Interviews
12.11.2017 Julia Nemesheimer  
Fin Greenall

"Wir brauchen neue, spannende Musik"

​​​Am Dienstag, den 14. November 2017, tritt Fink in der Rockhal auf. Im Vorfeld hatte hunderttausend.de die Möglichkeit mit dem wunderbaren Fin Greenall (Mitte), dem Kopf der Band, über Politik, die Tour und die neue Platte Resurgam zu reden.

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Du bist gerade auf einer langen Tour quer durch Europa. Hat sich, auch angesichts der jüngsten politischen Entwicklungen, etwas geändert im Vergleich etwa zu vergangenen Tourneen?

Wir waren zur Wahl in Österreich und es fühlt sich so an als wären wir gerade auf einer „Fear of the Right“-Tour, so präsent ist die Politik aktuell überall um uns herum. Aber auch wenn das alles einen beängstigenden Touch hat, so hat es doch auch etwas Gutes: Politik wird wieder zum Thema, man redet darüber. In den vergangenen zehn Jahren hat man so wenig darüber gesprochen, man hat es einfach nur hingenommen. Und jetzt wird diese Generation wieder politisiert und nimmt das alles genauer wahr. Man schaut hin und das ist etwas, das diesen ganzen Nationalismus, der gerade so sehr auf dem Vormarsch ist, aufhalten kann. Wenn jeder weg sieht, kann so etwas viel leichter wachsen und gedeihen. Dadurch, dass etwa Trump in den USA gewählt wurde, reden wir jetzt wieder alle über amerikanische Politik. Und solange wir nicht in den nächsten zweieinhalb Jahren in einem nuklearen Holocaust sterben, ist das doch eigentlich eine gute Sache (lacht).

Und doch ist es auch beängstigend, gerade weil dieser Nationalismus auch in Europa immer mehr Gestalt annimmt, man nehme nur den Brexit in Großbritannien, die Wahl in Deutschland...

...oder auch in Österreich. Wir sind drei Monate auf Tour, da bekommt man in vielen unterschiedlichen Ländern einiges mit. Und in den vergangenen zehn Jahren, die ich unterwegs bin, habe ich tatsächlich nie so viel mit den Leuten, die wir in den verschiedenen Städten treffen, über Politik gesprochen wie jetzt – fast jeden Tag wird über den Brexit, die Wahlen und all das geredet. Mir macht das nichts aus, ich freue mich eher darüber, dass wir in einem Teil der Welt leben in dem wir die Freiheit haben, über all das zu sprechen. Es ist eine großartige Sache, dass wir in einer freien Gesellschaft leben, in der jeder das denken darf, was er mag, auch wenn ich nicht mit jedem übereinstimme. Joe Biden sagte vor einigen Jahren: „In Amerika hat jeder die Freiheit so dumm zu sein, wie er mag.“ Gleiches gilt heute für Europa: Jeder hat die Freiheit, so ignorant zu sein wie man mag. Aber ich glaube, dass der gesunde Menschenverstand am Ende siegt.

Hoffentlich behältst du da Recht. Du lebst ja in Berlin, wie stehst du da zum Brexit?

Da überlegen sie ja jetzt ein Referendum vom Referendum zu machen, weil ihnen aufgeht wie viel da dran hängt. Sollte das so ausgehen, dass wir doch Teil der EU bleiben, dann finde ich, sollten wir auch den Euro als Währung annehmen, damit wir auch wirklich dazugehören. Wenn man Deutschland, Spanien, Frankreich und alle anderen Länder davon überzeugen konnte sich von den alten Währungen zu trennen, dann können wir ja wohl auch den Sterling verabschieden. Vor allen Dingen kann man Reformen ja auch viel eher von innen vorantreiben. Nur so kann man aktiv an Veränderungen teilhaben.

Reden wir ein wenig über Musik. Kürzlich kam dein neues Album Resurgam raus. Ich kannte vorher schon deine älteren Platten und im Vergleich dazu wirkt es ziemlich anders. Viel hypnotischer, düsterer und mysteriöser. Wie kam es dazu, war das geplant?

Ich glaube, niemand – außer man ist Beethoven oder so – setzt sich hin und plant genau wie etwas klingen soll, bevor man überhaupt angefangen hat. Als wir die Songs geschrieben haben – und wir möchten ungern immer dasselbe auf jedem Album wiederholen – fanden wir nicht, dass es sich so unterschiedlich anhört. Aber wir wissen, dass es für Leute, die sich nicht mit jedem kleinsten Element so intensiv auseinandergesetzt haben, ganz anders klingt. Wir möchten Aufnahmen machen, die wir selbst lieben und seit 2014 wurden wir von denselben Musikern beeinflusst, wie alle um uns herum. Und so ist das Album eben ein wenig extremer, launischer, düsterer, hypnotischer. Die Platten, die ich in letzter Zeit gehört und gefeiert habe, sind ähnlich von der Stimmung her und weniger akustisch sondern eben einfach interessanter. Außerdem haben wir mit Flood jetzt einen neuen Produzenten, der einfach eine Koriphäe auf seinem Gebiet ist und uns einen alternativeren Blick auf unsere Musik gegeben hat. Seiner Meinung und Einschätzung vertraut man einfach auf Grund all der Bands mit denen er bisher gearbeitet hat. Ich denke, das neue Album ist minimalistischer, aber da ist mehr Musik, es kommt mit weniger Instrumenten aus, ist aber dennoch melodischer. All diese seltsamen, kleinen Paradoxa funktionieren – etwa insofern als dass ich kaum Gitarre spiele und dennoch mehr Melodien da sind als beispielsweise auf Hard Believer. Das ist wirklich interessant. Er hat auch meine Art Songs zu schreiben verändert. Nachdem wir die Demos zurückbekommen habe, wurde der Gitarrenpart einfach so weit herunter gedämpft bis kaum noch was davon da war – aber die Melodie blieb bestehen. Ich denke, das ist der Grund warum es so hypnotisch und düster geworden ist.

Die Leute reagieren ja auch auf die neuen Songs. Wie kommt so was bei dir an?

Auf Resurgam sind ja auch klassische Fink-Songs drauf, etwa Not everything was better in the Past, sehr balladesk. Die Stücke mag ich auch sehr. Aber mit This Isn't A Mistake und Resurgam zum Beispiel sind diese ziemlich abgefahrenen Werke drauf, die mit zwei Schlagzeugern arbeiten und ganz anders wirken. Damit wird man in gleichem Maße verwirrt und unterhalten. Viele Leute sagen dann, dass sie meine Musik früher viel mehr mochten – das hier ist ja schließlich etwas anderes. Aber manche danken uns auch dafür, dass wir jetzt endlich was Neues gemacht haben und uns damit vom klassischen Singer-Songwriter-Sound entfernen. Aber wie schon vor Jahren die Frage „Braucht die Welt noch einen weiteren Singer-Songwriter?“ mit „Fuck No“ beantwortet wurde, so kann doch immer noch das Gesuch, ob wir neue, spannenden und interessante Musik brauchen mit „Fuck Yes“ quittiert werden.

Wie kommst du denn mit neuem Material in Kontakt und was bewegt dich gerade privat an Musik?

Ich hab ein paar Musiklabels und bekomme immer wieder Singer-Songwriter-Demos zugeschickt, aber es interessiert mich nicht – außer es wäre jetzt irgendein krasser Künstler wie Joni Mitchell, Ben Howard oder ein fantastischer Newcomer. Mich persönlich reizen einfach ganz andere Sachen. Gerade feiere ich eine serbische Punk-Band, die haben mich echt gepackt. Die faszinieren mich so viel mehr als noch irgendein langhaariger, bärtiger Typ aus der Mittelklasse, der mit seiner Gitarre da steht. Wir haben im Bus auch kürzlich diskutiert und sind zu dem Ergebnis gekommen, dass Frauen im Moment einfach die progressiveren und interessanteren Künstler sind. Die bringen gerade so viel spannende Musik raus und auch früher schon haben Patti Smith oder Bjork den Kerlen gezeigt wo der Hammer hängt.

2012 habt ihr gemeinsam mit dem Royal Concertgebouw Orchestra aus den Niederlanden in Amsterdam gespielt. Speziell dafür wurde eine App entwickelt, die es erlaubte, das Konzert von überall auf der ganzen Welt live mitzuverfolgen. Das klingt ja eigentlich ziemlich praktisch, aber ich habe nie wieder was davon gehört. Wie kam es dazu?

Naja, die klassische Szene hat ja ein bisschen Kohle. Und für die ging es in dem Fall nicht in erster Linie darum das Konzert auszuverkaufen, das haben die jeden Abend für die nächsten zehn Jahre, sondern vielmehr das Durchschnittsalter der Zuschauer mal unter 65 zu drücken. Insofern haben wir dieses Projekt mit dem niederländischen Symphonieorchester gemacht als Teil ihres Programms, auch jüngere Leute zu erreichen. Und ein Element des Ganzen war eben auch diese Live-Konzert-App, die ziemlich teuer war. Das Konzept ist überzeugend, man kann halt auch von überall auf dem Apple TV oder sonstigen Geräten das Konzert mitverfolgen samt verschiedener Extras. Uns wurde gesagt, dass es erstmals bei diesem Gig verwendet wurde. Aber, wie es mit neuen Sachen nun mal so ist, man muss dann Updates mit berücksichtigen und wenn man es nicht ständig anpasst, funktioniert es irgendwann nicht mehr. Das Update auf Snow Leopard hat die App quasi gekillt, das ist wirklich schade drum.

Stimmt, es bietet ja auch für andere Bands viel Potential. Wie oft kommt es schließlich vor, dass etwa nur ein einziges Konzert irgendwo gespielt wird und der Gig schnell ausverkauft oder zu weit weg ist.

Ja, die Hauptarbeit ist ja schon erledigt. Man stelle sich nur vor, etwa Rihanna oder Lady GaGa würden die App kaufen – ein Konzert in LA wäre dann wieder ein weltweites Event. Wir selbst können es uns einfach nicht leisten, die Technik und alles, was dahinter steckt, sind einfach viel zu teuer. Aber jetzt gibt es ja auch Facebook-Live (lacht).

Jetzt seid ihr zwölf Wochen auf Tour quer durch ganz Europa – ist das nicht anstrengend? Sehnt man sich da nicht danach nach Hause zu kommen und wieder im eigenen Bett und nicht mehr im Bus zu schlafen?

(lacht) Nein, der Bus ist großartig. Wie praktisch ist es denn, wenn dein Wohnzimmer, Küche, Schlafzimmer und Bad immer in direkter Nähe sind. Außerdem sind wir ja keine Bande von Söldner, sondern eine Band. Unsere Touring-Family ist im Laufe der Jahre wirklich zur Familie geworden. Wir haben seit langem immer die gleichen Leute mit dabei, das ist viel entspannter und schöner als jedes Mal jemand Neues dabei zu haben. Die Ton- und Soundleute sind dieselben genauso wie unser Tourmananger. Bei dieser Tour haben wir noch neue Musiker mit dabei, unter anderem einen weiteren Drummer, Nicky Hustinx. Wenn man auf so einer großen Tour ist, dann lebt man tatsächlich nur für diese Gigs. Das sind dann 22,5 Stunden Bullshit und 90 unglaublich großartige Minuten. Letztens hatten wir einen Tag frei und wussten überhaupt nichts mit uns anzufangen. Es sind um die 63 Shows am Stück, das ist tatsächlich die längste Tour, die wir alle je gemacht haben. In diesem Zeitraum hat man so wenig Privatsphäre und man muss irgendwas finden, mit dem man sich beschäftigen kann. Gerade die ersten Wochen sind schwierig, ähnlich wie bei einem normalen Job, den man neu anfängt. Mit dem Unterschied, dass man danach nicht einfach nach Hause gehen kann. Der Vorteil ist, dass man echt wenig Geld ausgibt, weil man ja fast alles bezahlt bekommt, dafür erhält man aber die Gage für die Shows. Da wird's später schwierig, zurück zu kommen und die ganzen alltäglichen Dinge wieder aufzunehmen.

Hast du denn schon Pläne für die Zeit nach der Tour?

Ich liebe Musik und ich liebe es auch zu arbeiten, also abgesehen davon, dass ich den ganzen Tag duschen werde (lacht), setze ich mich wohl auch an eine Remix-Version von Resurgam. Außerdem nehm ich mir im Dezember drei Wochen frei, einfach weil niemand irgendwas macht in dem Monat, und besuche meine Heimat und Eltern. Im neuen Jahr folgt dann ein Projekt mit einem berühmten nigerianischen Sänger in Lagos. Danach kommt eine Tour durch Nordamerika, ich werde an einem zweiten Blues-Album schreiben und dann ist auch schon Festival-Saison. Anschließend sind Aufnahmen für die Blues-Platte geplant und neue Sachen für Fink. Ich hab also einen Plan bis ungefähr 2022 (lacht). Klingt doch nach einer Menge Spaß. Ich muss dafür natürlich in der richtigen Stimmung sein, ich bin ja schließlich keine Maschine, die man an- und ausschalten kann. Im Endeffekt hab ich ein ziemlich hochgestecktes Ziel, das quasi nicht erreichbar ist. Dafür werd ich mir dann ein Bein ausreißen und hasse mich dann, wenn ich es nicht schaffe. Genau so wird 2018 aussehen (lacht).

Dann wünsche ich dir viel Erfolg dabei und bin nicht nur auf das Konzert am 14. November gespannt, sondern auch auf alles, was die kommenden Jahre da noch bereithalten. Vielen Dank für die Gelegenheit mit dir sprechen zu dürfen!

Tickets für das Konzert gibt es für 27 Euro im Vorverkauf.


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