Interviews
07.11.2018 Jana Ernst  
Ivan Ivanovich & The Kreml Krauts

"Wenn am Ende alle tanzen, sind wir sehr glücklich."

​​​​​​​Am Freitag, 9. November 2018, stehen Ivan Ivanovich & The Kreml Krauts auf der Exhaus-Bühne. hunderttausend.de hat sich vorab mit der Trierer Band über ihren außergewöhnlichen Musikstil und die russische Texte unterhalten.

yNp97LnQDyA
Video

​hunderttausend.de: Hört man den Namen Ivan Ivanovich & The Kreml Krauts, dann denkt man gleich ans tiefste Russland und nicht unbedingt an Trier. Wie habt ihr euch kennengelernt und zu diesem Musikstil gefunden? 

Ivan Ivanovich & The Kreml Krauts: Es ist wundervoll, dass niemand zunächst an Trier denkt, wenn er Ivan Ivanovich & The Kreml Krauts hört. Es birgt sehr viel Überraschungspotential. Viele Menschen gehen ganz natürlich davon aus, dass wir aus Berlin sind und so ist es immer wieder erheiternd die Leute mit „Trier“ vor den Kopf zu stoßen.

Natürlich hätten wir uns einen etwas mehr römisch-keltisch-katholisch-trierischen Namen einfallen lassen, der Augusta Treverorum in den Vordergrund stellt. Aber so einen Zungenbrecher möchte man auch niemandem außerhalb von Trier zumuten. Im Nachhinein ist es bedauerlich, dass bei der Namensfindung auch niemand von uns die Idee hatte einen Bezug zu Karl Marx herzustellen, denn dann könnten wir supersexy auf der Karl-Marx-Brot-Steak-Quietscheentchen-Welle reiten.

Wir haben uns so kennen gelernt, wie sich Menschen nun mal kennen lernen - man sagt „Hallo“, stellt sich vor und sucht im Gespräch nach gemeinsamen Interessen. Musik ist hierbei ein spannendes Thema. Musik bringt Menschen zusammen, die sonst niemals zusammengekommen wären. Wir sind immer wieder überrascht über die unterschiedlichsten Charaktere im Publikum. Egal ob es ein größeres Festival ist oder ein kleiner, verrauchter verschwitzter Klub. Wenn am Ende alle Tanzen, Lachen und unsere Musik genießen, sind wir sehr glücklich.

Mit Ivan Ivanovich & The Kreml Krauts wollten wir eine bestimmte Art Musik machen, die uns bisher gefehlt hat. Damals, im Jahr 2007, haben wir solche Künstler wie Gogol Bordello, Talco, Leningrad, La Brass Banda, Rotfront, Russkaja, Emir Kusturica, Goran Bregović und viele andere aus der Balkan/Ska Nische gefeiert. Zusätzlich hat jeder einzelne der Gründungsmitglieder seine eigenen musikalischen Einflüsse und Vorstellungen in den Topf der Schnitzel-Beat-Suppe einfließen lassen. Beinahe alle Gründungsmitglieder haben die Lebensumstände aus Trier vertrieben und so kamen andere Menschen in die Band, mit neuen Gewürzen und Geschmacksnuancen für die Schnitzel-Beat-Suppe.  

Die meisten eurer Texte sind russisch, auch auf eurem neuen Album Wodoworot. Im beiliegenden Booklet findet sich zwar auch die deutsche Übersetzung der Lieder, aber ganz ehrlich: Wer kann da mitsingen?

Das ist eine selbstauferlegte Limitierung. Wer mitsingen möchte tut es. Die wenigsten unserer Eltern bzw. Großeltern haben wirklich verstanden was und worüber die Beatles, Rolling Stones, Michael Jackson oder Queen gesungen haben. Mitsingen war jedoch kein Problem, wenn man wirklich mitsingen wollte. Das gilt heute immer noch. Die Musik und der Text eines Songs erzählen zusammen eine Geschichte. Die Emotionen stehen hierbei an erster Stelle. Sprache ist lediglich ein Mittel um Emotionen in Worte zu fassen. Die Muttersprache beherrscht man in der Regel am besten. Als Kind hat man sie aufgesogen und die eigene Wahrnehmung sowie Gefühle damit fest verdrahtet.

Wer schreibt bei euch die Texte? Oder sprecht ihr alle russisch?

Ein klein wenig russisch beherrscht jeder in der Band - zumindest so viel, dass grundsätzliche Emotionen in Worte gefasst werden können. Ivan und Dimitrij sind jedoch die einzigen gebürtigen Russen. Ivan kommt aus Südrussland, Oblast Wolgograd um genauer zu sein, Dimitrij aus Kirgisistan. 

Wir versuchen mit Musik und Gesang in erster Linie eine Geschichte zu erzählen, die man versteht ohne die Sprache beherrschen zu müssen. Der Schaffungsprozess eines Songs sieht bei uns daher so aus, dass wir uns zu einem Riff beziehungsweise einer Melodie eine Geschichte zusammenschustern. Das hilft uns dabei den neuen Song zu fühlen und zu formen. Der endgültige Text kommt dann zum Schluss von Ivan.

Erzählt doch mal, worum es auf dem neuen Album geht. Oder worum es euch ganz allgemein bei eurer Musik geht.

Wir versuchen, mit jedem unserer Lieder eine kleine Geschichte zu erzählen. In unserem Song Deutsches Essen in Russland geht es zum Beispiel darum, dass sich eine Gruppe Deutscher und eine Gruppe Russen in einer russischen Sauna begegnen und sich gegenseitig ihre Kultur näher bringen. Mit Knödel, Schnitzel und Vodka werden sie dann schnell Freunde. Solche kleinen Alltagsgeschichten sind sehr typisch für unsere Musik. Häufig geht es auch um Liebe, mal positiv, mal negativ, um Freundschaft oder um feuchtfröhliche Abende mit viel Alkohol und Zigaretten. Ivan singt auf dem neuen Album Wodoworot auch über einen kleinen Igel, der sich nachts im Wald verirrt. Dieser Text basiert auf einem alten russischen Trickfilm. Auch das Buch Schuld und Sühne des russischen Autoren Dostojewski ist Thema eines Liedes. Die Lyrics sind also sehr unterschiedlich und behandeln nicht nur das Tanzen und gute Laune. Im Großen und Ganzen hoffen wir, dass unsere Musik bei unseren Hörerinnen und Hörern Emotionen auslöst. Ein gutes Kreml Krauts Album sollte Songs enthalten, zu denen man auf einer WG-Party in der eigenen Küche hemmungslos abtanzen kann, denn wir wollen natürlich Spaß und Freude vermitteln. Gleichzeitig sollen aber auch Stücke enthalten sein, die man sich ganz in Ruhe anhört und die zum Träumen oder zum Entspannen einladen.

Obwohl vermutlich kaum jemand versteht, was ihr eigentlich singt, tretet ihr auch diesen Herbst/Winter wieder in ganz Deutschland auf. Was darf man denn von euren Konzerten erwarten?

Für uns ist es nicht so wichtig, ob man im Publikum beim Konzert genau versteht, worum es in unseren Liedern geht. Wir transportieren Stimmungen und Emotionen, die die Menschen auch wahrnehmen können, wenn sie kein russisch sprechen. Wir haben in elf Jahren Bandgeschichte und über 200 Konzerten bisher noch nicht das Problem gehabt, dass ein fehlendes Textverständnis für Ratlosigkeit gesorgt hat. Wir haben sogar häufig eher das Gefühl, dass es unsere Musik für verschiedenste Gruppen öffnet. In Deutschland hört man sehr viel auf die Texte und schließt Bands aus, die sich Sprache in einer Art und Weise bedienen, die man selbst nicht benutzt. In unserem Publikum finden sich häufig Kinder, junge Menschen, Erwachsene aus allen möglichen Gesellschaftsschichten und feiern zusammen. Die Leute verstehen zwar nicht jedes Wort, aber sie verstehen die Energie und die Emotion, die wir transportieren wollen und lassen sich darauf ein. Wer zu unseren Konzerten kommt, dem versprechen wir einen feuchtfröhlichen Abend mit netten Leuten, Musik und viel Bewegung. Wenn sich dann nach dem Konzert jemand unsere Alben kauft, und in den Booklets die Textübersetzungen nachliest und sich eingehender mit den Songs beschäftigt, umso besser.​

​Vielen Dank für das Gespräch. Wir wünschen viel Spaß und Erfolg bei der Tour und vor allem am 9. November im Exhaus!


Foto zVg: Band

Bildgalerie



Karte anzeigen