Interviews
03.04.2018 Maus/Nemesheimer  
Sookee

"Ich mag kein Konkurrenzdenken"

​​​Am 18. April 2018 kommt Sookee nach Saarbrücken in die Garage. Die Rapperin positioniert sich auf ihrem aktuellen Album Mortem & Make-Up deutlich gegen Homophobie, Seximus und Rassismus. hunderttausend.de hat sich mit Sookee unterhalten. ​

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hunderttausend.de: Hi Sookee, d​ein aktuelles Album erschien 2017 – bist du zufrieden damit oder gibt es Teile, die du heute anders machen würdest?

Sookee: Bislang bin ich immer noch sehr zufrieden. Tatsächlich kann es aber sein, dass sich das hier und da inhaltlich oder begrifflich noch verändert. Das finde ich immer sehr spannend, die eigenen Prozesse und Entwicklungen buchstäblich ablesen zu können. Zuweilen ändere ich die Texte dann für die Konzerte leicht ab.
 
Du wirst medial als Aktivistin und Ikone für Toleranz und sexuelle Vielfalt wahrgenommen. Gefällt dir die Rolle eigentlich? Oder würdest du lieber auch als Mensch wahrgenommen werden, den viel mehr ausmacht als diese „Nische“?

Ich empfinde die Nische eher als Feld. Mich interessieren viel Themen, ich bin mit vielen Menschen im Dialog, von Einschränkung kann also nicht die Rede sein. Zumal mir auch verschiedene Medien und Kanäle zur Verfügung stehen. Eigentlich eine sehr luxuriöse Situation. Fast alles, was ich mache, mache ich gern. Wer kann das schon vom eigenen Job behaupten?
 
Du machst Rapmusik. Für die Entwicklung des Genres war es immer elementar, durch Wettbewerb und „Ich bin der Geilste“-Attitüde sich zu battlen und weiterzuentwickeln. Nutzt du das auch für dich oder ist dir das vielleicht zu plump oder stumpfsinnig?

Mein Battle findet auf einer anderen Ebene statt und ist eher Challenge als Competition. Ich mag kein Konkurrenzdenken. Das macht mir Druck. Ich finds super, wenn Platz für möglichst viele Leute da ist. Ich will über niemanden triumphieren, ich will nicht nach unten treten. 

Im Rap ist ja allgemein das Thema Sexismus häufig vorzufinden. Zum einen in den Texten, zum anderen gibt es generell äußert wenige Frauen im Rapgame. Woran glaubst du liegt das?

Hip-Hop hat sich als Männerdomäne tradiert. Männer machen Männermusik über Männerthemen für Männer. Wobei auch nur bestimmte Männer gemeint sind. Ziemlich eingeschränkte Angelegenheit. Das gilt für patriarchale Strukturen in allen möglichen gesellschaftlichen und kulturellen Bereichen. Die Gründe dafür sind das eine, wie wir aus dieser Misere wieder herauskommen, ist doch viel spannender.
 
So langsam erreichen Frauen im Rap auch den Mainstream, etwa SXTN die gerne über Themen sprechen, die unter die Gürtellinie gehen. Oder Eunique, die sich selbst als neues „Projekt“ entwickelt, oder auch Haiyti​. Findest du das erstmal gut so oder ärgert es dich auch, dass sie teilweise mit Stereotypen und Abwertungen Bekanntheit erlangen?

Ich finds immer bescheuert, wenn Leute mit Stereotypen hantieren, die diskriminierendes Potenzial haben. Vor allem wenn mit diesen Stereotypen oder Abwertungen Geld gemacht wird. Dass Frauen sich solcher Mittel bedienen, sollte nicht überraschen, Frauen sind ja keine besseren Menschen. Ich freue mich über jede nicht-cis-männliche* Person im Rap-Kosmos. Schlichtweg wegen der vielfältigen Repräsentationen, die ich für absolut bereichernd für Hip-Hop halte. Aber das bedeutet nicht, dass ich sie kritiklos abfeiere. Gerade weil ich die Leute respektiere, sie ernst nehme, setze ich mich mit deren Imagepolitiken kritisch auseinander.
 
Wenn wir jetzt mal vom Genre weggehen und auf die Gesamtgesellschaft schauen: Es scheint häufig so, dass so viele Menschen wie nie der Ansicht sind, dass man verschiedene Formen der Liebe und Sexualität leben kann und soll. Gleichzeitig wird die „Gegenfront“ immer lauter und entschiedener. Wie bewertest du die Entwicklungen in der Gesellschaft?

Diese Zeit ist tatsächlich von großen Widersprüchen und gegenläufigen Entwicklungen geprägt. Das sorgt für Spannungen und ist oft nicht leicht auszuhalten. Umso wichtiger, dass ein politisches Verständnis in der Gesellschaft gestärkt wird, das von Verantwortung über das eigene Handeln und Solidarität mit den Mitmenschen geprägt ist. Die Parteipolitik scheint oftmals so sehr mit sich selbst beschäftigt, da muss ein anderes Bewusstsein darüber her, dass Politik auch außerhalb der Parlamente stattfindet.

Du entlarvst mit Fakten im Lied „Queere Tiere“ den oft zitierten Mythos, alle andere Formen als Heterosexualität wären widernatürlich. Bist du der Meinung, dass man in der Debatte stets Sachlichkeit und Deeskalation zeigen sollte? Oder vielleicht auch mehr Konfrontation, schließlich lassen ja viele Menschen die Argumente ja gar nicht erst zu.

Ich entscheide so etwas situativ. Manches Mal ist es sinnvoller mit Humor, Provokation und griffigen Beispielen zu arbeiten, manchmal braucht es Abstraktion, Theorie und Ernsthaftigkeit. Insgesamt finde ich es wichtig, je nach Kontext das eigene Register nach der passendsten Strategie zu befragen.
 
Im April kommst du nach Saarbrücken. Gibt es da schon irgendwelche Assoziationen deinerseits und was dürfen deine Fans erwarten?

An dem Abend sind mit Sonija und Jennifer Gegenläufer zwei Supportacts an Bord, dann hau ich anderthalb Stunden auf den Putz und Le_Go sorgt für die Aftershow. Das wird ein langer, sehr inhaltlicher, sehr ausgelassener Abend. Ich freu mich jedenfalls wie Sau darauf.

Vielen Dank für das Gespräch und viel Erfolg bei der kommenden Tour!

Tickets gibt es für 17 Euro im Vorverkauf.

*Cis-Mann/Frau bezeichnet Personen, deren Geschlechtsidentität dem bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht entspricht. Das Gegenteil wäre Transgender (AdR).

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