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01.04.2019 Janine Köppel Marco Piecuch
Romeo und Julia am Theater Trier

Shakespeare in Jogginghosen

​Zwei verfeindete Familien-Clans, zwei unsterblich ineinander verliebte Teenager, ein Balkon und am Ende sind die beiden Liebenden tot - Shakespeares Romeo und Julia ist die wohl tragischste und bekannteste Liebesgeschichte überhaupt. Wie schafft man es also dem Klassiker gerecht zu werden und ihm zugleich den Staub abzuklopfen? Das Theater Trier macht es vor.

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​Das erste Kunststück liegt in der Optik: das Bühnenbild ist kühl, schlicht, aber zweckmäßig. Die weiß geflieste Kulisse verortet das Geschehen in einen Pathologiesaal – nicht räumlich, aber metaphorisch. Der Tod ist ab der ersten Minute allgegenwärtig. So beginnt die Neuinszenierung von Ryan McBryde mit dem aufgebahrten Liebespaar und versucht den Ausgang der Romanze, den ohnehin jeder kennt, nicht zu verbergen. Die gleichermaßen weiß gefliesten Quader auf der Bühne lassen sich in Tetris-Manier von einem Bett, zur Badewanne, zum Pflanzbeet oder Kleiderschrank umfunktionieren. Grelle Neonlichter in verschiedenen Farben geben den jeweiligen Szenen die passende Stimmung.

Die sonst fast unsichtbaren Helfer, die das Bühnenbild zwischen den Szenen umbauen, sind auf dieser sinnbildlichen Ebene einer Pathologie in das Schauspiel integriert: als Gerichtsmediziner mit grünen Kitteln, Hauben und Mundschutz. Wie ein Wächter erscheint der Pathologe in gleicher Montur immer wieder während des Spiels am Fenster hoch über der Bühne und wartet verheißungsvoll auf seinen Einsatz.

Auch das Erscheinungsbild von Romeo, Julia und deren Familien könnte kaum weiter vom 16. Jahrhundert entfernt sein: Adidas-Jogginghosen, Sneakers und Kunstpelzkragen seitens der Familie Montague und schwarze Lederjacken und platinblonde Mähnen bei Familie Capulet. Träfe man Romeo Montague in Knöcheljeans und Julia Montague in Chucks heute auf dem Schulhof, würde man sich nicht nach ihnen umdrehen.

Der zweite Clou bildet die Akustik. Die Musik, insbesondere zwischen den Szenen, lässt ein Gefühl wie bei einem Hollywood-Blockbuster aufkommen. Die Cover-Version von Rihannas We found Love oder Fergies Hit A Little Party Never Killed Nobody transportieren das Geschehen auf angenehme Weise in das Hier und Jetzt. Letztgenannter Song ist ein weiterer Wink auf den Tod, der während des ganzen Stückes mitschwingt. Zu dieser Symbolik gehört auch das Motto der Party von Familie Capulet: ganz im Stil des Día de los Muertos (dem mexikanischen Tag der Toten) feiert Julia mit ihrer Familie und lernt dort schließlich Romeo kennen.

So sehr man über die Kostüme auch schmunzelt, können sie von der Authentizität der Charaktere nicht ablenken: Anna Pircher überzeugt als aufgedrehter, ungeduldiger und eigensinniger Teenager mit einem Hang zum Drama. Gideon Rapp spielt den sympathischen Sidekick Mercutio, der laut Romeo „in einer Minute mehr sagt, als er in einem Monat verantworten kann“ und trotz (oder gerade wegen?) seiner proletenhaften, unreifen und hitzköpfigen Art Romeo (Robin Jentys) schon fast überstrahlt. Für einen Gänsehaut-Moment sorgte Stephanie Theiß, deren verzweifelte Schreie über den Tod ihrer Tochter Julia durch Mark und Bein gingen, obwohl sie optisch stark an Carmen Geiss erinnerte. Julias Amme, die von Publikumsliebling Barbara Ullmann verkörpert wurde, hat man ohnehin schnell ins Herz geschlossen.

Das bunt gemischte Publikum an diesem Abend sprach für sich: die Inszenierung vereint Klassik und Moderne auf respektvolle und unterhaltsame Weise. Textgetreu verlegt der Regisseur die Tragödie in die heutige Zeit. Selbst eine Hand voll Schüler, die zu Beginn noch munter plauderte, wurde von dem Stück und seiner Atmosphäre zum Verstummen gebracht und wagte sich erst für die Standing Ovations wieder zu regen.


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