Film der Woche
14.12.2017 hunderttausend.de  
lieber leben

Geduld

​Grand Corps Malade, der französische Poetry Slammer und Rapper hat mit lieber leben einen Film voller Galgenhumor fabriziert, der auch sein eigenes Leben widerspiegelt. Ab dem 14. Dezember 2017 läuft die französische Dramödie auch im Broadway Filmtheater. Unser Film der Woche.

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Benjamin ist Anfang 20, spielt begeistert Basketball und will später einmal Sportlehrer werden. Ein leichtsinniger Sprung im Schwimmbad macht ihm jedoch einen Strich durch seine Sportlerkarriere. Statt Bälle zu dribbeln und Schüler rumzuscheuchen, findet er sich im Krankenhaus wieder. Sein Halswirbel ist gebrochen, er ist gelähmt. Eine inkomplette Querschnittslähmung, Tetralepsie fesselt ihn ans Bett. Bewegen kann er nicht mehr viel, alle vier Gliedmaße sind betroffen, doch es ist nicht irreparabel. Irgendwann geht es für Ben in die Reha, wo er in einer langwierigen Physiotherapie vieles neu lernen muss. Bis er kleine Fortschritte macht, muss er sich jedoch in Geduld üben und ist vor allen Dingen auf das Pflegepersonal angewiesen. Alltäglichkeiten funktionieren nicht mehr einfach so. Hier lernt er auch andere Langzeitpatienten kennen, die allesamt ihre eigene Geschichte mit sich bringen - und gemeinsam mit ihnen lernt er auch, das neue Leben mit einer guten Portion Humor und vor allen Dingen viel Hoffnung zu betrachten.

http://www.broadway-trier.de/ 

​Grand Corps Malade, zu Deutsch "Großer kranker Körper", heißt mit bürgerlichem Namen Fabien Marsaud​​ und lag mit 20 selbst im Krankenhaus. Auch er war nach einem Unfall querschnittsgelähmt. Inzwischen kann er nicht nur wieder nur mit Hilfe einer Krücke laufen, sondern auch alles andere wieder tun, was ihm damals von einem Tag auf den anderen verwehrt war. Heute ist der Franzose in seinem Heimatland bekannt und als Rapper und Poetry-Slammer beliebt. Gemeinsam mit dem Musikvideoregisseur Mehdi Idir bringt er jetzt mit dem autobiographischen Film den Alltag in einer Reha-Klinik auf die Leinwand. Im Original heißt der Film "Patients", was sowohl als Patienten als auch als Geduld übersetzt und verstanden werden kann, ein sehr treffender Titel. Davon einmal abgesehen heimst der Film gerade viel Kritikerlob ein. So schreibt etwa die Münchner Abendzeitung: "Es ist den beiden Regisseuren ein Kompliment zu machen für die Grazie, mit der sie einen Alltag voller Wiederholungen verfilmen, ohne zu straucheln. Sie schaffen es, mitzunehmen in diese begrenzte und abgeschottete Welt, in der man den Blickwinkel auf das kleine Große des Lebens ändert. Sie wollten kein Pathos, lieber Selbstironie."

Auch der NDR fasst zusammen: ""Lieber leben" hält immer wieder die Balance zwischen Hilflosigkeit und neuen Hoffnungen. Sensibel offenbart der Film die Schattenseiten des Rehaklinik-Alltags." Und die österreichischen Kollegen von vienna.at beschließen ihre Kritik mit den Sätzen: "War es Marsauds “angepasstes Ziel”, eine humor- und hoffnungsvolle Ode an die Ausdauer und den Kampfgeist seiner Protagonisten zu kreieren, so hat er das erreicht. Und das, ohne in Pathos abzugleiten." Des Weiteren werden hier auch die Schauspieler bedacht: "Jungdarsteller Pablo Pauly hat sich, wie auch seine Co-Darsteller, den eingeschränkten Bewegungsradius eindrücklich erarbeitet. [...] Ganz generell kann man sich dem Esprit und der Spielfreude des jungen, talentierten Ensembles nur schwer entziehen."


Die Mitpatienten von Ben setzen sich übrigens aus einer sehr bunten Mischung aus Menschen zusammen, die teils seit ihrer Kindheit gelähmt sind oder ein ähnliches Schicksal wie der Protagonist haben. Im Mannheimer Morgen wird außerdem festgestellt: "Viel erfährt man – fast wie nebenbei – von den einzelnen Personen, viele mit Migrationshintergrund. So schleicht sich im Subtext klug Kritik an Politik und alltäglichem Rassismus ins Geschehen ein."


Die Webseite filmstarts.de schreibt in ihrer Kritik: "Vor allem in der unsentimentalen ersten Hälfte bietet das Drama [...] ein beeindruckendes Porträt einer lebensumwälzenden Veränderung und des schwierigen durch sie ausgelösten Anpassungsprozesses. Statt großer Gesten gibt es kleine Schritte, statt ausgewalzter Krisen selbstironischen Humor und "angepasste Hoffnung"."


In Kooperation mit dem Broadway Filmtheater präsentieren wir regelmäßig den Film der Woche.


Foto: Neue Visionen

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