Interviews
19.06.2018 Julia Nemesheimer  
Futur II Konjunktiv

Zertritt dir die Füße, nur Mut!

​​Seit der Saison 2016/17 inszeniert Futur II Konjunktiv aus Berlin am Theater Trier. Bei diesen Auftragsarbeiten handelt es sich um Untersuchungen zum Thema Solidarität. Am 20. Juni 2018 geht das Projekt in die letzte Runde und beschäftigt sich mit dem (Über-)Leben in einer apokalyptischen Zukunft. hunderttausend.de hat sich im Vorfeld mit den beiden Köpfen dahinter unterhalten. 

 
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Oftmals lernt man die passenden Menschen über die Arbeit kennen. Auch Futur II Konjunktiv ist entstanden, als sich Johannes Wenzel und Matthias Naumann bei einem Auftrag des Ringlokschuppen Ruhr kennenlernten. Während – zumindest in der Theorie – Johannes die Regie übernimmt und Matthias für die Texte zuständig ist, sieht die Realität ein wenig anders aus. „Wir entwickeln zusammen Gedanken und in der Praxis reden wir uns die ganze Zeit rein. Seit einigen Monaten bezeichnen wir uns daher auch nicht mehr als Kollektiv, sondern als Kollaborativ. Bei den einzelnen Projekten kommen dann noch temporäre Mitglieder hinzu, das reicht dann von den Schauspieler*innen zu Bühnen- und Kostümbildern und allen anderen, die man hinter den Kulissen benötigt“, erklärt Naumann schmunzelnd und man merkt direkt, dass die beiden sich gesucht und gefunden haben. Seit rund fünf Jahren bilden sie ein Team und in den letzten zwei Jahren waren sie als Gäste am Theater Trier tätig. Thema ihres Engagements in der Geburtsstadt Karl Marx’ war „Hoch die internationale Solidarität“. Bei dem theatralen Forschungsprojekt sollten Solidarität und Angst als politische Emotionen untersucht werden. In den vergangenen zwei Jahren gab es hierzu unterschiedliche Formate, die diesen Fragen nachgingen und eigene aufwarfen. Es gab eine Soliparty und einen Stadtparcours des Wünschenswerten, ein Planspiel der ökonomischen Solidarität sowie ein Fest der Trierer Solidarität. 2017 kam die Stückentwicklung „Ich lege meine Heimat nach Rojava“ zur Uraufführung in der Tufa. Morgen feiert schließlich der nächste und letzte Part der Untersuchung ihre Premiere. „Das ganze geschieht im Rahmen der Förderung von Doppelpass. Das ist vor allen Dingen für freie Gruppen oder solche Kollaborationen wie uns gedacht, da man mit einem Stadttheater zusammenarbeitet und damit auch neue Strukturen und Arbeitsweisen kennenlernt. Für beide Kooperationspartner beinhaltet das einige Vorteile, auch finanzieller Natur, da dies durch die Kulturstiftung des Bundes gefördert wird. In unserem Fall konnten wir den Intendanten Karl Sibelius von unserer Idee überzeugen und so haben wir angefangen zusammen zu arbeiten. Zwar war es hier durch die Umstrukturierungen etwas schwierig und auch unsere räumliche Entfernung hat die Arbeit nicht unbedingt erleichtert. Das merken wir insbesondere jetzt, wo wir für das jüngste Projekt spartenübergreifend arbeiten. Von unserem ursprünglichen Plan mussten wir auch ein wenig abweichen, ein Projektteil wird nicht zur Aufführung kommen“, offenbart Matthias Wenzel. Wichtig zu wissen sei an dieser Stelle, dass die einzelnen Stücke und Interventionen nicht aufeinander aufbauen, sondern komplett eigenständig betrachtet werden. „Es gibt zwar das Oberthema ‚Solidarität’, aber es gibt keinen direkten Zusammenhang, daher soll das auch niemanden abschrecken zu kommen.“

Ab dem 20. Juni wird an insgesamt vier Terminen also das Stück "Zertritt dir die Füße, nur Mut" gezeigt. Das Grundszenario geht davon aus, dass die Gesellschaft und Wirtschaft, wie wir sie heute kennen, nach einem Finanzcrash zusammengebrochen ist. Insbesondere in den Metropolen wie Frankfurt a.M. herrschen chaotische Zustände und die Menschen versuchen irgendwie zu überleben, nachdem auch die Logistik und damit die Versorgung nicht mehr funktioniert. Gewalt prägt den Alltag, das Recht des Stärkeren scheint zu überwiegen. In diesen Unruhen bricht eine kleine Gruppe von vier Leuten auf in Richtung Westen. Denn irgendwo an der französischen Atlantikküste soll es eine auf Solidarität basierende Gesellschaftsform geben, in der all die chaotischen Zustände nicht mehr zu existieren scheinen. „Wir haben uns da an andere endzeitliche Phantasien gehalten, in denen es ja zumeist immer einen bestimmten, paradiesisch anmutenden Ort gibt, den man erreichen muss, damit alles wieder gut wird“, erläutert Naumann. Dass dieser Weg mit Problemen und Hindernissen gespickt ist, liegt nun mal in der Natur der Sache. „Wir haben eine Figur erschaffen, die die ‚relevante Literatur’ gelesen hat. Also diese Person kennt die Sci-Fi-Romane, –Filme und –Serien mit apokalyptischer Thematik. Denn uns kam es immer so unglaubwürdig vor, dass die Protagonisten in solchen Medien sich zumeist so verhalten, als hätten sie noch nie in ihrem Leben etwas von einem Zombie gehört und immer ganz überrascht sind. Dadurch kommt es eben nicht zu dieser Absurdität, stattdessen kommt es zu Diskursen, wie man damit umgehen soll“, so Naumann weiter. Es finden sich also entsprechend viele Anspielungen auf Popkultur und Dystopie, aber auch auf politische Theorien. Trocken wird dies sich allerdings nicht gestalten, sondern die Bezüge und Hinweise werden mit viel Humor eingebracht, es gestaltet sich tatsächlich ein Stück weit als Groteske.

Den Abschluss des Doppelpass-Projektes soll übrigens eine Publikation bilden, die in der Retrospektive die gemachten Erfahrungen und Ergebnisse der Untersuchung festhält. „Wir werden also darüber schreiben, was wir über die (internationale) Solidarität herausgefunden haben. Zudem sehen wir uns auch an, wie die Zusammenarbeit geklappt hat und damit auch wie künstlerisches Arbeiten und darstellende Kunst in Deutschland aufgestellt ist. Damit kann man weitergehend auch untersuchen, was sich verändern sollte und inwieweit diese Strukturen ineinandergreifen. In den letzten Jahren hat sich auch vermehrt herauskristallisiert, dass die Freie Bühne ein ganz wichtiger Impulsgeber für die darstellende Kunst war“, fasst Johannes Wenzel die Pläne für die nähere Zukunft bezogen auf dieses Projekt zusammen.

 

Termine:
20., 22. und 27. Juni 2018  jeweils 19:30 Uhr
24. Juni 2018 um 18 Uhr 


Eintritt: 14,00 Euro (10,00 ermäßigt)

Fotos: Philipp Kirsch

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