Interviews
28.03.2017 Vincenzo Sarnelli Veranstalter
Fatoni im Mergener Hof

"Ich hoffe, da geht noch mehr"

​Mit "Yo, Picasso" hatte er 2015 sein bisher stärkstes Album vorgelegt. Wenn Fatoni am 31. März 2017 die Bühne des Mergener Hofs betritt, hat er mit "Im Modus" ein neue Platte im Gepäck. Im Interview sprachen wir mit ihm darüber, warum es jedoch kein klassisches Nachfolgealbum ist und über den Unterschied von klassischer Satire und seinen ironischen Texten. 

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Video

​hunderttausend.de: Fatoni, wir in Trier waren schon ein bisschen traurig, als du deine Tour verschieben musstest. Aber jetzt endlich gehts los. Wie fühlt sich das an vor so einer Tour?

Fatoni: Es ist schon ein bisschen stressig. Man hat halt viel zu organisieren vorher. Durch die Verschiebung der Tour haben wir auch schon so lange nicht mehr live gespielt. Fast ein Jahr. Man muss sich das Ganze also wieder irgendwie draufspielen. Aber ich hab voll Bock, weil es eigentlich so das Beste ist, von den Sachen die man so macht wenn man von der Musik lebt. 

Dass ihr Bock habt, sieht man immer auch in euren Tour-Ankündigungsvideos. Das sind ja quasi auch nochmal zusätzliche eigene Highlights für sich. Wer hat denn da die Ideen und kommt auf den ganzen Quatsch, den ihr da macht? 

Es ist so ein bisschen ein Kollektiv bestehend aus Juse Ju, ein guter Freund von mir und Support bei der anstehenden Tour, mir und der Videoproduktionsfirma namens „oh my“. Die machen in erster Linie Musik-Videos. Die haben zum Beispiel für mich ein paar gemacht beim letzten Album. Aber die sind auch für große Bands wie KIZ tätig. Auf so einen Quatsch nebenbei haben die dann aber trotzdem Bock. Ich find das voll gut. Für die leider verschobene Tour, haben wir dann ja ein Video ziemlich offensichtlich im Greenscreen gedreht. Und das können die locker. Da haben die Skills. Es macht auf jeden sehr viel Spaß.

Hilft dir deine Schauspielerfahrung und -ausbildung dabei?

Naja, das ist ja eher Comedy. Da steht mir Juse in nichts nach, auch ohne Schauspielausbildung. Aber ich hab ja auch schon ernstere Sachen gemacht und wenn man ein Musikvideo dreht, dann hilft die Ausbildung einem schon.

Bevor wir auf dein neues „Mixtape“ zu sprechen kommen, lass uns dieses Comedy-Ding mal näher betrachten. Das zieht sich ja schon ein bisschen durch dein künstlerisches Schaffen, sei es in Videos, aber auch in Texten. Du spielst gerne mit Satire und beißender Ironie. Grade bei so einem Song wie „32 Grad“ vom „Yo, Picasso!“-Album ist das so, wenn du im Refrain singst „32 Grad hat es auf Lampedusa, spürst du diese frische Brise vom anderen Ufer“ und aus dem für die Flüchtlingskrise symbolischen Ort, an dem sich viel Leid abgespielt hat und noch abspielt, eine Art Urlaubsparadies für reiche Europäer machst. Besteht die Gefahr, dass man als Künstler weniger ernst genommen wird, wenn man immer wieder auch der Clown ist?

Es gibt einen großen Unterschied zwischen Satire und dem, was wir machen. Wenn die Redaktion von Extra Drei ein Lied macht, dann steht die Musik in der Regel im Hintergrund und ist zweitrangig. Es geht in erster Linie um den Joke. Und das ist bei mir auf keinen Fall so. Uns ist wichtig, dass die Musik geil ist. Handwerklich oder halt auf meinen Geschmack bezogen. Das ist auf jeden Fall Grundvorraussetzung. Ich war sicher auch mal klamaukig, aber bei „32 Grad“ zum Beispiel hat das ja einen sehr ernsten Hintergrund. Da ist die Gefahr nicht so groß, bloß als Clown wahrgenommen zu werden.

Siehst du denn manchmal auch die Gefahr, dass du falsch verstanden werden könntest, mit dem was du sagst?

Ich glaube, ich denke da weniger drüber nach, als Kollegen von mir oder Leute aus meinem Umfeld. Generell versuche ich das vorher auszublenden und wegzuschieben. Ich habe nämlich immer die Sorge, dass, wenn ich so Gedanken zulasse, ich dann nicht mehr das mache, was ich wirklich geil finde. Ich denke zwar sicherlich mehr drüber nach als früher, weil es in der Zwischenzeit sicher auch mal passiert ist. Ich hab ein älteres Lied “Tränen oder Pisse“. Das ist eine Art Verschwörungstheorien-Lied. Da habe ich schon sehr die Rolle eingenommen. Das ist ja eines dieser Stilmittel, das viele benutzen. Und das haben viele nicht verstanden. Da gab es dann Radio-Sender, die gesagt haben, dass sie das nicht spielen können, weil es einen Aufruf zur Gewalt enthält. Und da ist ja auch was wahres dran. Viele Leute hören Musik nur nebenbei und wenn die dann hören „Kids, schlagt eurem Physiklehrer mit der Faust ins Gesicht“, dann denken die sich schon so ihren Teil. Wenn ich sowas mache, dann versuche ich es also schon auf den Punkt zu bringen, dass man es versteht. Aber die Voraussetzung bleibt schon, dass man intensiver zuhören muss. Und darüber hinaus gibt es ja viele andere die das machen.

Vielleicht besteht der Unterschied darin, dass man bei KIZ zum Beispiel mittlerweile weiß worauf man sich einlässt…

Klar. Die sind halt relativ schnell groß geworden und heute Popstars. Jeder weiß für was die stehen. Die Leute, die das Interview hier jetzt lesen, die kennen mich vermutlich nicht und wissen das bei mir eben nicht. Wenn man so ein Nischenkünstler ist, dann ist man gleichzeitig für viele Menschen ein Newcomer. 

Interessant finde ich ja auch, dass grade „32 Grad“ oder auch einige andere deiner Songs, die so ironisch und bissig sind, durchaus auch Feiermomente sind und total eingängige Beats, Melodien und Lyrics haben. Ist das für dich nicht seltsam, wenn die Leute den Song auf einem Konzert dann feiern?

Ich hatte am Anfang schon so ein bisschen Probleme damit, grade bei dem Lied. Aber mittlerweile denke ich, dass die Leute die auf mein Konzert kommen, das gecheckt haben. Ich bin ja auch noch nicht so groß, dass da 5000 Leute vor der Bühne stehen, die nur einen Hit kennen zum Beispiel. Andererseits ist das ja auch ein Stilmittel, dass ich total gut finde. KIZ zum Beispiel macht das ja noch krasser. Musikalisch richtig poppige Refrains. Das „Boom, Boom, Boom“ vom aktuellen Album zum Beispiel ist eine Anspielung auf die Vengaboys. Rein musikalisch schrecklich, aber auch wieder total genial, weil sie mit dem Move ins Radio kommen und die krassesten, auch politischen, Dinge sagen können. Eins zu Eins in die Fresse. Das sollte bei „32 Grad“ auch so sein. Ich hab auch den Beat so ausgewählt, dass es wie ein Urlaubshit klingt. Das macht es einfach noch böser. Ich hab halt Monate überlegt, wie ich zu dem Thema einen Song schreiben kann. Und auch wenn ich dabei den Zweck über den Swag gestellt habe, konnte ich keinen Betroffenheitssong machen. Das passt gar nicht zu mir. Und deshalb ist es dann böse geworden. Weil das Thema selbst auch böse ist. Und am Ende muss man vermutlich auch sagen, dass beide Herangehensweise gleich wenig bewirken. Da muss man sich gar nicht so aufspielen. 

Lass uns von dem Song mal weggehen und über dein neues Mixtape sprechen. Interessant eigentlich, dass du eine Platte, die eigentlich auch ein neues Album hätte sein können, Mixtape nennst. Mir wurde beim hören aber relativ schnell klar warum. Es sind viele Dinge miteinander vermischt. Stile, Features, Lyrics. Wie ist das zustande gekommen?

Ja, es fehlt musikalisch ein bisschen der rote Faden. Es war eigentlich simpel. Bei „Yo, Picasso!“ haben sich die Superlative bei den Reviews ja immer übertroffen. Und es war vielleicht für das Genre nicht überkrass kommerziell erfolgreich, aber für mich war es schon der größte Erfolg. Aber auch die Erwartungshaltung an mich selbst ist dadurch gestiegen. Das hat mich irgendwie ein bisschen blockiert. Man geht da ja nicht so bewusst dran und sagt: „Ich schreib jetzt mal nen Hit für eine bestimmte Zielgruppe“. Deshalb hab ich angefangen auf irgendwelche Beats Sachen zu machen. Und dann waren das auf einmal 15 Lieder. Es war aber von Anfang an klar, dass ich das auf keinen Fall Album nenne, weil es im Vergleich zum letzten Album zum Beispiel was ganz anderes ist. Nicht ganz so rund und textlich in einer anderen Welt. Es ist nicht qualitativ schlechter oder besser, sondern was ganz anderes einfach. Da sind zum Beispiel viele Deine-Mutter-Sprüche drauf, die ich zwar witzig finde, die aber auf „Yo Picasso“ nicht drauf wären. 

Ist das nicht ein kleines Risiko, wenn man sich grade ein gewisses Image aufgebaut hat und erfolgreich war. Wie war das für dich und haben da Leute in deinem Umfeld mal gesagt, dass sie dir davon eher abraten? 

Innerlich hab ich eh immer bedenken, wenn ich ne Platte mache, weil ich halt so bin. Diese Platte jetzt ist ganz klar für die Leute, die mich schon kennen. Es gab da keinen großen Plan dahinter. Wir haben nur eine Woche Promo dafür gemacht. Leute, die im Hip Hop unterwegs sind, können da mit dem Begriff Mixtape auch mehr anfangen und das besser einordnen, denke ich. Es gab da jetzt deshalb nicht so Leute, die mir davon abgeraten habe. Vielleicht wenn ich es als neues Album betitelt hätte, dann schon eher. Witzig übrigens, wir haben genau eine Punktlandung auf Platz 100 der Charts gemacht. Dafür, dass man das nur bei ITunes runter laden kann und wenig Promo gemacht worden ist, finde ich eigentlich ganz geil. 

Dafür, dass die Musik auf dem Mixtape so experimentierfreudig und außergewöhnlich ist, hab ich ja gedacht, dass du auch bei deinen Features mal neue Wege gehst. Und doch sind da ja eher die ganzen alten Bekannten mit drauf. Ist das nicht ein bisschen inkonsequent dann? 

Das ist für mich ein weiteres Indiz für ein Mixtape. Ich feier das zum Beispiel bei den Ami-Rappern: Wenn die ein Mixtape machen,dann ist da fünf mal die Crew drauf. Das macht einfach total spaß, weil ich keine Band habe. Und wenn man dann zu dritt nen Song macht, ist das einfach cool. Juse Ju und Edgar Wasser zum Beispiel sind da einfach mega eng dran. Die ganzen Songs haben wir einfach mal gemacht, obwohl wir keinen wirklichen Plan hatten. Auf dem letzten Album zum Beispiel gab es ja genau ein Feature: Kryptik Joe von Deichkind. Das war eher so jemand mit dem man nicht so rechnet. Und wenn ich so drüber nachdenke: Ich hatte vorher noch nie einen Song mit Retrogott gemacht. Oder auch Maeckes. Den kenn ich zwar schon über 10 Jahre, aber dass wir Musik zusammen machen ist eigentlich sehr neu. Das die beiden dabei sind hat mich echt gefreut. Das sind einfach zwei meiner Lieblingsrapper. 

Du selbst hast ein Feature gehabt auf der neuen Platte der Antilopen Gang „Anarchie und Alltag“. Und es war ja schon vorher relativ klar, dass die wohl auch kommerziell ziemlich erfolgreich werden wird. Wie ist das für dich, dann da gefragt zu werden?

Wir sind auch privat befreundet und wir hatten lange nichts mehr zusammen gemacht. Dementsprechend hatte ich mich schon gefreut, dass ich da mitmachen kann. Ich hab dann auch nicht so darüber nachgedacht, dass die Platte vielleicht so erfolgreich werden könnte. Es war auch lange nicht sicher, ob der Song es überhaupt auf das Album schafft, weil der so albern ist. Aber dann haben sie ihn doch drauf gemacht. Im Nachhinein, als die Platte dann auf der Eins in den Charts gelandet ist, hab ich das dann realisiert. Vielleicht das erste und letzte Mal, dass ich an einem Nummer-Eins-Album beteiligt bin (lacht). 

Wie siehst du denn die Entwicklung derzeit? Mit Antilopen Gang auf der Eins hätte man vor einigen Jahren eher noch nicht gerechnet, Madness und Döll gehen plötzlich durch die Decke und Audio88 & Yassin spielen ausverkaufte Touren in relativ großen Locations. Wie nehmt ihr das denn wahr? Tut sich was in dieser Szene, in der ihr euch bewegt?

Du hast ja schon einige von denen genannt, es gehören da vielleicht noch ein paar mehr dazu, wie zum Beispiel Zugezogen Maskulin oder so. Aber im Endeffekt finde ich das total geil. Ich mach das mittlerweile schon relativ lange und da ging es ganz vielen so, dass einfach nichts passiert ist. Alle wollten nur Straßenrap hören. Wir haben halt alle nicht aufgehört. Vermutlich hat sich die Musik dann ein bisschen in eine Richtung verändert, die mehr Leuten gefällt. Aber in erster Linie hat der Zeitgeist sich verändert und war bereit für sowas. Das ist voll geil für uns alle. Und ich hoffe, da geht noch mehr. An sich ist das aber alles schon mal voll cool. 

Wir jedenfalls freuen uns auf das Konzert in Trier! Vielen Dank Fatoni für das angenehme Gespräch!


Foto: Conny Mirbach


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