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23.06.2015 Julia Nemesheimer Marco Piecuch
Othello Reloaded

Mit lautem Knall

​Am vergangenen Samstag, den 20. Juni 2015, feierte der scheidende Intendant Gerhard Weber seine letzte Premiere in Trier. Mit "Othello Reloaded" entert er gemeinsam mit seinem Ensemble die Industriehalle Bobinet in Trier-West.

 
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Rechter Hand der Alten Färberei gelegen findet man die Halle, die groß überschrieben ist mit "Bobinet ist kein Trend, sondern eine Haltung". Die große Fläche im Inneren ist voll ausgenutzt, neben einer Art offenen Foyers mit Getränkeausschank geht es direkt auf die Bühne zu, umspannt von bestuhlten Tribünen. Die so entstehenden Perspektiven auf die Bühne bieten jeweils komplett unterschiedliche Einsichten auf das Geschehen. Dies wiederum ist Segen und Fluch zugleich: Das Flair der alten Fabrik passt hervorragend zur Handlung und dem Gesamtbild, wären da nicht diverse Pfeiler, die den Blick auf die Bühne teilweise stark einschränken. Daneben ist die Schräge der jeweiligen Sitzreihen nicht ausgeprägt genug, wodurch gerade bei kleineren Menschen der Theaterbesuch zum Hörspiel wird.

Das metallisch glänzende Bühnenbild und die Nutzung einer sehr breiten Bühne, die sich zudem noch mit einer Art Laufsteg in der rechten, oberen Ecke der Bühne ausbreitet und mit einer abgebrochenen Tragfläche, die ebenfalls bespielt wird, in den Zuschauerbereich reicht, führt dazu, dass sich auch das Spiel in die Breite zieht. Nicht selten muss man die passende Figur zur Stimme suchen, wenn man, je nach Sitzplatz, einen Pfeiler vor sich hat. 

Das Stück selbst ist nah am Original und der Stoff ist jedem ein Begriff, der sich zu Schulzeiten mit Shakespeare beschäftigen durfte oder eine der vielfältigen cineastischen Adaptionen gesehen hat: Der dunkelhäutige General Othello heiratet die schöne Desdemona, gegen den Willen ihres Vaters. Neben den Problemen in der Liebe hat er auch im Beruf Neider. Nachdem er Cassio zu seinem Leutnant berufen hat, fühlt sich Jago zurückgestoßen, da er sich berufen sah, diesen Posten zu füllen. Auf seinem persönlichen Rachefeldzug gegen "den Mohren" verschwört er sich mit Rodrigo, dem Verehrer der Desdemona, um in Othello die Eifersucht zu schüren. Seine Frau soll ihm mit eben jenem Cassio Hörner aufgesetzt haben, dem der General so sehr vertraute, dass er ihn zu seiner rechten Hand erhob. Ein heimlich entwendetes und an den richtigen Stellen platziertes Taschentuch sowie heimlich beobachtete Gespräche bilden die Beweisstücke für eben diese Affäre. Schließlich soll Rodrigo den vermeintlichen Schürzenjäger töten - doch dieser wird nur verwundet und an seiner Stelle tötet Jago den Attentäter selbst. Im ehelichen Schlafzimmer überschlagen sich derweil die Ereignisse und am Ende steht - für ein Drama Shakespeares üblich - der Gevatter Tod in mannigfacher Weise vor der Tür.

Bei Othello Reloaded ändert sich an der Handlung weitestgehend nichts - doch spielt die Story nicht mehr im alten Venedig, sondern 2040 auf einer Air-Base im Südpazifik. Der Militär-Jargon wird beibehalten, doch Desdemona und Emilia, die Frau Jagos, bekommen stärkere Rollen zugesprochen, indem sie als erfolgreiche Designerin beziehungsweise deren Assistentin arbeiten. Drogen spielen eine Rolle, aber noch immer stehen in erster Linie der Konkurrenzkampf, Rassismus und die Eifersucht im Vordergrund - eingebettet in die modernere Umgebung, um so auch die aktuelle Brisanz noch aufzuzeigen. 

Die Kostüme von Alexandra Bentele sind trashig - ​futuristisch, weisen aber unübersehbare klassische Elemente auf: So erinnert die Kopfbedeckung der Desdemona unweigerlich an Kleopatra, während Othello Ähnlichkeit mit dem Phantom der Oper zeigt, wobei die Tätowierungen deutlich besser wirken könnten, würde sein Pulli subtiler aus- oder noch eher wegfallen.

Das Ensemble, das mit dem Ende der Spielzeit aufgelöst werden wird, spielt, singt und tanzt fast drei Stunden lang noch einmal gemeinsam. Unterstützt werden sie dabei von Andrea M. Pagani als Othello, der seit den frühen 90ern in verschiedenen Musical-Produktionen in Haupt- und Nebenrollen an wichtigen deutschsprachigen Theatern tätig ist. Mit Nadine Eisenhardt wird auch die Rolle der Desdemona von einer studierten Musical-Darstellerin übernommen, die in jüngster Zeit bereits in verschiedenen Produktionen des Trierer Theaters aufgetreten ist. Einen sehr großen Anteil am Stück hat Sven Sorring, nicht nur wegen seiner Umsetzung des Jago - er hat auch gemeinsam mit Gerald Landschützer die Musik für das Rockspektakel komponiert und die Texte geschrieben. Live wird dies von der Band CowGaroo, deren Leadsänger er eigentlich ist, umgesetzt, die ein rockiges Riff nach dem nächsten raushaut. 

Zusammengefasst greift Weber in seiner letzten Inszenierung auf klassischen Stoff zurück - Eifersucht, Drama, Liebe und Intrigen ziehen schließlich immer. Das moderne Gewand, das er Othello überzieht, um ihn neu zu erschaffen, hat seine Höhe-, aber wie so oft auch Tiefpunkte. Es mag gewagt erscheinen, manchmal aber wirkt es zu gestellt, sodass man diese ganze trendige, hippe Inszenierung nicht so ganz greifen kann. Teilweise zieht es sich in die Länge, weshalb der Verzicht auf den ein oder anderen der 21 Songs dem Stück sicherlich gut getan hätte. 

Mit der richtigen Vorbereitung aber - auf den Inhalt, den sprachlichen Wechsel von deutsch zu englisch und im Hinblick auf die Leistung des Ensembles, welches noch ein letztes Mal in dieser Konstellation sein Bestes gibt - findet man eine würdige Verabschiedung von Gerhard Weber vor.

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