Interviews
23.04.2017 Vincenzo Sarnelli Vincenzo Sarnelli
Spaceman Spiff in der Luke

"Mitten im Nichts, die Buxe nass"

​Dass Hannes Wittmer alias Spaceman Spiff ein besonderer Mensch ist, in dem was man Musikbusiness nennt, kann man spätestens dann sehen, wenn man ihn auf der Bühne erlebt. Auf dem Peak seines Erfolgs, nahm der Würzburger eine Auszeit. Jetzt ist er wieder da. Am 02. Mai 2017 steht er in Luke auf der Bühne. Wir sprachen vorher mit ihm unter anderem darüber, dass das gar keine Selbstverständlichkeit ist.

 
Image
​hunderttausend.de: Hannes, da bringt ein Künstler 2014 ein sehr erfolgreiches Album raus, verbringt zwei Jahre unermüdlich auf Tour, nur um sich dann, trotz großem Erfolg, erstmal eine zweijährige Pause zu nehmen. Klingt in der heutigen Zeit nicht wirklich logisch. Erklär uns doch mal, warum der Spaceman Spiff es trotzdem gemacht hat.
 
Hannes Wittmer: Ich hab ja schon öfters Pausen gemacht, in denen ich auf Reise war, aber da war meistens klar, dass es direkt weiter geht mit der nächsten Platte oder dem nächsten Projekt, wenn ich wieder da bin. Ich glaube, mir war jetzt einfach mal wichtig, das komplett auf Eis zu legen. Ich wusste nicht, wann es zurückgeht und ob ich wieder was mache. Ich hab in dieser Zeit auch kaum über Spaceman Spiff nachgedacht. Das hat wirklich gutgetan. Acht Jahre in denen ich getourt bin und drei Alben gemacht habe. Das hat einfach mal gereicht. Ich habe auch ein neues Projekt gegründet, das heißt Otago. Da ist auch vor kurzem ein Album rausgekommen. Vor kurzem hab ich dann wieder Bock entwickelt als Spaceman zu spielen. Vor allem das Live spielen hat mir gefehlt. Und um mich da wieder ran zu tasten, mache ich diese Tour mit Clara. Das war eine super Entscheidung. Wir haben total viel Spaß.
 
Nach der Verkündigung dieser Auszeit durch deinen Newsletter und im Rahmen eines Interviews, hatte ich den Eindruck, dass viele Leute echt Sorge um dich hatten, dass es dir nicht gut ging.
 
Ich pflege ja ein ziemlich enges Verhältnis zu meinem Publikum, schreibe z.B. Newsletter, die sich eher wie E-Mails an Freunde anfühlen und versuche nicht einfach bloß zu informieren und für meine Konzerte und Alben zu werben. Da bekommen die Leute wohl einfach auch mit wenn ich mal etwas ausgebrannt und nicht so euphorisch wie sonst wirke. Ich glaube es hat einige auch überrascht, weil das, was ich gemacht habe, eigentlich total gegenläufig zu dem ist, was man in der Musikindustrie halt machen würde. Viele Leute haben zu mir gesagt, dass ich grade auf dem Peak meines Erfolges bin und ich dann wieder die nächste Platte hinterher schießen muss und so. Rein wirtschaftlich war die Pause total bescheuert. Aber ich habe das Glück gehabt, dass ich mir durch die vielen Konzerte, die ich gespielt habe, ein gewisses Polster angespart habe. Die Pause war also durchaus auch vorher geplant.  Ich hatte also keinen Druck sofort weiter zu machen. Ich verstehe auch manchmal gar nicht, wie andere Leute das können. Platte rausbringen, auf Tour gehen und Zack, wieder den nächsten Hit schreiben. Ich habe so das Gefühl, dass ich erstmal wieder leben und Sachen erleben muss, um wieder Themen zu haben, über die ich schreiben kann. Ich glaube also, dass die Leute es einfach anders erwartet haben, durch diesen „Schritt nach vorne" und die gestiegene Bekanntheit.
 
Du bist bei einem durchaus bekannten und beliebten Label gelandet mit Grand Hotel van Cleef. Wie haben die reagiert? Wussten die davon?
 
Och, mit denen hab ich einfach geredet, dass ich jetzt erstmal nix mache. Und die haben mir da keine Steine in den Weg gelegt. Es war schon so, dass die auch gesagt haben, dass da jetzt auch gewisse Chancen bestehen. Aber ich habe das auch relativ klargemacht, dass ich diese Pause für mich angedacht habe. Auch wenn ich mal gefragt wurde, ob ich mir sicher bin, hat aber nie jemand versucht mir das irgendwie auszureden oder mich vom Gegenteil zu überzeugen.
 
Texte sind bei dir relativ wichtig. Du sagst selbst, dass du erstmal wieder Dinge erleben musst, um genug Inhalt zu haben. Daraus ergibt sich für mich die Frage: Ist Album schreiben für dich die Kür eines kreativen Prozesses oder die Pflicht um wieder einen Grund zu haben auf Tour zu gehen?
 
Ich würde den Prozess nicht „Album schreiben" nennen. Ich schreibe Lieder und irgendwann sind das einfach genug, um daraus ein Album zu machen. Vielleicht war es am ehesten noch so beim letzten Album. Da ist das eine aktivere Sache gewesen, weil das auch ein bisschen ein Konzept-Album ist. Ich habe mich viel um das Thema wie leben wir in unserer Gesellschaft und was macht das aus uns gedreht. Aber generell haben mich einfach Sachen bewegt und ich hatte das Bedürfnis, die zu verarbeiten. Und irgendwann sind daraus genug Lieder entstanden, um daraus eine Platte zu machen. 
 
Abgesehen von der Business-Seite, wie empfindest du denn die Erwartungshaltung deiner Fans oder von den Leuten, die deine Musik vielleicht auch neu entdeckt haben?
 
Ich habe tatsächlich eigentlich erwartet, dass da in die Richtung was kommt. Aber ich habe wirklich voll viele E-Mails mit netten Wünschen bekommen. Es war nie vorwurfsvoll. Ich habe auch schon befürchtet, wenn ich jetzt ohne neues Programm auf Tour gehe, dass da irgendwas zu kommt. Aber gar nichts. Ich habe zwar schon ein paar neue Lieder geschrieben, die ich auch auf der Tour spiele. Aber alle freuen sich, dass ich überhaupt da bin und was mache. Die Leute verstehen einfach, dass wenn ich mich einfach hinsetze und sage, dass ich jetzt ein Lied schreibe, dass das was da raus kommt nicht echt ist oder austauschbar ist. Ich merke das selbst. Es ist konstruiert, weil ich als Beruf „Musiker" gewählt habe. Ich muss natürlich immer dazu sagen, dass ich derzeit auch kein Kind zu ernähren habe oder ein Haus abbezahlen muss. Ich habe also auch nicht so die Zwänge wie andere. Ich würde also nie einem Musiker etwas vorwerfen wollen. Ich weiß diese Freiheit aber sehr zu schätzen.
 
Es scheint dich aber schon beschäftigt zu haben. Auch in Bezug auf deinen Beruf und deinen Berufsstand im Gesamten, oder?
 
Sehr. Die Frage was passiert, wenn wirtschaftliche Interessen auf Kunst und Musik im Speziellen treffen. Da muss ich mir immer wieder überlegen, wie lange ich das machen will und vor allem auf welche Art und Weise. Wann muss ich anfangen Kompromisse einzugehen? Und manchmal stelle ich da schon eine gewisse Diskrepanz fest. Es ist ja kein Geheimnis, dass es Leute im Musikbusiness gibt, die dem Prinzip folgen, dass der Erfolg und die Verkäufe grundsätzlich allem Künstlerischen übergeordnet sind. Ich hab auch das Gefühl, dass das selbst im Indie-Bereich zunehmend unkritischer gesehen wird. Zum Teil ist das leider eine Notwendigkeit im Überlebenskampf der kleinen Künstler und Labels, ich hab aber das Gefühl, dass es gerade auch Zeitgeist ist, generell unkritischer zu sein. Es gibt dieses schöne Zitat von Michael Ende: Manchmal ist es auch einfach schön einen Baum zu pflanzen, aber nicht aus dem Grund, dass er dir Schatten spendet oder man ihn zu Holz verarbeiten kann, sondern einfach, weil der Baum schön ist. Mir ist das wichtig, dass dieser Gedanke mindestens einen Teil des Prozesses ausmacht, am liebsten sogar den Hauptaspekt. Wenn ich davon zusätzlich die Butter aufs Brot kriege, dann ist das das allergrößte Geschenk.
 
Als du bei Facebook den ersten Spaceman Spiff-Song nach der Pause gepostet hast, hatte ich nicht den Eindruck, dass das ein wirklich total freudiger Post war, nach dem Motto: „Bäm, Ich bin wieder da". Eine Unterstellung?
 
Gute Frage. Ich habe ein wenig Angst davor gehabt, glaube ich. Weil ich gemerkt habe, dass es mich davor so ein bisschen ausgelaugt hat und ich mir selbst auch nicht mehr gefallen habe. Es stimmt schon, mit diesem neuen Lied hab ich auch ein Statement abgegeben, dass man sich wieder reintraut in das alte Leben und die alten Automatismen. Ich habe aber das Gefühl, dass ich mich durch die Pause davon wieder ein bisschen lösen konnte. Vielleicht erwarten die Leute zwar jetzt, dass ich auf jeden Fall Ende des Jahres eine neue Platte rausbringe. Das ist aber nicht so. Ich bin grade auf Tour, habe dabei sehr viel Spaß. Ich hab die zwei, drei neuen Lieder. Und dann habe ich noch mein anderes Projekt, wie erwähnt, mit dem ich beschäftigt bin. Ich habe also dieses Jahr noch genug zu tun. Und dann überlege ich mir mal wie es weitergeht.
 
Hast du mal ans Aufhören gedacht?
 
Ich habe überlegt, als ich mein drittes Album aufgenommen habe und mir das mal im Kontext mit den anderen Platten angehört habe: „Hannes, wenn du konsequent wärst, würdest du sagen, dass diese drei Alben ein super Gesamtwerk sind". Hannes Wittmers künstlerisches Schaffen in seinen 20er Jahren. Das passt, denn irgendwie ist da eine Steigerung drin. Die letzte Platte heißt dann eben auch noch „Endlich Nichts" und hört auf mit dem Satz: „Wir stehen alle betrunken hier, mitten im Nichts, die Buxe nass, aber füllen es auf, mit irgendwas". Und dann ist das so, dass wenn man sich die auf Vinyl kauft, dass dort eine Auslaufrille ist, die bespielt ist. Das ist also ein unendlicher Ton. Die letzte Spaceman Spiff-Platte hört also nie auf. Wenn man jetzt rein künstlerisch denken würde, wäre das der perfekte Zeitpunkt um aufzuhören.
 
Ich wollte dich da jetzt nicht noch überreden…
 
Nein, keine Sorge (lacht). Aber wenn es grade so tief wird, dann können wir doch mal offen darüber reden. Ich glaube, wenn ich einen Künstler sehen würde, der das macht, würde ich denken: „Geil, der Typ hat es durchgezogen". Ich trau mich selbst aber nicht wirklich es zu machen, weil das auch etwas ist, dass ich mir aufgebaut habe in den letzten Jahren.
 
Und was vielen Leuten echt viel gibt.
 
Ja, auch das. Ich meine, ich werde immer Musik machen. Letzten Endes ist es eigentlich egal, ob das dann Spaceman Spiff heißt. Das ist auch wieder nur eine wirtschaftliche Frage. Aber das waren schon auch Gedanken, die ich hatte. Mal schauen.
 
Aber jetzt bist du ja erstmal wieder auf Tour.
 
Genau. Und es macht Spaß.
 
Was hast du denn in dieser Zeit eigentlich abseits dieser ganzen Gedanken rund um Spaceman Spiff und der Bühne und der Musik gemacht?
 
Ich war ein paar Monate auf Reisen. In Italien und ich hab Freunde in Athen besucht. Und dann bin ich durch Vietnam mit klapprigen Bussen und vollen Zügen gereist. Ich hab dort in wenigen Wochen wieder vier oder fünf Lieder auf Englisch geschrieben, nachdem zwei Jahre fast gar nichts raus kam. Das war fantastisch. Ich hab auch wieder angefangen Fußball zu spielen! Ich habe bei mir auf dem Dorf gespielt, bis ich 20 war. Aber irgendwann hat mich das total genervt, weil alle das immer so ernst genommen haben. Und jetzt bin ich da wieder drin. Ich hatte auch 16 Monate keine Wohnung mehr, weil ich so viel auf Tour war und so. Und jetzt wohne ich wieder in Würzburg und spiele da wieder in einem Fußballverein. In der untersten Klasse (lacht). Ich hab viel mehr Zeit mit meiner Familie verbracht als vorher. Das war alles super. Ich habe zwischendurch mit Finn Ole Heinrich ein Theater-Projekt in Freiburg gemacht. Und dann habe ich im Proberaum und Studio gesessen um die Sachen für Otago aufzunehmen.
 
Spaceman Spiff steht ja eigentlich immer auch ein bisschen für Veränderung. Aber eine Konstante gibt es immer: Finn Ole Heinrich.
 
Das stimmt.
 
Warum könnt ihr nicht voneinander?
 
Wir haben uns einfach gefunden. Wir haben uns einfach unfassbar gut verstanden. Wir haben uns auf einer Veranstaltung kennen gelernt. Es waren Autoren und ein Musiker eingeladen. Da war der Finn, der hat gelesen, und ich hab gespielt. Er hat meinen Auftritt nicht mal mitbekommen. Mit dabei war auch Daniel Beskos vom Mairisch Verlag. Das ist der Verlag, der meine Alben rausbringt. Hinterher wurde trashige Tanzmusik aufgespielt. „Girls just wanna have fun" und so. Und wir waren die Einzigen, die getanzt haben (lacht). Ein super witziger Abend. Finn und Daniel haben mich dann überredet bei denen im Hotel zu schlafen, statt mit dem Zug heim zu fahren. Wir haben aus einem andren Zimmer extra eine Matratze geklaut (lacht). Und es war klar, dass wir irgendwann mal was zusammen machen müssen. Und da hatte Finn noch keinen einzigen Ton von mir gehört. Ich glaube Finn und ich haben eine ähnliche Herangehensweise an Kunst. Wir können uns beide sehr gut selbst zurücknehmen. Wir sind extrem auf einer Wellenlänge. Hoffentlich geht es auch immer so weiter. Er ist grade nach Südfrankreich gezogen. Aber witzig, dass du das ansprichst, weil ich erst heute mit ihm gemailt habe, wegen eines Auftritts, den wir zusammen planen.
 
Eure Freundschaft geht soweit, dass du dir für das Projekt in Freiburg sogar einen Schnurrbart hast stehen lassen. Ein Bild gibts davon aber nicht…

Nur ein Video. Aber da sieht man es nicht so gut, was auch daran liegt, dass das von den Proben war und da war der Schnurrbart noch in Arbeit (lacht). 

Mit vollem Körpereinsatz für die Kunst. Wir freuen uns also umso mehr auf das Konzert in Trier, ob mit oder ohne Schnurrbart. Danke, Hannes, für das wunderbare Gespräch. 


Bildgalerie



Karte anzeigen