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23.11.2016 Julia Nemesheimer  
Pura Vida

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​Pura Vida feierte am gestrigen Dienstag im Théâtre des Capucins in Luxemburg Premiere. Fast zwei Stunden dauert die Inszenierung von Max Claessen, während der die vier Darsteller spielerisch alles aus sich herausholten. Noch an drei weiteren Terminen ist das Stück von Luc Spada im Großherzogtum zu sehen, im Dezember folgen zwei weitere Aufführungen in Saarbrücken.

 
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Die erste Hälfte des Abends vor der Pause überrollt den Zuschauer fast. Es wird gesungen, geschrien, gejammert, getrunken, geprügelt, getanzt, relativ wenig miteinander, dafür aber umso mehr aneinander vorbei palavert. Kurzum, ein inszeniertes Chaos. Dreh- und Angelpunkt ist Valentin, gescheiterter Jungautor, der in der Provinz nicht den erhofften Theaterdurchbruch feiern kann, da sein Stück vom Intendanten abgelehnt wird. Was stattdessen tun? Der junge Mann beschließt, unter die Blogger zu gehen und postet auf seiner Seite „Die Wahrheit" das denkbar Falsche: Verlassen von seiner Freundin, die ihn mit einem Flüchtling betrog, hetzt er gegen die Asylsuchenden und findet seine Anhänger im rechten Lager, Kommentare unter seinen Posts sind durchzogen von Hass und rassistisch-nationalistischen Stammtischparolen. Die Lage eskaliert immer weiter. Dort hinzu kommt seine alkoholkranke Mutter, erfolglose Künstlerin, vom Vater Valentins verlassen und entsprechend am Ende, aber immer noch reflektiert sie über die Kunst. Daneben steht Martin, schriftstellerischer Mentor für den jungen Mann, homosexuell und kurz vor dem Tod. Der Krebs rafft ihn dahin und so ist dies sein Thema, die Endlichkeit des Seins, die Ungerechtigkeit des frühen Ablebens.

Das Stück will viel. Die angesprochenen Themenkomplexe sind vielfältig, drehen sich aber immer um das Scheitern des Menschen und die gefährliche Spirale, die daraus resultiert und einem den Boden unter den Füßen wegzuziehen vermag. Es ist bunt, chaotisch, traurig und ein wenig angsteinflößend, die Parallele zum Internet, der virtuellen Welt, ist unübersehbar. Permanent läuft Musik, die Kommunikation verläuft selten direkt, Konfetti, Luftballons, Aufstehen und Fallen. Die Gefährlichkeit der Radikalität, des Fremdenhasses. So viel kommt zusammen, dass es einen überfordert – jedoch gewollt. Dies kann einem schnell zu krass werden, doch man sollte es aushalten. Christoph Diem, der Dramaturg, schließt seine Beschreibung des Stückes mit folgenden Sätzen: „Das ist das Schöne am Theater, dass alles nur als-ob ist. Insofern siegt in Pura Vida die Utopie des Theaters über das Faktische, über Fremdenhass, Suchtkrankheit und Krebs. Das wäre schön." 

Weitere Termine: 24. & 25. November, 1. Dezember jeweils 20 Uhr im Théâtre des Capucins, 14. & 15. Dezember um 20 Uhr in der sparte4, Saarbrücken.

Foto: Bohumil Kostohryz

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