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30.05.2020 Jana Ernst Jana Ernst
257ers im Carpitol

Wall of Blech

​Am Freitagabend stand das Deutsch-Rap-Duo 257ers auf der Carpitol Bühne. Wie aber funktioniert deren Konzept – verortet irgendwo zwischen Deutsch-Rap, Satire, unterschwelliger Systemkritik und Party-Musik – vor einem Publikum, dessen Reaktionsmöglichkeiten extrem eingeschränkt sind?​

 
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„Ey die Weltbevölkerung steigt, ihr schmiedet große Pläne
wie den Mond aber seid gegen Homo-Ehe.
Warum ist der Rand vom Käse schon wieder hart?
Und warum ist der Hamster gestorben?
Warum hat der Hund den Haufen mitten auf die Wiese gemacht
Und warum stinkt das?
Warum können wir nicht auf Bären zur Arbeit reiten
Und warum ist der Nachbar so laut?
Warum, ja warum, ja warum, warum regst du dich denn auf?“

Die Rap-Combo 257ers lebt von absurden Texten und mindestens genauso abgefahrenen Auftritten. Wie also funktioniert dieses Konzept – verortet irgendwo zwischen Deutsch-Rap, Satire, unterschwelliger Systemkritik und Party-Musik – vor einem Publikum, dessen Reaktionsmöglichkeiten extrem eingeschränkt sind? Der vergangene Abend brachte zu dieser Frage zwei Antworten:

Zum einen funktioniert das, indem die zwei Rapper Shneezin und Mike eine Performance ablieferen, der man kaum anmerkt, dass das Feedback vom Publikum fast völlig fehlt. Zwar weisen die Beiden mehrmals darauf hin, dass die ganze Situation auch für sie äußert sonderbar ist, doch ihre Energie kann man bis ins Auto spüren. Ein echter Ersatz für blauen Flecken und verschwitze Körper aus dem Pogo ist das natürlich nicht – auch die eigentlich obligatorische Wall of Death (wer mit dem Begriff nichts anfangen kann, einmal bitte hier klicken) musste gestern ausfallen. Kurz wurde dann über eine Wall of Blech sinniert, zugunsten der Gesundheit und der Geldbeutel​ aller aber schnell wieder verworfen. Für die übliche Interaktion muss also irgendwie anders gesorgt werden: So drehen die zwei kurzerhand ein paar Runden durch den Messepark und machen unzählige Selfies mit ihren treuen, ans Auto gefesselten Fans– nur bei geschlossener Fensterscheibe versteht sich.

„Piraten haben niemals Angst, wir schwimmen mit den Haien
Deswegen fehlt fast jedem von uns mindestens ein Bein
Ein echter Seemann kennt keinen Schmerz, wer will denn da gleich weinen?
Zu unseren liebsten Hobbys zählen Kneipenschlägereien."

Zum anderen funktioniert das, indem die Fans (von den Rappern liebevoll Mutanten getauft) gewisse Einschränkungen schlichtweg ignorieren. Hupen strikt verboten? Hup-Konzert führt zum Event-Abbruch? Man dürfte sich wohl kaum Mutant nennen, wenn man das nicht als direkte Einladung zum Austesten von Grenzen nehmen würde. Also wurde so lange exzessiv gehupt, bis die Security den Künstlern aus dem Backstage nonverbal aber unmissverständlich zu Verstehen gab, dass bei der nächsten Aktion der sprichwörtliche Stecker gezogen wird. Tatsächlich hält sich das Publikum ab dann weitestgehend und offensichtlich mit Mühe zurück. Bis zum Schluss. Denn wenn der Auftritt vorbei ist, kann schließlich auch nichts mehr abgebrochen werden. Aber mit Regel-Konformität konnte auch niemand rechnen, der mit den 257ers und ihren Fans auch nur annähernd vertraut ist.

„Komasaufen, abschießen, kotzen gehen, trotzdem stehen bleiben
Und dann Akk und einfach weiter aus der Pulle saufen
Abriss, Showtime, Gangbang, Delirium
Alles hier kaputt machen, rumschreien, Akk!“


​Das Konzert wurde veranstaltet von Carpitol - Kino & Kultur in den Moselauen​

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