Interviews
14.03.2017 Vincenzo Sarnelli Veranstalter
Tim Kasher im Mauerpfeiffer Saarbrücken

"Eine Beziehung zu führen ist hart"

Mit dem Album "No Resolution" hat Tim Kasher die 17. Platte in 20 Jahren veröffentlicht. Als wäre das nicht Arbeit genug, hat er grade bei seinem ersten Film Regie geführt und das Drehbuch geschrieben, der später im Jahr erscheint. Vor seinem Konzert am 16. März 2017 im Mauerpfeiffer Saarbrücken sprachen wir mit ihm. 

 
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​hunderttausend.de: Tim du hast das Album „No Resolutions“ veröffentlicht. Mit dem gleichen Titel wirst du einen Film im weiteren Verlauf des Jahres veröffentlichen. Ist das Album also ein Soundtrack zum Film oder der Film eine Art Fortsetzung oder filmische Umsetzung des Albums? 

Tim Kasher: Um es mal so zusagen, ich denke, dass es weder noch ist. Die beiden Teile stehen erst mal für sich als neues Album und Film, auch wenn die Musik im Film vorkommt. Ich habe das Album aber komponiert, bevor ich den Film geschrieben habe. Die Musik war also zuerst da.
 
Worum gehts denn in dem Film? Du hast Regie geführt und das Drehbuch geschrieben, oder?
 
Ja. Ich habe den Film geschrieben und Regie geführt. Ich schreibe Drehbücher seit mittlerweile zehn Jahren. Das ist etwas, das ich wirklich liebe. Ich glaube, ich mag einfach das Schreiben, unabhängig vom Medium. Aber Regie führen war total neu für mich und ziemlich aufregend. Ich konnte die gesamte Zeit über kaum schlafen und wenn ich geschlafen habe, dann ziemlich fest (lacht). Im Film geht es um ein verlobtes Pärchen, was ein Kind erwartet und sich quasi die gesamte Zeit über ihre Beziehung und die Zukunft streitet. Und das an Silvester.
 
Hat der Film, dich beim Musik schreiben vorher irgendwie, abseits des Textest und der Musik, auch irgendwie dramaturgisch beeinflusst? Hattest du den Film immer im Kopf beim Schreiben?
 
Wie gesagt, die Musik kam zuerst. Aber ich habe, nachdem ich das Skript für den Film geschrieben habe, ein paar Songzeilen verändert, sodass sie besser zur Story des Films passen. Und ja, die Story hatte auf jeden Fall einigen Einfluss darauf, wie ich nun zum Beispiel über persönliche Beziehungen denke und das wiederum hatte natürlich einen starken Einfluss auf das Album.
 
Ist es für dich okay, wenn man das Album als „Konzeptalbum“ bezeichnet? Vor allem, wenn man bedenkt, dass deine Lyrics immer stark im Bereich des Storytelling waren?
 
(Lacht). Es ist vollkommen okay, das Album als „Konzeptalbum“ zu bezeichnen. Viele meiner Alben sind auf ihre Weise konzeptualisiert. Dieses Album beinhaltet einige verschiedene Themen, die aber alle auf den selben Kern zurückzuführen sind und hoffentlich auch so gut zusammen funktionieren.
 
Auf mich wirkt es so, dass der Sound des Albums orchestraler geworden ist. Er wirkt zumindest größer, schwerfälliger, bodenständiger, als das, was deine Fans sonst so gewohnt sind. Wie war das für dich im Entstehungsprozess: Auf der einen Seite deine Herangehensweise an Musik in der Vergangenheit und eben jetzt dieses Konzept und den Film im Hintergrund mit seinen speziellen Bedürfnissen und Anforderungen?
 
Nun, es muss jetzt nicht so traditionell orchestral werden, um als Soundtrack zu funktionieren, wie du vielleicht im Sinn hast. Vor allem nicht im modernen Sinne. Diese Art von Musik hat mir einfach zu der Zeit gut gefallen. Und ja, es scheint schon so zu sein, dass es auch einen Einfluss aus der Richtung der modernen Filmmusik gegeben hat. Aber das ist auch etwas, was ich an diesem Album mag. Grundsätzlich ist die derzeitige Filmmusik aber noch viel moderner, als das was ich da auf dem Album mache (lacht). Eine Platte wie diese zu machen macht echt viel Spaß, weil da so viele Dinge sind, die zusammen passen müssen. Ich mag es mit einer Band zusammen zu schreiben, auch wenn der Entstehungsprozess dann ein bisschen anders ist. Manchmal vermisse ich das kollektive Gefühl einer Band, die Kameradschaft sozusagen. Das vermisse ich wirklich. Was die Rezeption des neuen Albums von Leuten anbelangt, die meine Musik kennen, ist es so wie bei jedem Album. Ich hoffe einfach, dass sie dem Sound eine Chance geben. Ich habe auf jeden Fall mitbekommen, dass die Leute es gerne hören, wenn ich mit Streichern gearbeitet habe, das könnte also auch dieses Mal funktionieren. Ich hoffe es zumindest.
 
Der Song „Break me open“ gefällt mir sehr. Du singst „I’ve got my crosses to bear/ I’ll be your husband, I’ll be your father, I’ll be your friend“. Das klingt für mich, wenn ich das richtig verstehe wie ein Mann, der diesen Anspruch an sich selbst erhebt, oder seiner Frau diese Versprechen macht. Gleichzeitig klingt der Song, als wäre das zum Scheitern verurteilt. Also…. wo ist das Problem?
 
Ich mag den Song auch sehr! Mein Favorit auf dem Album. Im Film ist es tatsächlich zum Scheitern verurteilt. Meiner Meinung nach ist es ziemlich hart Beziehungen zu pflegen für uns Menschen. Oft sind Menschen in Beziehungen in denen sie gar nicht sein sollten und wollen. Aber sie bleiben zusammen, aufgrund eines Pflichtbewusstseins. Auch wenn es schön ist zu hören, dass Leute Verantwortung in ihrer Beziehung übernehmen, fühlt es sich doch manchmal ziemlich traurig an. Wir sind nur eine kurze Weile auf dieser Erde. Und es ist furchtbar sich vorstellen zu müssen, dass man diese Zeit mit jemandem verbringt, der eigentlich gar nicht der oder die Richtige für uns ist.
 
Du hast dein 17. Album in 20 Jahren veröffentlicht. Mal unabhängig davon, dass nicht viele Bands überhaupt zum 20. Jubiläum kommen, haben die, die es schaffen nicht diesen kreativen Output. Woher kommt es?
 
Wow, ist das wahr? Das klingt ziemlich verrückt, wenn man es so sagt, aber es macht mich eigentlich auch ziemlich stolz. Ich liebe es zu schreiben und den kreativen Output in nahezu jeder Form. Ein guter Freund hat vor kurzem noch gescherzt, dass ich nicht in der Lage bin Urlaub zu machen. Dass ich nicht der Typ sei, der einfach mal „nichts“ tun kann. Obwohl ich da nicht mit ihm einer Meinung bin - ich kann nicht ziemlich gut faulenzen und nichts tun - hab ich schon verstanden, was er meinte. Das Ding ist: Ich liebe was ich tue so sehr, dass ich davon gar keinen Urlaub brauche. Der beste Urlaub für mich ist irgendwo in eine Blockhütte zu gehen und dort eine Woche lang nur zu schreiben. Das klingt übrigens so cool, dass ich das am liebsten sofort machen würde.
 
Wenn du zurück schaust. Ist es irgendwie surreal für dich, dass du mittlerweile über zwei Dekaden im „Geschäft“ bist? Gab es Zeiten in denen du alles hinwerfen wolltest?
 
Wow, ja. Absolut unglaublich und surreal. Ich weiß wirklich nicht, wie ich das alles noch mache. Ich bezahle meine Miete und meine Steuern pünktlich. Manche Jahre zwar grade so, aber immerhin (lacht). Ich habe aber schon mal darüber nachgedacht, von diesem auf Tour-Business wegzukommen. Aber diese Gefühle haben nie wirklich lange gehalten. Ich bin eigentlich ziemlich zufrieden mit dem was ich mache, und selbst mit den eher schwierigen Umständen, wenn zum Beispiel wenig Leute zu den Shows komme, fühlt es sich nicht so an, als würde ich meine Zeit verschwenden. Touren und Reisen ist ein großes Privileg, das ich immer geschätzt habe und nach wie vor schätze.
 
Ich hab zur Vorbereitung auf dieses Interview ein paar Artikel über dich gelesen. Und dort stand doch öfter, dass du eine Art „Geheimtipp“ bist. Irgendwie beißt sich das ja mit der Tatsache, dass du seit 20 Jahren dabei bist. Ärgert dich das?
 
Ha, nein das ärgert mich überhaupt nicht. Es ist ja irgendwie auch romantisch verklärt, wenn man der Underdog ist. Und ich bin wirklich nach wie vor sehr froh, mit der Situation und der Position in der ich mich seit einigen Jahren jetzt schon befinde. Dass ich nach wie vor gefragt werde, ob ich nicht auf Tour gehen und auf der Bühne stehen will, ist eine totale Ehre und etwas, was ich niemals für selbstverständlich halten werde.

Umso mehr freuen wir uns auf das Konzert im Mauerpfeiffer in Saarbrücken. Vielen Dank für das angenehme Gespräch, Tim Kasher. 


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