Interviews
14.03.2019 Jörg Halstein hunderttausend.de
25 Jahre Broadway Filmtheater

"Kino als besonderen Ort wird es immer geben"

​​​​Am 17. März 2019 feiert das Broadway Filmtheater in der Paulinstraße runden Geburtstag. Das Trierer Kino, das 1994 eröffnet wurde, wird 25 Jahre alt. Wir haben mit Dirk Ziesenhenne und Josefine Kraft vom Broadway gesprochen.

 
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​​hunderttausend.de: Rückblick 1994 - damals gab es in Trier neben der kleinen "Flimmerkiste" im Margarethengässchen nur das von Euch betriebene "Royal" in der Paulinstraße und das "Atrium" in der Maximinstraße. Mit der Eröffnung des großen "Broadway", das mit immerhin fünf Kinosälen und über 600 Sitzplätzen ausgestattet war, wurdet Ihr zum neuen Platzhirsch in Trier...

Dirk Ziesenhenne: Wir sind ja schon seit 1988 in Trier und ich habe damals mit dem "Atrium" angefangen, seinerzeit noch zusammen mit meinen Eltern. Als das "Capitol" Ende 1987 endgültig schloss, hat sich tatsächlich eine Kino-Lücke in Trier ergeben, die wir 1994 mit dem "Broadway" schließen konnten. In der Paulinstraße konnten wir eine Immobilie im der Familie Weber pachten, die früher eine Autowerkstatt und später ein Autohaus war. Im Hinterhof war der "Auto Radio Spezialdienst".

1994 wurden Filme wie Forrest Gump, Pulp Fiction oder König der Löwen veröffentlicht - waren das noch goldene Zeiten?

Dirk Ziesenhenne: Tatsächlich ging es damals mit dem Kino insgesamt wieder aufwärts, nachdem wir die Delle, die das damalige Video- und Videoverleihgeschäft verursachte, überstanden hatten. Als wir 1988 ins Kinogeschäft eingestiegen sind, haben uns noch alle für bekloppt erklärt. Mitte der 90er eröffneten zudem die ersten Multiplex-Kinos, über die natürlich viel gesprochen wurde. Und wir haben den Trend aufgegriffen und damals alle Mainstream-Hits über die Leinwände gejagt. Damals waren wir inhaltlich meilenweit davon entfernt, was wir heute tun.

Ist das "Broadway" dann auch als ein Versuch von Euch zu verstehen, sich vor einem möglichen Trierer Multiplexkino möglichst breit aufzustellen?

Dirk Ziesenhenne: Das kann man durchaus so sehen. Wir hatten natürlich im Hinterkopf, Trier damit vielleicht auch etwas unattraktiver für die großen Ketten zu machen. Dem war dann aber natürlich nicht so. Als "Multiplex" konnten wir uns damals übrigens nicht bezeichnen, weil willkürlich festgelegt wurde, dass ein solches Kino 7 Säle braucht, auch wenn wir z. B. mit amphitheaterartigen Kinosälen und einem modernen Dolby Surround-System alle anderen Kriterien erfüllten.

Die Filmförderungsanstalt Berlin weist bis immerhin 1997 Zahlen für die Kinowirtschaft aus, demnach sind in den letzten gut 20 Jahren die Zuschauerzahlen mit einem Minus von 17 Prozent einerseits beträchtlich gesunken, andererseits sind die Umsätze preisbereinigt sogar leicht gestiegen. Ist die Kinokrise eigentlich gar keine?

Josefine Kraft: Bei uns hat sich das in den letzten Jahren ein bisschen anders entwickelt: Wir haben dank unserer Aktionen z. B. deutlich steigende Zuschauerzahlen unter Schülern, die aber einen geringeren Eintrittspreis bezahlen.

Dirk Ziesenhenne: Ganz allgemein betrachtet muss man die gestiegenen Zahlen auch im länderspezifischen Kontext betrachten. Rheinland-Pfalz war früher sicherlich eher eine Kino-Diaspora. Im ländlichen Raum legen die Zuschauer eben nicht so einfach mal 30 Kilometer zum nächsten Kino zurück. Auf der Ebene der Eintrittspreise haben auch die Multiplexe dazu beigetragen, dass das Preisniveau in den letzten Jahren gestiegen ist. Darüber hinaus mussten wir bei zurückgehenden Besucherzahlen auch reagieren, indem wir mit Aktionen Anreize schaffen wollen, dass die Besucher mehr als nur die Eintrittskarte kaufen.

Also z. B. über ein gastronomisches kulinarisches Angebot.

Ja klar, aber wir stellen fest, dass wir da heute immer noch zu wenig machen. Bei uns beschränkt es sich auf das Thekenangebot, da könnten wir uns noch serviceorientierter aufstellen.

Was waren oder sind die größten Herausforderungen für ein inhabergeführtes örtliches Kino: die Multiplex-Kinos (das CinemaxX öffnete 2000), Videotheken, Raubkopien oder Netflix?

Anfänglich waren hier noch von Videotheken umzingelt, die gibt es heute überhaupt nicht mehr. Letzten Endes hat das Kino als sozialer Treffpunkt dann eben doch mehr zu bieten als die Couch im einsamen Wohnzimmer. Nichtsdestoweniger stellen sich heute mit den Streaming-Diensten ähnliche Herausforderungen für uns. Ob dieser Trend ähnlich wie bei den Videotheken irgendwann noch einmal abebbt, wird auch an uns Kinos liegen. Wenn wir es als Branche schaffen, uns noch einmal zu erneuern und zu renovieren, mehr Service, mehr Komfort, mehr Individualität zu bieten, dann können wir auch bestehen.

Josefine Kraft: Uns schwebt die Idee vom kleinen Schachelkino vor - aber in richtig sexy. Also ein Kino, in das ich mit einer Gruppe von Freunden gemeinsam gehen kann, um "Bohemian Rhapsody" nur mit meinen Freunden erleben zu können, dazu vielleicht ein besonderes gastronomisches Angebot oder andere individuelle Services buchen kann. Kino kann dann eine besondere Alternative zur privaten oder Firmenfeier werden.

An welche besonderen Zeiten in der Geschichte des Broadways blickt Ihr zurück?

Die großen Umwälzungen waren vor allem technischer Natur. Der Schritt von analoger zu digitaler Technik (den wir 2012/13 genommen haben) war mindestens so groß wie der von Stumm- auf Tonfilm. Wenn man alleine an "Bohemian Rhapsody" denkt, der bei uns 18 Wochen gelaufen ist - früher hätten wir den Zuschauern nur noch eine ziemlich abgenudelte Filmkopie zeigen könnnen. Heute können wir auch dem zehntausendsten Besucher die gleiche Qualität bieten.

Auch die Verfügbarkeit von Filmen hat sich deutlich verbessert, insbesondere wenn es um Versionen in der Originalsprache geht, die wir immer schon gerne zeigen wollten und heute auch endlich zeigen können. 

Der große Umbau des "Broadway" im Jahr 2008 war für mich ein weiterer Meilenstein, weil damit ja auch die Neuausrichtung als Programmkino verbunden war. Damit haben wir uns am Anfang ehrlicher Weise schwer getan, auch weil wir für viele Trierer noch als der Mainstream-Bösewicht galten, der für die Schließung der "Flimmerkiste" verantwortlich gemacht worden ist. Wir mussten auch bei der Programmgestaltung einige Lernkurven nehmen, mittlerweile gehören wir in Rheinland-Pfalz beständig zu den Top 3-Programmkinos im Land und waren für die Programmpreisverleihung mittlerweile schon zweimal der Gastgeber.

Josefine Kraft: 2014 haben wir die Kinosäle noch einmal neugestaltet, sind in der Optik wertiger geworden und haben den Sound runderneuert. 2017 durften wir hier die Deutschland-Premiere von "Der junge Karl Marx" zeigen, da war natürlich auch August Diehl dabei.

Dirk Ziesenhenne: Trier ist nicht nur verkehrstechnisch eine eher schwierige Adresse, aber trotzdem haben uns in den vergangenen Jahren immer mal wieder namhafte Filmschaffende besucht. Spontan fallen mir Katja Riemann, Jasmin Tabatabai, Jan Josef Liefers und Joachim Król ein.

Josefine Kraft: Was!? Król!? Das muss aber vor meiner Zeit gewesen sein!

Wird das Broadway auch einen 50. Geburtstag feiern können?

Dirk Ziesenhenne: Dann bin ich aber nur noch als tattriger Ehrengast dabei!

Josefine Kraft (lacht): Wahrscheinlich kommen die Besucher dann in fliegenden Autos, das wird die Parkplatzsituation bei uns entspannen.

Dirk Ziesenhenne: Die Filmbranche insgesamt ist nach meinem Empfinden zu langsam im Kopf. Wir Kinobetreiber denken meist innovativ und sind ja auch wegen des direkten Zuschauerkontakts am Puls der Zeit, aber oft genug sehe ich, dass wir von denjenigen, die uns die Filme bereitstellen, ausgebremst werden. Andererseits können wir dank der digitalen Technik auch ganz neue, lokale Inhalte erschließen und uns so noch stärker in unserer eigenen Stadt zu platzieren

Josefine Kraft: Wir haben z. B. den Film, den der heutige Trierer Hochschul-Dozent Jonas Eiden als Bachelor-Arbeit gedreht hat, hier zeigen können.

Insgesamt glaube ich aber an die Zukunft des Kinos, das gibt es schon seit 1895. Es hat so viele Veränderungen gegeben, vom Stumm- auf den Tonfilm, vom Schwarz-Weiß-Film auf den Farbfilm, es hat so viele Krisen gegeben. Kino als besonderen Ort wird es immer geben - vielleicht in anderer Form, mit anderen Inhalten. Aber den dunklen Raum, in dem eine Leinwand angeleuchtet wird, den wird es auch in 50 Jahren geben.​

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