Interviews
23.10.2017 Julia Nemesheimer  
Lyambiko

"Perfektion gibt es nicht."

​Am 25. Oktober 2017 ist die Lyambiko in der Tuchfabrik in Trier zu Gast. Wir haben uns mit der Jazzsängerin über das aktuelle Album, das perfekte Konzert und vieles mehr unterhalten.

 
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hunderttausend.de: Gerade seid ihr auf Tour mit dem aktuellen Album Love Letters. Die Geschichte hinter der Entstehung des Albums ist ziemlich schön. Magst du sie an dieser Stelle nochmal erzählen?

Lyambiko: Wie der Name ja schon sagt, es handelt sich um Liebesbriefe, konkreter um solche, die wir auf dem Dachboden der Großmutter meines Mannes gefunden haben. Sie ist vor ein paar Jahren verstorben und als der Nachlass gesichtet wurde, tauchte auch dieses Kästchen mit sehr vielen Briefen und Fotos auf. Das war die Korrespondenz vom Großvater an die Großmutter. Die reichen von der Zeit in der sie sich kennengelernt haben, zusammengekommen sind, bis hin zur Hochzeit und in die Ehe. Das ist ungefähr ein Zeitraum von knapp zehn Jahren, von etwa 1934 bis 1944.


Also das, was man sich ganz klassisch als sehr romantisch vorstellt und das heute ja kaum noch der Fall ist, weil man über moderne Medien permanent in Kontakt steht.


Ja, auf der einen Seite schon, aber teilweise ist es auch ganz unromantisch und alltägliche Sorgen werden ausgetauscht. Etwa wie sie sich am besten krankenversichert oder wie schlecht er beim Militär während der Kriegszeit versorgt wurde und sein Zuhause vermisst.


Und daraus sind dann also diese Songs auf dem Album entstanden?


Jein. Er hat wirklich wahnsinnig schön geschrieben, weshalb ich am Anfang überlegte, ob ich seine Briefe einfach vertone oder ob ich die Gegenwart mit der Vergangenheit irgendwie vermischen kann. Ich kam dann zu dem Entschluss Jazzstandards aus der damaligen Zeit zu verwenden, damit das Gefühl von damals rüberkommt. Stücke, von denen ich mir vorstellen konnte, dass sie die gehört hat. Weiterhin haben wir aber auch neue Songs geschrieben, meine Kollegen und ich. Viele waren an die Briefe angelehnt, bei Love Letters zum Beispiel habe ich die Geschichte übernommen, aber meinen eigenen Text dazu verfasst. Aber andere Songs könnten einfach im Hier und Jetzt spielen, Things Are Looking Up Again etwa.


Wie kann man sich denn bei euch das Songwriting vorstellen? Schreibt jeder für sich oder alle gemeinsam?


Jeder hat an seinen Stücken geschrieben, aber es ist eigentlich eine Mischung. Wir tauschen uns über das Internet aus, haben uns aber auch zusammengesetzt, die Stücke geprobt, ausprobiert und gemeinsam arrangiert. Teilweise haben wir Songs auch im Team zu Ende geschrieben.


Mit Tilman Person habt ihr einen personellen Wechsel am Schlagzeug. Merkt man da irgendwas von?


Ach, wir kannten uns ja alle vorher schon und haben miteinander gespielt. Ich zum Beispiel war schon vor 15 Jahren mal mit ihm in einer Band, aber dann haben wir uns komplett aus den Augen verloren. Am Anfang ist es natürlich immer ein bisschen schwierig. Die Frage wer Heinrich ersetzen sollte, nachdem er ausgestiegen ist, war aber relativ schnell geklärt. Tilman ist ja auch früher schon eingesprungen, wenn Heinrich verhindert war, von daher passt das alles sehr gut.


Wie bereitet ihr euch dann auf die Tour vor? Gibt es eine Probephase?


Ja, gerade bei so einer Tour ist es unerlässlich. Wobei das Zusammenspiel auf der Bühne ja super funktioniert. Und für ein Try-Out oder wenn wir eine Session als Opener spielen, dann muss man da auch vorher nicht zwingend proben. Aber jetzt in dem Fall legen wir da schon Wert drauf. Wir haben außerdem durch Robin vom b-flat, einem Jazz-Club in Berlin, die Möglichkeit, vorher immer einen Opener zu spielen. Da dürfen wir auch proben und können uns vor Publikum ausprobieren, denn dann weiß man, was ankommt und was man vielleicht doch nochmal überarbeitet.


Hast du eine Definition eines perfekten Konzertes?


Es gibt keine perfekten Konzerte. Es gibt einige, die nahe da ran kommen, aber Perfektion gibt es da nicht. Und ich persönlich bin auch immer unzufrieden mit mir. Das geht aber uns allen in der Band so. Mit Martin Auer, dem Trompeter, hatte ich erst kürzlich ein Gespräch darüber, wo er meinte, dass er nie zufrieden wäre, es gäbe immer etwas, das man verbessern könnte. Und das ist ja auch eine gute Sache, denn das treibt einen ja voran. Wenn man die Perfektion gefunden hat, wo bleibt da der Ansporn? Es gibt ja auch diesen Spruch, der zwar abgedroschen klingt, aber den ich trotzdem mag: „Der Weg ist das Ziel!“. Und genau das ist es was ich will. Immer weiterkommen, neue Sachen ausprobieren oder andere Einflüsse mit reinbringen.


Als Jazz-Neuling, also jemand, der sich gerne an Jazz herantasten möchte, gibt es Musiker oder Bands, die du für einen leichten Einstieg empfehlen würdest?


Das finde ich ganz schwer. Ich habe selbst nie das gehört, was alle anderen hören, sondern immer etwas gesucht, das mich reizt und herausfordert. Wenn man sich jetzt aber dem Vocal Jazz widmet, dann kann man mit den Klassikern, etwa von Ella Fitzgerald, Carmen McRae oder Sarah Vaughan, nichts falsch machen. Bei mir hat das gut funktioniert. Wenn man etwas Kantigeres sucht, dann kann ich jedem nur Nina Simone empfehlen. Das war für mich so die Ikone, die mich persönlich so richtig gefangen genommen hat.


Ich würde gerne noch kurz ein wenig in die politische Richtung gehen. Du als Tochter einer deutschen Mutter und eines tansanischen Vaters bist ja Diskriminierung schon immer ausgesetzt, wie ich aus verschiedenen Interviews herausgelesen habe. Jetzt geht dieser enorme Rechtsruck überall umher. Glaubst du mit Musik oder Kunst im Allgemeinen kann und muss man da irgendwie dagegen wirken?


Auf jeden Fall. Das ist sehr wichtig. Dieser Ruck nach Rechts ist extrem beunruhigend. Viele Leute fallen auf Grund von Unwissen darauf herein. Und diesen muss man zeigen, dass es noch so viel mehr abseits der eigenen heimen vier Wände gibt. Ein Freund von mir sieht auch das Internet und die erweiterten Kommunikationsmöglichkeiten als den größten Katalysator dafür. Da kann ja jeder schreibenwas er möchteund das trifft dann ungefiltert auf eine riesige Masse an Menschen und der Mist potenziert sich. Und gerade mit der AfD macht mir das schon Sorgen, denn die kommen mir vor wie ein trojanisches Pferd für die extremen Rechten. Europa war ja irgendwann mal auf einem guten Weg und jetzt bröckelt es scheinbar an allen Ecken und Enden.


Um das Interview jetzt noch mit etwas Positiven zu beschließen, was können denn die Leute, die am 25. Oktober zum Konzert in die Tufa kommen, erwarten?


Wir erzählen eine wunderschöne Liebesgeschichte, aber wir möchten auf eine Art musikalische Reise mitnehmen. In den Stücken haben wir mit ganz vielen Bildern und Traumwelten gearbeitet, was ideal ist um sich ein wenig zu entspannen und auch einmal was anderes zu sehen und zu hören.


Tickets gibt es nich für 29,85 Euro im Vorverkauf.


Foto: Uwe Arens

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