hunderttausend.de: Gerade seid ihr auf Tour mit dem aktuellen Album
Love Letters. Die Geschichte hinter der Entstehung des Albums ist
ziemlich schön. Magst du sie an dieser Stelle nochmal erzählen?
Lyambiko: Wie der Name ja schon
sagt, es handelt sich um Liebesbriefe, konkreter um solche, die wir
auf dem Dachboden der Großmutter meines Mannes gefunden haben. Sie
ist vor ein paar Jahren verstorben und als der Nachlass gesichtet
wurde, tauchte auch dieses Kästchen mit sehr vielen Briefen und
Fotos auf. Das war die Korrespondenz vom Großvater an die
Großmutter. Die reichen von der Zeit
in der sie sich kennengelernt haben, zusammengekommen sind,
bis hin zur Hochzeit und in die Ehe. Das ist ungefähr ein Zeitraum
von knapp zehn Jahren, von etwa 1934 bis 1944.
Also das, was man sich
ganz klassisch als sehr romantisch vorstellt und das heute ja kaum
noch der Fall ist, weil man über moderne Medien permanent in Kontakt
steht.
Ja, auf der einen Seite
schon, aber teilweise ist es auch ganz unromantisch und alltägliche
Sorgen werden ausgetauscht. Etwa wie sie sich am besten
krankenversichert oder wie schlecht er beim Militär während der
Kriegszeit versorgt wurde und sein Zuhause vermisst.
Und daraus sind dann
also diese Songs auf dem Album entstanden?
Jein. Er hat wirklich
wahnsinnig schön geschrieben, weshalb ich am Anfang überlegte, ob
ich seine Briefe einfach vertone oder ob ich die Gegenwart mit der
Vergangenheit irgendwie vermischen kann. Ich kam dann zu dem
Entschluss Jazzstandards aus der damaligen Zeit zu verwenden, damit
das Gefühl von damals rüberkommt. Stücke,
von denen ich mir vorstellen konnte, dass sie die gehört hat.
Weiterhin haben wir aber auch neue Songs geschrieben, meine Kollegen
und ich. Viele waren an die Briefe angelehnt, bei Love Letters zum
Beispiel habe ich die Geschichte übernommen, aber meinen eigenen
Text dazu verfasst. Aber andere Songs könnten einfach im Hier und
Jetzt spielen, Things Are Looking Up Again etwa.
Wie kann man sich denn
bei euch das Songwriting vorstellen? Schreibt jeder für sich oder
alle gemeinsam?
Jeder hat an seinen
Stücken geschrieben, aber es ist eigentlich eine Mischung. Wir
tauschen uns über das Internet aus, haben uns aber auch
zusammengesetzt, die Stücke geprobt, ausprobiert und gemeinsam
arrangiert. Teilweise haben wir Songs auch im Team zu Ende
geschrieben.
Mit Tilman Person habt
ihr einen personellen Wechsel am Schlagzeug. Merkt man da irgendwas
von?
Ach, wir kannten uns ja
alle vorher schon und haben miteinander gespielt. Ich zum Beispiel
war schon vor 15 Jahren mal mit ihm in einer Band, aber dann haben
wir uns komplett aus den Augen verloren. Am Anfang ist es natürlich
immer ein bisschen schwierig. Die Frage wer Heinrich ersetzen sollte,
nachdem er ausgestiegen ist, war aber relativ schnell geklärt.
Tilman ist ja auch früher schon eingesprungen, wenn Heinrich
verhindert war, von daher passt das alles sehr gut.
Wie bereitet ihr euch
dann auf die Tour vor? Gibt es eine Probephase?
Ja, gerade bei so einer
Tour ist es unerlässlich. Wobei das Zusammenspiel auf der Bühne ja
super funktioniert. Und für ein Try-Out oder wenn wir eine Session
als Opener spielen, dann muss man da auch vorher nicht zwingend
proben. Aber jetzt in dem Fall legen wir da schon Wert drauf. Wir
haben außerdem durch Robin vom b-flat, einem Jazz-Club in Berlin,
die Möglichkeit, vorher immer einen Opener zu spielen. Da dürfen
wir auch proben und können uns vor Publikum ausprobieren, denn dann
weiß man, was ankommt und was man vielleicht doch nochmal
überarbeitet.
Hast du eine Definition
eines perfekten Konzertes?
Es gibt keine perfekten
Konzerte. Es gibt einige, die nahe da ran kommen, aber Perfektion
gibt es da nicht. Und ich persönlich bin auch immer unzufrieden mit
mir. Das geht aber uns allen in der Band so. Mit Martin Auer, dem
Trompeter, hatte ich erst kürzlich ein Gespräch darüber, wo er
meinte, dass er nie zufrieden wäre, es gäbe immer etwas, das man
verbessern könnte. Und das ist ja auch eine gute Sache, denn das
treibt einen ja voran. Wenn man die Perfektion gefunden hat, wo
bleibt da der Ansporn? Es gibt ja auch diesen Spruch, der zwar
abgedroschen klingt, aber den ich trotzdem mag: „Der Weg ist das
Ziel!“. Und genau das ist es was ich will. Immer weiterkommen, neue
Sachen ausprobieren oder andere Einflüsse mit reinbringen.
Als Jazz-Neuling, also
jemand, der sich gerne an Jazz herantasten möchte,
gibt es Musiker oder Bands, die du für einen leichten Einstieg
empfehlen würdest?
Das finde ich ganz
schwer. Ich habe selbst nie das gehört, was alle anderen hören,
sondern immer etwas gesucht, das mich reizt und herausfordert. Wenn
man sich jetzt aber dem Vocal Jazz widmet, dann kann man mit den
Klassikern, etwa von Ella Fitzgerald, Carmen McRae oder Sarah
Vaughan, nichts falsch machen. Bei mir hat das gut funktioniert. Wenn
man etwas Kantigeres sucht, dann kann ich jedem nur Nina Simone
empfehlen. Das war für mich so die Ikone, die mich persönlich so
richtig gefangen genommen hat.
Ich würde gerne noch
kurz ein wenig in die politische Richtung gehen. Du als Tochter einer
deutschen Mutter und eines tansanischen Vaters bist ja
Diskriminierung schon immer ausgesetzt,
wie ich aus verschiedenen Interviews herausgelesen habe. Jetzt
geht dieser enorme Rechtsruck überall umher. Glaubst du mit Musik
oder Kunst im Allgemeinen kann und muss man da irgendwie dagegen
wirken?
Auf jeden Fall. Das ist
sehr wichtig. Dieser Ruck nach Rechts ist extrem beunruhigend. Viele
Leute fallen auf Grund von Unwissen darauf herein. Und diesen muss
man zeigen, dass es noch so viel mehr abseits der eigenen heimen vier
Wände gibt. Ein Freund von mir sieht auch das Internet und die
erweiterten Kommunikationsmöglichkeiten als den größten
Katalysator dafür. Da kann ja jeder schreibenwas er möchteund das
trifft dann ungefiltert auf eine riesige Masse an Menschen und der
Mist potenziert sich. Und gerade mit der AfD macht mir das schon
Sorgen, denn die kommen mir vor wie ein trojanisches Pferd für die
extremen Rechten. Europa war ja irgendwann mal auf einem guten Weg
und jetzt bröckelt es scheinbar an allen Ecken und Enden.
Um das Interview jetzt
noch mit etwas Positiven zu beschließen, was können denn die Leute,
die am 25. Oktober zum Konzert in die Tufa kommen, erwarten?
Wir erzählen
eine wunderschöne Liebesgeschichte, aber wir möchten auf
eine Art musikalische Reise mitnehmen. In den Stücken haben wir mit
ganz vielen Bildern und Traumwelten gearbeitet, was ideal ist um sich
ein wenig zu entspannen und auch einmal was anderes zu sehen und zu
hören.
Tickets gibt es nich für 29,85 Euro im Vorverkauf.
Foto: Uwe Arens