Interviews
03.12.2015 Jörg Halstein Privat
Oliver Neufang und Gerrit Brenner

“Echte Trierer helfen einander”

​​​​​Oliver Neufang (Timeless Events) und Gerrit Brenner (trick 17) haben nach der vorübergehenden Schließung des MJC-Kellers kräftig rudern müssen, um ihr Herbst- und Winterprogramm doch noch auf die Beine gestellt zu bekommen. Im Interview mit hunderttausend.de sprechen sie über Hintergründe und Perspektiven.

 
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​hunderttausend.de: Die Entscheidung einer vorübergehenden Schließung des MJC-Kellers kam ja ausgesprochen kurzfristig zustande, Ihr musstet “Alle Farben” innerhalb weniger Tagen ins Kasino am Kornmarkt verlegen…​

Oliver Neufang: Wir haben mittwochs - ausgerechnet am 11.11. - erfahren, dass am Donnerstag eine Begehung des Veranstaltungskellers in der MJC stattfinden sollte. Am Donnerstag um 12 Uhr, zwei Tage vor der geplanten Veranstaltung, war dann klar, dass der Keller im Mergener Hof nicht mehr genutzt werden darf.

Glücklicherweise haben wir einen guten Draht zu Eric Naunheim (“Louisiana”, “Donna Mia”), so dass wir eine kurzfristige Ausweichmöglichkeit im Kasino am Kornmarkt realisieren konnten. 

Trotz alledem hat uns diese ganze Geschichte viel Zeit, etliche Nerven und leider auch eine Menge Geld gekostet. Wir mussten ja unvorhergesehener Weise noch einmal kräftig in Werbung investieren, damit unsere Besucher in den zwei Tagen bis zur Veranstaltung vom Location-Wechsel erfahren konnten. Auch in die Veranstaltungstechnik mussten wir noch einmal zusätzlich investieren.

Und anders als in der MJC, wo wir neben der Veranstaltung auch für die Gastronomie sorgen, fehlte uns diese Möglichkeit im Kasino. Damit ist unsere ganze Kalkulation der Veranstaltung natürlich kräftig durcheinandergewirbelt worden, denn die Einnahmen aus der Gastronomie und den Zuschüssen der Getränkepartner verwenden wir ja in erster Linie, um namhaftere Bookings überhaupt bezahlen zu können.

Ähnlich sah es dann auch für die ins “Heaven & Hell” verlegte Geburtstagsfeier von “Timeless” aus, wo wir mit Karotte & Butch Hochkaräter am Start hatten - und wir am Ende erst einmal drauflegen mussten.

hunderttausend.de: Neben den kurzfristigen Umplanungen musstet Ihr ja das ganze Herbst-/Winterprogramm auf den Prüfstand stellen. Fallen Veranstaltungen aus? Was sind die alternativen Locations?

Oliver: Wir ziehen das komplette geplante Programm durch, es wird keine einzige Veranstaltung abgesagt. Neben den erwähnten Locations im Kasino und im “Heaven & Hell” können wir einen zum Floor abgetrennten Teilbereich des Messeparks als “Messeclub” nutzen (z. B. am 12. Dezember “Alles nur aus Liebe”), sind im ExHaus (z. B. “Hartes Rauschen” am 19. Dezember und “Hallo 2016” an Silvester). Die nächste Ausgabe der Hip Hop-Reihe “Bääähm” findet am 11. Dezember im Toni am Domfreihof statt.

hunderttausend.de: War es schwierig, Ausweichmöglichkeiten zu finden?

Oliver: Nahezu alle Club-Betreiber sind auf uns zugekommen, um uns zu fragen, ob sie uns unterstützen können, ob das ExHaus, das Toni, das Kasino, das Heaven & Hell.

Gerrit: Das ist eigentlich das Schöne an der traurigen Geschichte - bei der ganzen Hilfsbereitschaft merkte man, wie Trier eigentlich gestrickt ist und dass sich echte Trierer eben einander helfen.

Oliver: Oliver Thome von poppconcerts, unser Partner vom sommerlichen “Lucky Lake”, ist sofort an uns herangetreten und hat den Kontakt zu Wolfgang Esser vom Messepark hergestellt, bei dem er sich intensiv für uns eingesetzt hat. Ohne poppconcerts wäre der “Messeclub” nicht möglich gewesen.

Gerrit: Selbst Attila Gülgen vom “Metropolis” hat uns Unterstützung angeboten, auch wenn wir musikalisch nicht so wirklich in die Hindenburgstraße passen.

hunderttausend.de: ExHaus, Mergener Hof - man hat den Eindruck, immer mehr Veranstaltungsorte in Trier verschwinden. Wie sehr trifft Euch das?

Gerrit: Dem sollte man voranschicken, dass es bei der ganzen Entwicklung nicht alleine um uns geht, auch große und kleine Konzertveranstalter sind davon betroffen. Wir sind bei weitem nicht die einzigen, die in der aktuellen Situation einen Schaden erleiden. Ein Poetry oder Comedy Slam kann im Moment  im Mergener Hof überhaupt nicht stattfinden.

Oliver: Dem Mergener Hof brechen im Moment wichtige Einnahmen weg, die vorübergehende Schließung des Kerllers ist für diese Jugendeinrichtung eine beinahe existentielle Frage, dagegen sind unsere Sorgen ja fast schon zu vernachlässigen.

Gerrit: Wir selbst können aktuell noch einigermaßen flexibel reagieren, wir müssen unsere künftigen Bookings kostenmäßig eben auf die neuen Gegebenheiten anpassen. Auch hier setzt sich übrigens die Solidarität Dritter fort: Denn der eine oder andere namhafte DJ hat bereits von sich aus angeboten, uns bei den Gagen entgegenzukommen.

Oliver: Außerdem tut sich bald noch einiges in der Trierer Clublandschaft, wir glauben, dass sich die Ausgangslage für Veranstalter insgesamt noch einmal aufhellt.

hunderttausend.de: Wie ist Euer Verhältnis zur Stadt Trier?

Gerrit: Wir machen der Stadt Trier nicht den geringsten Vorwurf, letztlich hat sie das getan, was sie tun musste: Prüfen, ob alles - insbesondere in brandschutztechnischer Hinsicht - in Ordnung ist. Und im Falle der Fälle zur Sicherheit aller eben auch einmal eine drastische Entscheidung treffen wie die vorübergehende Schließung des MJC-Kellers.

Allerdings wundere ich mich persönlich, warum man bei der Stadt keinen Plan B in der Tasche hatte. Wenn Jugendeinrichtungen wie das ExHaus oder jetzt der Mergener Hof in ihrer Nutzung eingeschränkt werden müssen, wie soll es denn dann mit der Jugendkultur in der Stadt weitergehen, die kann man doch nicht einfach mal so zwischendurch auf Eis legen? Da hätte ich mir eine präventivere Denke seitens der Stadt gewünscht.

hunderttausend.de: In Social Media und an den Trierer Tresen war es großes Gespräch, ein Mitbewerber habe Euch bei der Stadt “angeschwärzt”. Leben wir hier in einer vergifteten Atmosphäre?

Gerrit: Im Vergleich zu anderen Städten, und da hat Oliver einige Erfahrungen in Köln sammeln dürfen, pflegen wir in Trier gute Umgangsformen. Das liegt natürlich auch daran, dass wir uns mit unserem Programm nie wirklich in 1:1-Konkurrenzsituationen befinden. Wir haben es uns nicht vorstellen können, dass man sich in Trier unter Kollegen anschwärzt.

Oliver: Uns liegen allerdings durchaus glaubhafte Hinweise aus seriösen Quellen vor, dass es in diesem Fall doch so gewesen ist. Dazu äußern wir uns natürlich nicht weiter. Wir wissen, dass der Mergener Hof bei der Stadt formell Widerspruch gegen die Entscheidung einlegen und Akteneinsicht beantragen möchte. Danach werden alle, denke ich, klarer sehen.

hunderttausend.de: Woran fehlt’s denn Eurer Meinung nach in Trier am ärgsten?

Gerrit: Wir bräuchten eine urbane Halle, die für mehrere Zwecke genutzt werden könnte, so etwas wie ein Walzwerk für Konzerte, Theater, Studi-Events, Comedy, Party. 

Oliver: Und so einen Veranstaltungsort könnten dann alle mitfinanzieren, also nicht nur die Stadt, sondern alle Veranstalter, die z. B. über ihre Eintrittsgelder einen kleinen, regelmäßigen Anteil in die Finanzierung einer solchen Halle investieren. Also als ein gemeinsames Trierer Projekt, das fänden wir herausragend.​

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