Interviews
19.05.2017 Vincenzo Sarnelli  
Krawehl in der VillaWuller

"Kein Problem mit Emo"

​Eine Punk-Band aus Ostwestfalen die klingt, als käme sie aus Hamburg. Krawehl nennen sich selbst "EmopunkDampframme" und kommen in erster Linie mit tiefen Texten und ner Menge Punk daher. Vor ihrem Auftritt beim Oben Air Warm Up in der villaWuller am 20. Mai 2017 sprachen wir mit Sänger und Gitarrist Florian Kammerlander über das Debütalbum "s/t", warum es acht Jahre gedauert hat, bis es raus kam und natürlich über Loriot. 

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​hunderttausend.de: Florian, wie mutig muss man eigentlich sein, um sein Debütalbum mit den Worten „Ich weiß ja nicht“ zu beginnen? 

Florian Kammerlander: (lacht) Tatsächlich hat die Zeile nicht wirklich was mit dem Debütalbum zu tun. Wir hatten einfach alle das Gefühl, dass der Song ein knackiger Opener sein muss. Und deshalb steht er am Anfang.
 
Wir stellen die Frage deshalb auch, weil ihr als Band seit acht Jahren besteht und jetzt erst euer Debüt-Album raus gekommen ist. Die Erwartungshaltung war vermutlich in eurem Umfeld nicht gering.
 
Ja, leider war das wohl so.
 
Andere Bands haben in acht Jahren fünf Alben und zwei EPs veröffentlicht, haben sich schon getrennt und wieder ne Reunion gefeiert. Woran lag es?
 
Wir kriegen die Frage sehr oft gestellt in letzter Zeit. Wir erklären das immer so: Der Zeitfaktor war schon ein ganz großes Thema. Krawehl hat als Hobby-Projekt angefangen und dann haben wir die EP und ein Jahr später die Split-LP raus gebracht. Das war auch ganz cool. Unser damaliger Schlagzeuger war zu der Zeit im Studium. Insgesamt haben wir sehr viele unterschiedliche Jobs gemacht. Ich war zum Beispiel in der Ausbildung zur Fachkraft für Veranstaltungstechnik. Zum Einen also das. Wir haben trotzdem regelmäßig geprobt und auch vereinzelt Live-Konzerte gespielt. Es war aber kein richtiges Konzept dahinter. Unsere Zeitplanung war einfach nicht besonders gut. Wir haben oft Songs geschrieben und wieder ad acta gelegt. 2014 kam dann Marco an der zweiten Gitarre dazu und das musste sich auch einspielen. Und als es dann so weit war, dass wir genug Songmaterial zusammen hatten um ein Album zu machen im Jahr 2015, da hat dann Philipp, unser damaliger Schlagzeuger, die Notbremse gezogen. Er war mit dem Studium mittlerweile fertig und es war relativ klar, dass er maximal zehn Konzerte im Jahr spielen kann und er vielleicht auch nicht mehr in Bielefeld wohnen wird. Wir mussten uns also nach einem neuen Schlagzeuger umschauen. Den haben wir dann relativ schnell gefunden. Dann haben wir die Songs fertig geschrieben, sind Anfang 2016 ins Studio gegangen und jetzt kam halt 2017 das neue Album.
 
Würdest du sagen, dass die Platte am Anfang eurer Bandzeit anders geklungen hätte? Also wieviel Einfluss hatte das, dass ihr sozusagen als Band so lange reifen konntet?
 
Anders auf jeden Fall. Allein von der Aufnahmequalität. Wir sind mit der Aufnahme in ein professionelles Studio gegangen. Im Vergleich zu der EP und der Split, die eher so Home-Recording-Sachen waren. Es hat sich über die Jahre viel Song-Material angesammelt und davon wurde durchaus auch einiges verwendet, anderes wiederum auch verworfen. Anders wäre es also sicher gewesen. Jetzt sind wir aber sehr glücklich damit wie es gelaufen ist und wie die Platte klingt. Wir sind zufrieden.
 
Es ist ja auch grade die richtige Zeit für deutschsprachigen Punkrock. Man könnte fast meinen, dass der grade eine kleine Renaissance erlebt.
 
Wahrscheinlich haben wir den Zenit schon verpasst. Es gibt zwar ne Renaissance, aber ich hab schon das Gefühl, dass man dem ganzen schon wieder etwas überdrüssig ist. Aber das ist alles nichts, was uns besonders interessiert. Wir hatten Bock auf ne Punkplatte und die haben wir gemacht. Wir haben uns daran orientiert, was wir können (lacht).
 
Dass ihr zufrieden seid, ist das eine, die Rezensionen zeigen, dass auch die andere Seite zufrieden ist. Ihr habt viele davon auf eurer Facebook-Seite geteilt. Kann man daraus schließen, dass euch wichtig ist, was andere über eure Musik sagen und denken?
 
Wir freuen uns immer, wenn Leute gut finden, was wir machen. Es ist also eine Ja und Nein Antwort. Denn es ist auch total legitim und okay, wenn das jemand nicht geil findet. Die meisten Rezensionen waren wirklich relativ wohlwollend. Es waren aber welche dabei, die damit nicht so viel anfangen können. Wir haben das dann gepostet um zu zeigen, was andere von der Platte halten. Für uns ist diese Aufmerksamkeit ja auch relativ neu. Es ist eine spannende und interessante Zeit grade.
 
Ziemlich sicher. Eine Gemeinsamkeit hatten alle Rezensionen: die Einordnung im Vergleich zu einigen anderen Bands. Zum Beispiel, dass deine Stimme klingt wie eine Mischung aus Nicholas Müller und Chuck Ragan.
 
Das ist für mich auch total okay. Jupiter Jones hat mich früher viel begleitet, genauso wie Chuck Ragan und Hot Water Music. Aber ich mache das, was ich kann. Und ich kann es halt nicht anders. Ich freue mich aber über die Vergleiche. Da gibt es deutlich schlimmeres.
 
Der Song Déja Vu behandelt die Szenepolizisten, die nicht wirklich über ihren Tellerrand hinaus schauen. Ich finde das relativ interessant, weil man einerseits als Band ja davon profitiert zu einer gewissen Szene dazu zu gehören. Andererseits wird das ja nicht selten proklamiert, dass nichts mehr nervt als eben dieses ständige Abgrenzen.
 
Ein paar Reviews haben auch auf den Song Bezug genommen, auch ein paar von den Negativen. Vielleicht ist das auch nicht richtig angekommen, denn das ist nicht nur Szene-Bashing sondern auch Selbstkritik. Wir schließen uns davon ja auch nicht aus. Grundsätzlich ist das total schwierig, weil das manchmal einfach ins Elitäre abdriftet. Wir vier haben mittlerweile einen so breit gefächerten Musikgeschmack, dass wir das manchmal nervig finden. Deshalb ist der Song entstanden.
 
Jetzt kommt ihr schon aus einem kulturell sehr vielfältigen Bundesland wie NRW, wie bitter ist es, wenn man dann in Ostwestfalen wohnt?
 
(lacht). Es geht eigentlich…
 
Das musstest du ja jetzt sagen.
 
Ne, im Ernst. Ich kann mir schlimmeres vorstellen. Ich persönlich wohne sogar in Herford was ja noch schlimmer ist als Bielefeld. Bielefeld ist halt nett, weil man Kleinstadtflair in einer ansatzweise großen Stadt hat. Hat Vorteile, hat Nachteile, ist aber grundsätzlich okay.
 
Ich frage deshalb, weil euer Song „Bielefeld sehen… und scherben?“ schon die Stadt und eure Herkunft auch irgendwie in den Fokus rückt. Für eine kleinstädtische Herkunft ist der Sound und auch der Anspruch irgendwie ziemlich urban. Hamburgesk sozusagen…
 
Kann ich schlecht beantworten. Wir haben halt nie in einer so urbanen Umgebung gewohnt. Hamburg fällt in der Tat relativ oft. Es gab viele Hamburger Bands, die uns beeinflusst haben, ja. Aber es gab auch viele Bands aus anderen Orten die uns beeinflusst haben. Kann man eigentlich überhaupt urban klingen? Ich weiß es nicht. Kann ich also eher nicht beantworten, ob wir urbaner klingen, als es unsere Herkunft eigentlich zulässt.
 
Die Bandbeschreibung auf LaLa-Schallplatten fand ich übrigens ziemlich interessant. Da steht nämlich über euch: „Eine EmopunkDampframme die eine Schneise in den trübtauben Musenginst schlägt.“
 
(lacht) Ja!
 
Es ist aus zwei Gründen spannend. Ihr bezeichnet euch also als Emopunkband? Ist ja eigentlich fast schon ein No-Go, dieses „Emo“-Label.
 
Emo ist in der Tat fast schon ein Schimpfwort geworden. Aber da wir alle mit 90er-Jahre-Emo-Bands groß geworden, als Emo noch kein Schimpfwort war, finde ich das legitim. Ich hab nichts dagegen. Im Gegenteil. 90er Jahre Emo-Bands sind großes Kino!
 
Und der zweite Aspekt: Was ist denn der „trübtaube Musenginst“?
 
Das kommt aus dem Gedicht von Loriot im Film “Papa Ante Portas” (lacht). Daher rührt ja auch unser Bandname. Als wir 2009 geprobt haben und der erste Auftritt anstand, hatten wir auch das erste …but Alive Demotape auf dem Schirm. Und Loriot ist auch großes Kino. Also warum nicht Krawehl?
 
…but Alive und Loriot sind schöne Begründungen für Bandnamen. Auf jeden Fall. Kammi, vielen Dank fürs Interview und wir freuen uns auf euren Auftritt in der VillaWuller am 20. Mai 2017.
 

Foto zVg: Band


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