Interviews
03.02.2017 Vincenzo Sarnelli Veranstalter
Mathias Richling im Trifolion Echternach

"Satire verändert nicht die Welt"

​Er ist ein Mann mit vielen Gesichtern, zumindest gefühlt. Mathias Richling macht sie alle: Kanzler und Kanzlerinnen, Bundespräsidenten, egal wie lange die Amtszeit dauerte und Ministerpräsidenten. Mit seinem Programm "Richling spielt Richling" kommt er am 04. Februar ins Triolion nach Echternach. Wir sprachen mit dem Kabarettisten über den Stellenwert von Satire heute im Vergleich, sein Verhältnis zum Populismus eines Donald Trumps und wie man ihm begegnet. 

 
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hunderttausend.de: Herr Richling, Ihr Programm heißt „Richling spielt Richling“. Ein bisschen Rückbesinnung, nach so vielen Jahren, in denen Sie andere gespielt haben?

Mathias Richling: Nein. Das Programm heißt erst mal so, um klar zu machen, dass alle Texte von mir sind, auch wenn ich sie als Kretschmann, Merkel oder Steinmeier sprechen lasse. Mittlerweile ist es nämlich so, dass die entsprechenden Politiker manchmal das Gefühl haben, sie sprechen meinen Text. Das drückt im Grund genommen aus, dass die Figuren, die ich auf die Bühne bringe, so bekannt sie auch sind, durch meinen Filter gelaufen sind und ich ihnen das, was ich schreibe, in den Mund lege. Aber im weitergehenden Sinne heißt das das natürlich schon, dass dieses Programm insbesondere die Fragen stellt: War die Zukunft früher schlechter? Was hat sich in der Politik in den letzten 30 Jahren verändert? Wie hat sich unser Umgang mit Politikern verändert und umgekehrt?
 
Deshalb der Untertitel „Prognose auf Rückblicke“?
 
So ist es.
 
Sie machen in Ihrem Programm Veränderung in der Politik zum Thema. Wir würden Sie gerne fragen, was hat sich in der Satire verändert in den letzten Jahren? Sie sind immerhin schon seit den 70ern im Geschäft.
 
Es ist so, dass das nicht so einfach zu beantworten ist außerhalb einer Doktorarbeit. Vielleicht sind die Empfindlichkeiten andere und auch sichtbarer geworden. Es gab eine Zeit in den 60ern wo Politiker gerne in Kabarett-Vorstellungen gegangen sind und gezeigt haben, dass sie über sich selbst lachen können. Das änderte sich irgendwann mit einer großen Empfindlichkeit. Das habe ich selbst mitbekommen. Anfang der 90er Jahre hatte sich Herr Stoiber damals sehr echauffiert über eine Nummer von mir, „Die Kondompolitik des Papstes“. Dann merkte man, dass Politiker versucht haben auf Kabarett- und Satiresendungen Einfluss zu nehmen, von denen es im deutschen Fernsehen gar nicht so viele gab. Mit der Änderung der Medienwelt hat sich das aber auch geändert. Politiker haben gemerkt, dass sie mit ihrer Reaktion auf Satire viel mehr kaputt machen, als wenn sie einfach die Klappe halten. Ein altes Pressegesetz sagt ja auch: Wenn ich eine Gegendarstellung bringe, dann verfestige ich es eher noch bei den Lesern oder Zuschauern. Bestes Beispiel dafür in jüngster Vergangenheit ist natürlich die Geschichte über eine Satire, die gar nicht mal so viele Menschen gesehen haben. Und dann kommt ein Präsident eines Staates her und klagt gegen Satire in zwei Prozessen. Und weltweit, bis nach Washington, weiß man den Namen des Präsidenten nicht, aber jeder weiß, er ist ein Ziegenficker. Das hat er sich selbst zuzuschreiben. Hätte er die Klappe gehalten, dann hätte kein Mensch davon gesprochen. Die Satire hat sich also so verändert, wie auch die Nachrichtenwelt sich verändert hat. Wir sind ja quasi der Daumen, der am Puls der Zeit liegt und das aufnimmt, was uns gegeben wird.
 
Man hat heutzutage schnell den Eindruck, dass eine gewisse Erwartungshaltung gegenüber Satirikern und Kabarettisten entsteht. Sie sehen die Wirkung von Satire für eine tatsächliche Änderung an gesellschaftlichen Prozessen eher gering. Warum?
 
Überlegen Sie doch mal für sich selber, wann hat bei Ihnen Literatur, Kunst, Satire oder Musik irgendetwas ausgelöst in Ihrem persönlichen Leben, wonach Sie Ihr Leben dann existentiell geändert haben. Wann war das denn jemals? Also ich kann von mir, der sich viel mit dieser Kultur beschäftigt, sagen: Dass ich eine Einstellung nachhaltig geändert habe aufgrund dieser Dinge wie Bücher oder Theateraufführungen, das war dreimal in meinem Leben der Fall. Jetzt erwarten Sie, dass 1000 Leute bei mir in der Vorstellung sitzen, raus gehen und ihr Wahlkreuz woanders machen oder die Kinder nicht mehr schlagen? Nein. Da muss man den Menschen und seine Lernfähigkeit auch mal mit einkalkulieren. Das ist wie mit dem kleinen Kind und dem Herd. Und diese Situation, dass der Zuschauer grade die Hände auf den heißen Herd legt, wenn ich was auf der Bühne sage, das ist doch eher selten. Manchmal passiert das vielleicht und da freue ich mich drüber, wenn es nicht passiert, dann sollen die Menschen wenigstens gut unterhalten sein.
 
Und dennoch hat Kabarett und Satire zumindest gefühlt mittlerweile einen anderen Stellenwert als früher. Vieles hat damals in kleinen Sälen statt gefunden, heute machen Kabarettisten ganze Arenen voll.
 
Ich kann mich doch erfreuen an solchen Vorstellungen und man muss doch trotzdem nicht etwas existentielles an seinem Leben ändern. Darum geht es ja. Was ein Satiriker erreichen kann. Ich sage es nochmal anders: Wenn Sie ein Liebesgedicht lesen von Goethe und es bewirkt etwas bei Ihnen, dann tut es das doch nur, weil Sie selbst grade lieben oder unglücklich leben. Wenn Sie aber nicht in diesem Zustand sind, dann empfinden Sie das vielleicht als schön, aber das wird eher keine Wirkung auf Sie haben, sodass Sie am Ende etwas an Ihrem Leben ändern. Satire verändert nicht die Welt. Nicht mal Politiker können das, es sei denn man heißt Donald Trump. Da muss ich also erst amerikanischer Präsident werden. Die Erwartungshaltung muss man also eher runterschrauben.
 
Aber ist grade nicht im Kampf gegen Populismus, wo Sie Trump erwähnen, die Kunst und die Kultur eines der schärfsten Schwerter? Wie gehen Sie mit Populismus abseits der Bühne um? Können Sie bei einer Trump-Rede auch abseits des Satirikers Richling zuschauen?
 
Natürlich bin darüber sehr entsetzt. Aber die satirische Schulung hilft. Das kann ich ja nicht ausschalten. Ein Zahnarzt wird immer auf Ihre Zähne gucken, wenn er Ihnen begegnet. Aber natürlich ist meine Reaktion sehr persönlich und sie muss es auch sein. Satiriker ist einer der persönlichsten Berufe überhaupt. Man kann das, was wir tun, ja immer mit dem messen, was wir auf der Bühne sagen. Deshalb kann ich auf der Bühne nicht das Gegenteil von dem behaupten, was ich nicht selbst auch empfinde. Stichwort Populismus: Es ist eine große Gefahr, die auch für den Satiriker nicht zu lösen ist. Lügen entstehen unfassbar schnell. Aber das ist ja nichts Neues. „Die Rente ist sicher“ oder beim Irak-Krieg. Was wurden wir alles angelogen und wir wussten, dass wir angelogen werden und trotzdem gab es Leute, die drauf abgefahren sind. Die Verbreitung von Lüge wird mit Hilfe der neuen Medien ein bisschen deutlicher. Und da sind wir wieder ein wenig beim Thema Gegendarstellung. Wenn man heutzutage die Lüge lange genug erzählt, dann wird sie relativ schnell zur Wahrheit, wie in George Orwells „1984“. Das ist aber nichts, was der Satiriker lösen kann. Sondern das ist eine Frage, wie lange die Gesellschaft sich noch an der Nase herum führen lassen will. Ich bin auch nicht der Meinung, dass man sich jedem Populisten immer stellen muss und dem Mist, den die Leute verbreiten. Ich finde, dass diese Darstellung und die Selbstpräsentation, die ihnen ermöglicht wird, viel zu übertrieben ist. Ich möchte nicht in jeder Sendung von Will bis Maischberger zu jedem Thema einen von der AfD haben. Das brauche ich nicht. Man sieht das ja auch an Frau Conway und ihren alternativen Fakten. Allein das Wort ist ja schon verrückt. Und einige nutzen diese Art der Verbreitung eben auch in Deutschland aus. Und das sind keine tumben Parolen von irgendwelchen Republikanern aus den 90ern, die geistig nicht mal in Lage waren einen ganzen Satz zu formulieren. Das ist nicht mehr so. Den Populisten wird es heute leicht gemacht sich zu verbreiten.
 
Über eines müssen wir noch reden. Die SPD hat ihren Kanzlerkandidaten gewählt. Machen Sie lieber den Gabriel oder lieber den Schulz?
 
Na, für Gabriel muss ich mir zu viel Anfressen. Das war maskenmäßig immer schwierig. Und Schulz ist auch nicht besonders angenehm. Glauben Sie mir, diesen Bart im Gesicht zu tragen, diese Kleberei, das ist nicht schön. Es ist mir also egal. Ich mache mir jeden kabarettabel (lacht). 

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