Interviews
15.06.2016 Vincenzo Sarnelli Veranstalter
Adam Grahn von Royal Republic im Interview

"Wir haben es in uns"

​​Mit dem Song Tommy Gun katapultierten sie sich einst auf deutsche Festival- und Club​bühnen. Mit der neuen Platte Weekend Man sind die Mannen von Royal Republic derzeit auf Tour. So besuchen sie auch die Festivals Southside und Rocco del Schlacko. Im Interview sprach Sänger Adam Grahn (Bild: Mitte)​ mit uns über das Spiel Roshambo und warum der Entwicklungsprozess des neuen Albums für Royal Republic besonders kompliziert ist.

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hunderttausend.de: Hey Adam, vorne weg müssen wir eine Sache klären: Im Titel-Song zu eurem Album Weekend Man heißt es: „Oh, no Roshambo“. Adam, erzähl uns bitte mit deinen Worten: Was ist ein Roshambo? 

Adam Grahn: Ein Roshambo ist ein Spiel, mit dem man Konflikte löst. Sowas wie „Stein, Schere, Papier“ oder ein Münzwurf. Das funktioniert so: Du sagst zum Beispiel „Mein Name ist Vincenzo“ und ich behaupte: „Nein, du heißt Bill“. Dann kannst du mich zu einer Partie Roshambo herausfordern. Und dann fängst du an und trittst mir mit voller Wucht, so hart wie du nur kannst, in die Weichteile. Und dann darf ich dich treten und so weiter. Wer dann als Erstes aufgibt, verliert. Also im Prinzip gewinnt immer der, der anfängt, weil wenn du mich getreten hast, werde ich nicht in der Lage sein mich zu revanchieren. Das ist Roshambo.
 
Müssen wir also davon ausgehen, dass ihr eure Band-Konflikte so löst?
 
(lacht). Ja, immer! Das ist der Grund warum Jonas so eine helle Stimme hat.
 
Lass uns über euer Album sprechen. Der Song „Any Given Sunday“ zum Beispiel ist einer, der eher untypisch für euren sonstigen Sound ist. Es klingt ein bisschen wie ein uneheliches Kind von David Gahan, David Bowie und den Stereophonics. In euren Track-by-Track Videos auf Youtube, in denen ihr ein bisschen was zu jedem Song auf dem Album sagt, erwähnt einer von euch, dass ihr mit dem Song vielleicht ein bisschen drüber seid. Erzähl uns doch mal, wie es dazu kam.
 
Ich bin grundsätzlich jemand, der gerne experimentiert. Und ich mag es, manchmal etwas drüber zu sein oder es auch mal zu untertreiben und ein bisschen runter zu kommen. Manchmal, wenn man neue Räume betreten will, muss man halt Türen öffnen. Und wenn man nicht grade in so einem Raum wie im Film „Saw" gefangen ist, dann kann man ja grundsätzlich auch wieder raus, wenn es einem nicht gefällt. Wir haben also ein Demo von dem Song gemacht und es an die Plattenfirma geschickt. Und die waren richtig sauer, weil sie dachten, wir würden rumalbern in einer kritischen Phase der Album-Produktion. Die haben uns erstmal aufgefordert, damit aufzuhören Witz-Lieder zu machen (lacht). Aber der Song war für uns irgendwie das Ergebnis eines natürlichen Prozesses. Und darüber hinaus: Wir haben solche Entwicklungen immer durchgemacht. Nimm zum Beispiel den Song „Full Steam Spacemachine“. Ein absoluter Fan-Liebling, aber längst nicht so schnell und treibend wie die Songs, die wir vorher gemacht haben. Wir haben es trotzdem gemacht und jetzt ist er beliebt. Bei „Any Given Sunday“ ist es ähnlich. Er ist anders, aber wir mögen ihn und deshalb ist er auf der Platte.
 
Streitet ihr öfter mit eurer Plattenfirma während solcher Prozesse?
 
Nee, es war gar nicht so schlimm. Die haben irgendwann total verstanden, wo wir hinwollten mit dem Song. Am allermeisten streiten wir sowieso Band-intern. Jeder schreibt soviel wie möglich und will dann natürlich auch berücksichtigt werden. Schlussendlich kann ein Auto aber nicht vier Fahrer haben. Jemand muss entscheiden und ich bin der selbsternannte Diktator (lacht). Es ist halt so: Ich steh vorne, ich muss es singen. Ich muss den Leuten in die Augen schauen dabei und die Geschichte erzählen. Wenn das nicht stimmt, dann funktioniert es nicht. Meistens kriegen wir es hin, aber wir streiten unfassbar viel darum. Ein Album zu machen, ist vielleicht die größte Herausforderung für Royal Republic.
 
Der eingangs erwähnte Song „Weekend Man“ ist der perfekte Festival-Song. In eurem Track-By-Track sagst du, Adam, dass es im Song um alles geht was Spaß macht. Als ich euren Song gehört habe, hatte ich eher das Gefühl, es geht um die ganzen Wochenend-Spaßhaber, die unter der Woche total spießig sind und dann Freitag und Samstag auf Dorffesten auflaufen und durchdrehen. Ist der „Weekend Man“ also aus deiner Sicht eher ein positives oder negatives Phänomen?
 
Puh, ich bin mir nicht sicher. Grundsätzlich bist du mit deiner Interpretation nicht so weit weg von dem, was wir sagen wollten. In Schweden gibt es zum Beispiel ein unausgesprochenes Trink-Gesetz, dass Alkohol von Montag bis Freitagnachmittag verboten ist. Aber dann an Freitag und Samstag rasten sie komplett aus. Die besaufen sich komplett, hauen Autos kaputt, bringen Menschen um, zünden Häuser an, die können alles machen, was sie wollen. Solange man nicht von montags bis freitagnachmittags Alkohol trinkt. Als wir dann angefangen haben zu touren, dann kommst du nach Deutschland, nach Italien oder Frankreich und Spanien. Und da trinken die Menschen einfach ständig. Ein, zwei Bier oder Wein zum Essen oder einen Whiskey vor dem Schlafen gehen, das ist total normal. Es ist also so, dass wir ein „Weekend Man“ sein mussten, als wir in Schweden waren und den Song geschrieben haben. Das war eine intensive Zeit im Entstehungsprozess des Albums und wir hatten einige Songs, mit denen wir noch nicht zufrieden waren. Und es war uns nicht ganz klar, was die Zukunft überhaupt bringt. Das muss so zu Beginn des Frühlings 2015 gewesen sein. Per (Andréasson, Drummer, a.d.R.) und ich haben uns ziemlich betrunken und das relativ früh am Tag. Immerhin war es ein Freitag, wir waren also nur ein paar Stunden zu früh dran (lacht). Und dann hatten wir da dieses Gitarrenriff. Das gibt es schon seit vier Jahren, aber wir haben nie einen Song draus gemacht. Und das Ziel an diesem Tag war, es endlich aus dem Weg zu schaffen und einen Song draus zu machen. Und am Ende hat das hervorragend funktioniert. Der Weekend Man ist also ein positives Phänomen für uns. 
 
Du hast vom Touren gesprochen. Wenn Schweden eure Frau ist, dann ist Deutschland so ein bisschen eure schmutzige Affäre, oder? Was glaubt ihr, macht diese Beziehung zu den deutschen Fans so besonders?
 
Die deutschen Fans sind bei den Bands aus der ganzen Welt total beliebt. Wir sprechen oft mit Leuten aus den Staaten oder UK und die schwärmen alle von den deutschen Fans. Wir sind also nicht die Einzigen die eine besondere Beziehung zu Deutschland haben. Das war unser erstes Land außerhalb Schwedens, in dem wir auf Tour gegangen sind. Wir waren 2010 mit den Donots auf Tour für drei Wochen. Das war der Start. Wir haben mittlerweile so 600-700 Shows insgesamt gespielt. Und davon sind bestimmt 50 % in Deutschland gewesen. Wir haben in jedem kleinsten Club gespielt. In großen und kleinen Städten. Viele Festivals auch. Und die Fans danken es dir in Deutschland mit einer großen Hingabe. Es ist total cool, aber man kann es nicht wirklich erklären. Wir sind in erster Linie einfach dankbar dafür.
 
Ihr spielt ja auch wieder einige Festivals in Deutschland. Das Rocco del Schlacko oder das Southside-Festival. Ich finde es ja immer faszinierend. Ich hab euch in kleinen Clubs, wie hier im Exhaus in Trier, gesehen und auf der großen Festival-Bühne. Euer Energie-Level ist dabei immer verdammt hoch, egal wie viele Menschen vor der Bühne stehen. Wie motiviert ihr euch? Wie haltet ihr das Level?
 
(überlegt). Ich hab keine Ahnung, wo es herkommt. Ich weiß nur, dass wir es in uns haben. Ich weiß, dass wenn ich nicht mit Royal Republic auf Tour bin, dann flippe​ ich total aus. Wir haben diese Energie, die wir rauslassen müssen. Als wir dann die Band gegründet haben, war das das perfekte Ventil. Es ist aber auch nicht ungefährlich. Wir haben bis zur körperlichen Zerstörung getourt. Vor allem mein Körper und mein Kopf haben 2013 irgendwann mal für eine Weile einfach aufgegeben. Wir mussten damals mitten in der Tour die restlichen Shows absagen. Wir sind dann nach Hause gefahren und ich bin erstmal zum Doktor. Da wurden mir dann Depressionen, Angststörungen und totale Erschöpfung diagnostiziert. Die wollten mir dann krasse Medikamente geben und mich in eine Klinik einweisen, um dort wieder zu Kräften zu kommen. Ich habe dann gesagt: „Der Deal ist: Ich war seit fünf Jahren nicht in Urlaub. Ich war die ganze Zeit nur unterwegs, hab mich schlecht ernährt. Gib mir vier Wochen in meinem eigenen Bett und morgens regelmäßiges Aufstehen, um wieder eine gewisse Routine zu entwickeln (lacht). Ich will mich gut ernähren und Sport machen und sowas.“ Das habe ich gemacht. Und damit wurde es auch schnell wieder besser und ich begann rasch die Band zu vermissen. Aber es war einfach wichtig, dass uns auch nochmal klar wurde, dass wir Menschen sind. Denn manche sehen uns eher als Roboter, die immer funktionieren müssen. Du musst also deine Energie konservieren und aufladen. Denn es ist so, wie du sagst, wir brauchen verdammt viel Energie für die Shows. Wir spielen manchmal sechs, am Anfang unserer Karriere waren es häufig sogar sieben, Konzerte pro Woche. Das ist total anstrengend. Aber es ist es auch total wert. Mein Job ist der Beste auf der Welt und er macht mich total glücklich.
 
Du hast es grade erwähnt. 2013 musstet ihr, aufgrund deiner Erkrankung, eine Pause machen. Hat diese Zeit irgendwie einen Einfluss gehabt, zum Beispiel auf euer Album oder die Art und Weise wie ihr eine Tour angeht?
 
Auf das Album eher nicht. Das Einzige, was wir in dem Zusammenhang entschieden haben, war, dass wir das Album nicht während einer Tour machen. Dass wir einfach Zeit und Ruhe brauchen dafür. Am Ende haben wir dann leider etwas zu lange gebraucht für meinen Geschmack. Wir haben also das gesamte Spektrum durch. Wir haben zu viel getourt und wir haben zu wenig getourt. Denn wenn wir zu lange zuhause bleiben, dann drehen wir durch und kriegen nix auf die Reihe. Ich glaube, dass wir also auf der Suche nach der Balance sind, zwischen durchdrehen und nur ein bisschen durchdrehen, dass es grade genug ist. (lacht). Ich würde sagen, wir haben uns mit dem Album Zeit genommen, damit wir es ordentlich machen. Denn am Ende will auch niemand eine Band buchen oder sehen, die ein Scheiß-Album gemacht hat. Wir mussten also das bestmögliche Album machen, um so viel auf Tour zu sein, wie wir gerne wollen. Es ist also eine Frage von Leben und Lernen. In unserem Falle vielleicht leben, verlieren und dann lernen. Wir haben viel gelernt und sind stärker zurückgekommen. Und jetzt können wir die nächsten Shows nicht abwarten.
 
Das ist ein tolles Schlusswort und freut uns sehr zu hören. Wir wünschen allseits viel Spaß auf Tour und freuen uns auf das Southside und das Rocco del Schlacko. Danke Adam.

Foto: Erik Weiss​

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