch noch übersetzen. Oder "Dreier-Synchron", dabei bewegt man nur den Mund und der andere erzählt irgendwas. Da kommen also schon echt coole Sachen dabei raus.", so Stöneberg. 

Das Interessante und Spannende für die Zuschauer, aber auch für die Schauspieler, ist, dass jede Vorstellung komplett neu ist. Abgesehen von der Anfangsszene wiederholt sich nichts. Oftmals ist man dann selbst ganz erstaunt, was das Gehirn auf der Bühne alles ausspuckt. So sind schon die abstrusesten Geschichten entstanden, die aber durch das gemeinsame Zusammenspiel absolut plausibel erscheinen. Überhaupt gibt es, auch wenn alles sehr anarchisch erscheint, diverse ungeschriebene Regeln und auch verschiedene Techniken, die man durchaus trainieren kann. "Am Anfang standen wir alle morgens zu Hause allein unter der Dusche und haben Reimen geübt oder ähnliches", so Nix. Am Anfang habe er sich auch in berühmte Literatur z.B. von Autoren wie Shakespeare​ eingelesen, ergänzt Stöneberg.

Theatersport benötigt auch einen Musiker. Diese Rolle übernimmt seit einigen Jahren Christoph Günschmann, der inzwischen auf Grund eines Wohnortwechsels aus Mönchengladbach angefahren kommt. Und auch er hat für das Improvisationstheater einiges üben müssen. "Dafür kann er aber auch einen Mozart aus der Tasche zaubern, den es eigentlich gar nicht gibt - Theatersportmusiker sind sehr schwer zu finden."

Aber auch Schauspieler zu finden ist gar nicht so leicht. Ein gewisses Maß an Verrücktheit und vor allen Dingen auch Kreativität muss schon vorhanden sein. "Improvisation gehört natürlich auch so mit zum Schauspiel, das wird in der Ausbildung auch gelehrt. Aber beim Theatersport gibt es gar keine Regeln. Darum denke ich auch, dass es zwei Sorten von Schauspielern gibt. Die einen können sich sehr gut auf Impro-Theater einlassen, auch wenn sie da Sachen machen müssen, die vielleicht nicht angenehm sind oder auf die man gar keine Lust hat - man darf halt nichts ablehnen, sondern muss sich auch auf seine Mitspieler einlassen. Andere hingegen wollen lieber auf einen Regisseur hören, auf einen Text sich verlassen und sich so mehr Sicherheit verschaffen. Ich kenne Leute, die sagen, sie würden verrückt werden, wenn sie Theatersport machen müssten."

Es kann an solch einem Abend tatsächlich alles passieren - und noch mehr schief gehen. Aber das gehört auch dazu, der Mut zum Versagen und die Überwindung, nicht "perfekt" zu sein. Dabei passieren auch Pannen, oder unerwartete Dinge, wobei Klaus-Michael Nix zwei spezielle Abende einfallen: "Einmal ist ein Schauspieler kurzfristig ausgefallen und da wurde er uns dann vom Krankenbett über Funk zugeschaltet und konnte so doch noch indirekt mitspielen. Oder als Tim keine Stimme hatte und wir ihn letztendlich stumm haben spielen lassen. Er hat also den ganzen Abend über nichts gesagt und es war trotzdem eine richtig gute Vorstellung." 

Anekdoten wie diese gibt es etliche und es sollen auch noch mehr werden. Nicht nur in dieser Spielzeit (unter anderem am 23. Mai), sondern auch unter dem neuen Intendanten. Noch gibt es dazu allerdings keine konkreten Pläne, aber man hofft, dass das Format, welches durchaus als Konstante in der Trierer Theaterwelt anzusehen ist, fortgeführt werden kann. 
Aktuell kann man mit dem Format "Maestro", das mehr mit Laien arbeitet und im Kasino am Kornmarkt den Impromaster Triers sucht, eine etwas abgewandelte Form des Theatersports sehen. 

Bei der Jubiläumsfeier selbst werden alte Weggefährten und etliche Gäste erwartet, die für diesen einen Abend nochmal mit auf der Bühne stehen. 

Abschließend fasst Tim Olrik Stöneberg zusammen: "Theatersport ist wie ein Holodeck - Man steht auf einer leeren Bühne und es entstehen tausend neue Welten an einem Abend. Es ist immer viel zu lachen dabei - und wenn wir Glück haben, auch mal was zum Weinen."

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